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Von Künstlern der Heimat

Die Eifel stellt aus

 

»Pietà« (1955)

Pitt Kreuzberg - Eifellandschaft

 

Peter Kremer

Vom 12. bis 19. November birgt das Rathaus zu Wittlich im stilvollen Rathsherrensaal eine Ausstellung, die die bildenden Künstler des Großkreises Daun-Wittlich erstmalig zusammenfasst und darüber hinaus auch das Kunsthandwerk eingeschlossen hat. Der Gedanke zu dieser Kunstschau ging von der Hitler-Jugend aus. Die Hitler-Jugend hat mit dieser Ausstellung für die ganze Eifel eine kulturfördernde Tat vollbracht, und das Ergebnis zeigt, wie notwendig und wie wertvoll von Zeit zu Zeit eine solche Kunstschau der Heimat ist. Es muss von vornherein gesagt werden, dass es sich hier nicht um eine lokale Angelegenheit von »Auch-Künstlern« handelt. Die Ausstellung, nach den strengen künstlerischen Maßstäben aufgebaut, ist so, dass sie es verdient, von allen kulturverantwortlichen Kreisen beachtet zu werden.

Drei Wochen vor Eröffnung der Ausstellung fuhren wir mit dem Bannführer durch das herbstliche Eifelland. Wir wollten die Aussteller besuchen und unter ihren Schätzen auswählen. Es war eine wunderschöne Fahrt. Die Eifelwälder brannten in der letzten verblutenden Glut des Spätherbstes. Das unbeschreibliche Spiel des Lichtes zwischen den Stämmen, die leuchtenden Kupferfarbe des frisch gefallenen Laubes auf dem Waldboden, die Riesenwellen von Licht und Schatten an den Hängen und Höhen, der schwelende Rauch der Herbstfeuer auf den Äckern, die nebelumsponnenen Spitzen der Berge, das alles verlieh der Landschaft eine großartige Erhabenheit.

Hannes Scherl - Zecher (Eichenholz)

Fritz von Wille, der Altmeister Eifeler Landschaftsmalerei, hatte uns von Düsseldorf geschrieben, er habe schon sein Winterquartier bezogen. Auf der Burg Kerpen wäre alles öd und leer; aber ein paar Bilder für die Ausstellung wolle er gern überlassen. Uns wollte scheinen, als habe der Alte zu früh sein Eifelnest verlassen; jedenfalls waren wir dadurch um den Besuch bei ihm gekommen, und so hielt unser Wagen zuerst in Schalkenmehren bei Pitt Kreuzberg. Er erwartete uns vor seinem Hause, kaum ließ er uns Zeit, einen Blick aufs blaue Maar zu werfen.

Pitt Kreuzberg ist ein Kind des Ahrtals. Just vor 25 Jahren, so erzählt er, ließ er sich in Schalkenmehren nieder, und seither ist er der Eifel verfallen. Er malt dieses Land immer wieder: die Äcker und Wieden, die Wälder und Berge, die Bäume, die Menschen, die Tiere an den Hängen. Er malt zu allen Jahres- und Tageszeiten, ob die Sonne leuchtet oder der Sturm droht. Den Eifelsturm liebt er besonders. Da stehen seine Bilder in der Werkstatt vor uns. Die Ernte der zwei letzten Jahre ist reich. Er ist eigenwilliger Künstler, in keine Schule und keine Richtung zu pressen. Mit erdhafter Kraft sind diese Bilder gemalt, so nur kann die heroische Vulkanlandschaft gesehen und dargestellt werden. Aus manchem Bild steigt der herbe Schollenatem; immer wieder lockt das Maar den Künstler; das rätselvolle Auge, das ihm durchs Fenster schaut.

Von Schalkenmehren fuhren wir in der goldenen Mittagsstunde nach Dreis zum Künstlerehepaar Heller. Durch verzauberte Herbstwälder ging’s; Ernstberg und Nerother Kopf blauten aus dem Hintergrund des gewaltigen Panoramas.

Hellerkunst ist weitbekannt und jeder gute Deutsche trug in den Vorjahren die hübschen Märchenfiguren vom WHW und wird auch in diesem Jahre die Zeichen der zwölf Monate tragen. Drei Millionen sind bestellt. In den Heller-Werkstätten herrschte Leben. Nicht um die mehr oder minder Industrie gewordene Herstellung der Märchenfiguren ging es uns - Magda Heller zeigte und eine Unzahl von entzückenden, fasst lebensgroßen Figuren der ganzen deutschen Märchenwelt, die für eine einheitliche Weihnachtsdekoration der Stadt Wuppertal bestimmt sind, was ein phantastisches Bild werden muss -, es ging uns für die Ausstellung um die Zeichnungen und Plastiken der Familie Heller. Wir sahen Reliefs aus dem Arbeitsdienst, daneben flache, farbige Holzreliefs über das Eifeler Bauernleben. Wir nahmen Abschied von der Künstlerin, die auch glückliche Mutter von fünf prächtigen Kindern ist, tief beeindruckt von der Frau und ihrem Lebenswerk. Nach Daun ging unsere Fahrt zurück und gleich weiter durch das lebendige Eifelstädtchen nach dem weltverlorenen Dörfchen Ellscheid.

Pitt Kreuzberg hatte uns von einem jungen Lehrer erzählt, der in der tiefsten Abgeschiedenheit eines Eifeldörfchens schaffe. Wir fuhren hin, es wurde eben dämmerig, als wir ankamen. Karl Kaiser heißt dieser junge Dorflehrer, den wir nun zum ersten Mal sahen; aber als wir ihn verließen, waren wir erschüttert. Denn dieser junge Künstler kann etwas. Er hauste da in einer getünchten Stube: ein Bett, ein winziger Tisch, darüber drei rahmenlose Dürerblätter, ein Stuhl und ein Brett mit Büchern. Warum er kein Licht hat, konnten wir nicht erfahren, bei Kerzenlicht mussten wir seine Bilder beschauen. Unterm Bett zog er einen Koffer heraus, der war gefüllt mit Zeichnungen und Bildern. Wir breiteten Sie auf dem Bett aus, und unsere Augen wurden immer strahlender. Da haust dieser junge Idealist, in seinen Freistunden streift er umher, malt duftige Aquarelle, zeichnet mit Blei und Feder Bauern, Mühlen, Blumen und Disteln, Ruinen, Steine, Hecken, Kühe und grüne Heuschrecken. Dabei weiß er anscheinend gar nicht, was er kann; viel wichtiger dünken ihm seine Bodenfunde an alten Türken-Hufeisen, Münzen, Scherben, seine vergilbten Urkunden und Briefe, die er in den Bauernhäusern entdeckt und in denen er der Spiegelung der deutschen Reichs- und Volksgeschichte in der Dorfgeschichte nachspürt. »Ei Dorflehrer, wie er sein soll«, sagte einer von uns beim Weiterfahren, und ein anderer fügte hinzu: »Ich bin erschüttert, wir haben einen Menschen und einen Künstler gefunden.«

Hannes Scherl - Kniendes Mädchen

Spangdahlem hieß unser nächstes Ziel. Das ist ein kleines Dorf zwischen Manderscheid und Kyllburg. Hier schafft der Bildhauer Georg Metzen. Stockdunkel war es bei unserer Ankunft, fasst wussten wir nicht die Tür seines abgelegenen Hauses zu finden. Wir hatten uns angemeldet; aber so spät erwartete er uns nicht mehr, er war zur Arbeit hinausgefahren. Seine junge Frau saß in der Küche, vor ihr auf dem Tisch strampelte in seiner qualligen Nacktheit ihr erstes Kind, ein Prachtkerlchen von, zehn Wochen. Sie schlug es in eine Wolldecke ein und trug es mit bei unserem Besichtigungsrundgang. Eine Reihe von Arbeiten in Steinzeug und Tonbrand gefiel uns, ein ruhendes Pferdchen, ein kraftstrotzender Bulle; wir fanden auch einiges für unsere Ausstellung; aber was uns am allerbesten gefiel, das war das uns führende lebendige und lachende Kunstwerk: die junge Mutter mit ihrem Kind. Apfelduft füllte die Werkstatt und das ganze Haus; es war die richtige Luft zu den volkstümlichen Werken dieses Bildhauers.

In Wittlich endete unsere Kunstfahrt zu später Abendstunde in der Werkstatt des jungen Bildhauers Hannes Scherl. Hannes Scherl, Oberscharführer in der Hitler-Jugend, ist mit Leib und Seele der Kunst verfallen, er sieht in ihr seine zum »Fanatismus verpflichtende Mission«, wenn sie ihn bisher auch oft darben und hungern ließ. Im engeren Heimatraum hat er schon einen Namen, in Wittlich steht ein Ehrenmal von ihm, in mancher Stube hängt einer seiner kraftvollen Holzschnitte aus der Eifel- und Mosellandschaft, in manchem Bürgerhaus steht eine Plastik, die er geschaffen, wie der köstliche »Zecher«, der des Weines so selig voll ist und noch immer Durst hat, der eine Wittlicher Weinstube ziert. Scherl ist ein hochtalentierter Künstler, er kann schon viel, und er ist ein Kerl. Frisch und unbekümmert, mit dem Mut der Jugend macht er sich an die Dinge.

Mit kühnem Schlag gestaltet er, und wir sahen Dinge in seiner Werkstatt, die seinen eigenen Stil schon ausgereift offenbaren. Ein Relief »Jugend im Arbeitsdienst«, die Frucht eines fröhlich-harten Lagersommers, scheint uns sein bisher vollendetstes Werk zu sein. Das ist heroische Haltung einer Jugend, die Neuland schafft, es ist die prachtvolle Hingabe junger Menschenleiber, die im Arbeitsrhythmus schwingen, es ist Farbe und Klang darin. Der »Kopf des Führers« ist von eherner Wucht und Lebendigkeit; er wird bald den Sitzungssaal des Wittlich er Kreishauses schmücken. Alles Schaffen bleibt bei Scherl natürlich und volksnah. Wir kennen seine »Kartoffelgräber« und die »Heuerinnen«, da steht noch das schöne Holzrelief »Singende Mädchen«, wie ungezwungen singenihr Lied. Es ist ein lyrisches Werk des an sich dramatischen Künstlers. Ein »Speerwerfer« steht dort, daneben der zarte Akt »Kniendes Mädchen«. Recht stattlich ist schon die Zahl seiner Schöpfungen, und wir erwarten noch Großes von ihm und seinem künstlerischen Wagemut.

Gegen Mitternacht verlassen wir Scherls Werkstatt. Unsere Rundreise ist aus. Ein klarer, kalter Herbsthimmel steht über uns. Wir schreiten über das Lieser-Flüsslein, das vor seiner Werkstatt fließt; eine Weile stehen wir noch auf der Brücke, die hinüberspringt zum Wiesenufer, ein Händedruck, dann verlieren wir uns in der Nacht.

Hannes Scherl - Jugend im Arbeitsdienst (Relief für Bronze)


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