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In Memoriam Pitt Kreuzberg (1888 - 1966)

Zum Spätwerk des Malers

Heike Wernz-Kaiser M. A.

Zum Sammelbestand des Museums

Im Museum der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler befinden sich insgesamt 69 Arbeiten des 1888 in Ahrweiler geborenen Malers Pitt Kreuzberg 1). Die teilweise großformatigen Ölgemälde auf Leinwand, Holz und Spanplatten sowie weitere Arbeiten in verschiedenen Techniken wurden als Schenkung der Tochter des Künstlers, Theodora Lorenz, 1984 an die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler übergeben. Eine weitere, frühe Arbeit aus dem Jahr 1919 (Gemälde »Totenmaar«) wurde von der Stadt und dem Kunstverein des Kreises Ahrweiler 2004 angekauft.

Anlässlich des 40. Todesjahres des Künstlers präsentierte das Museum der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler zusammen mit der Are-Gilde Bad Neuenahr-Ahrweiler e.V. im Frühjahr 2006 diesen bislang unveröffentlichten Sammlungsbestand in einer Sonderausstellung. Ergänzt wurde die Ausstellung von Leihgaben früherer Arbeiten des Künstlers aus seinem Wohnort Schalkenmehren, wo Pitt Kreuzberg ab 1913 gelebt hatte und nach seinem Tod in Bad Honnef 1966 auch bestattet worden war.

Wesentlicher Bestandteil der Sammlung in Bad Neuenahr-Ahrweiler sind Werke der späten Schaffensjahre zwischen 1955 bis 1966. In den bisherigen Schriften über den Künstler sind sie wenig berücksichtigt worden.

Die Nachbereitung der Ausstellung und die Planung einer längst überfälligen, umfassenden Monographie über den in Sammlerkreisen sehr geschätzten Künstler fordern nun eine genauere Betrachtung gerade dieser bisher wenig betrachteten Schaffenszeit.

Charakteristika der Werkphase 1955 - 1966

Charakteristisch für die umrissene Werkphase ist stilistisch gesehen die Hinwendung zu Formauflösung und Experiment. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und einer schweren existentiellen Krise verlässt Pitt Kreuzberg das Gegenständliche als bildbestimmendes Element. Er vermischt Farben, lässt sie ineinander fließen, kratzt Linien in Wachs, interpretiert zufällig Entstandenes selbst durch nachträglich angebrachte Konturen.

Thematisch wird neben den weiterhin bevorzugten Natur-, Porträt- und Stilllebendarstellungen eine stärkere Betonung des Religiösen, vorrangig die Auseinandersetzung mit Jesus Christus, offensichtlich.

Der Künstler artikuliert sich zunehmend kritischer, beschäftigt sich mit menschlicher Vergänglichkeit und Jüngstem Gericht, kreiert verworrene, verschlungene Farb- und Linienmuster mit fratzenartigen Gesichtern. Er fordert seinen Bildbetrachter, verlangt von ihm, dass er sich mit seinen Bildern intensiv auseinandersetzt.

Kreuzberg diskutiert quasi mit dem Betrachter über Grundsätzliches, zwingt ihn, über sich selbst zu reflektieren: Wer bin ich? Was wird aus mir nach dem Tod? Wer richtet über unser Leben? Wie gehen wir eigentlich mit unserer Welt um? Mit diesem hohen Anspruch überfordert Pitt Kreuzberg vielfach nicht nur den Kunstsammler und -betrachter. Auch seine eigene Familie ist von Bildthemen und -behandlung befremdet. Man erklärt sich die Veränderungen mit der schweren existentiellen Krise des Künstlers, die verbunden ist mit der langen schweren Erkrankung seiner Frau Helene Boosen seit 1944, deren Tod 1958 und dem eigenen Schlaganfall 1949. Die Zeit wird oft als »weniger gute Schaffensphase« 2) beurteilt.

Der Maler Pitt Kreuzberg in seinen letzten Lebensjahren

Zur Kreuzigung von 1956

Eine der ausdrucksstärksten Arbeiten Kreuzbergs, die am Anfang dieses künstlerischen Weges steht, ist das Gemälde »Kreuzigung« aus dem Jahr 1956. Es zeigt die Kreuzigungsszene aus der Rückansicht des Kreuzes, das als schwarzes Mahnmal den Bildvordergrund und die Mittelachse des Bildes bestimmt. Statt wie gewohnt auf den ans Kreuz geschlagenen Christus blickt der Betrachter direkt auf die vom Kreuz wie durch einen Scheinwerfer angestrahlte, hell beleuchtete Ansammlung von bunt gekleideten Menschen, die vor und um das Kreuz herum platziert ist. Über ihnen befinden sich vier Engel: einer heranschwebend, zwei wie Wächter die obere Kreuzespartie flankierend, ein weiterer Engel, jugendlich mit blondem Haar und blauem Gewand, frontal den Betrachter anblickend.

Obwohl mit schnellem Pinselduktus skizzenhaft akzentuiert, besitzt jede Person individuelle Züge mit einem zu interpretierenden Charakterzug. In derben, kantigen und maskenhaften Gesichtern offenbart sich dem Betrachter eine breite Palette menschlicher Regungen. Sie reichen von Scheinheiligkeit und Grausamkeit bis hin zu Nachdenklichkeit und Trauer.

Es ist ein entlarvender, aber kein richtender Blick auf das Geschehen auf Golgotha. Der Maler Pitt Kreuzberg überlässt dem Betrachter die Beurteilung der Szenerie und zwingt ihn gleichsam zum Dialog mit dem ihn anblickenden Engel.

Der Künstler selbst beschäftigt sich zu dieser Zeit immer intensiver mit Jesus Christus. Wie zahlreiche ihm als Vorbild dienende expressionistische Künstler zuvor, führt die Beschäftigung mit Christus zur inneren Stabilität/Festigung und zur Selbstfindung Kreuzbergs als Maler: Er fühlt sich in seinem wahren Künstlertum nicht erkannt und von der Gesellschaft verkannt. Sein Leben sieht er als ein Opfer an die Kunst.

Kreuzigung (1956)

Kreuzigungsszene: Ölgemälde von Pitt Kreuzberg aus dem Jahre 1956

Das Selbstbildnis von 1960

Das Selbstbildnis mit »Kruzifixus« wie das von 1960 zeigen den Künstler im Gegenüber mit dem Gekreuzigten. Das Gemälde stellt den gealterten Künstler als Brustbild in der rechten Bildhälfte dar. Die Schultern hat er mit einem grünen Tuch umgeben. Von ihm im Bildvordergrund befindet sich ein buntes tellerartiges Gefäß, das als Farbpalette gedeutet werden könnte. Die linke Bildhälfte wird von einem in braun-orangen Strichen skizzierten Kruzifixus eingenommen, zwischen diesem und dem Künstler ist eine Art offene Nussschale angedeutet, aus der neues Leben in Form von Blumen wächst.

Auf der linken Seite, unterhalb des Kreuzbalkens, verweist der nach unten geöffnete Halbmond symbolisch auf die Wechselhaftigkeit des Lebens. Das auf die Erde tropfende Blut Christi ist die Grundlage für neues Leben. Verbunden durch die Grüntöne im Haar und Gesicht ist Pitt Kreuzberg Teil dieses Lebenskreislaufes. Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen: Auch in ihm wirkt die schöpferische Energie des Blutes Christi gemäß der Aussage Rudolf Steiners: »Als das Mysterium von Golgatha sich vollzog, ging das, was aus dem Kosmos eingestrahlt war, in die geistige Substanz der Erde über und ist seit jener Zeit mit dem Geiste der Erde verbunden«. 3)

Selbstbildnis mit Kruzifix (1960)

Selbstbildnis Pitt Kreuzberg mit Kruzifix, 1960

Grundsätzliches zum Spätwerk

Betrachtet man die späten Arbeiten des Künstlers, so entdeckt man insgesamt eine verstärkte Beschäftigung mit existentiellen Lebensfragen: Wer bin ich? Was habe ich erreicht? Wo stehe ich in der Welt? Wer richtet über mein Leben? Fragen, mit denen sich Pitt Kreuzberg sein ganzes Leben auseinandergesetzt, ja gequält hat. Deren Beantwortung suchte er trotz einer tiefen Gläubigkeit wie einige seiner Zeitgenossen auch in der Weltanschauung Rudolf Steiners.

Hier liegt sicherlich eine Erklärung für die ganzheitliche Mystik Pitt Kreuzbergs, die seinen Bildthemen innewohnt und die sicherlich mit dazu beiträgt, dass sich Menschen immer wieder durch Bilder berührt fühlen, auch wenn sie eigentlich mit Kunst gar nichts im Sinn haben.

Das Spätwerk Pitt Kreuzbergs ist gekennzeichnet von einem Suchen nach der verborgenen Energiequelle der Welt, nach ihrem inneren Funktionszusammenhang. Die mit großer Ehrfurcht vor einer göttlichen Kraft interpretierten Landschaften und Naturbilder, die Beschäftigung mit Tier und Mensch seiner Umgebung und immer wieder der prüfende Blick auf das eigene Selbst prägen das gesamte künstlerische Schaffen des Eifelmalers Pitt Kreuzberg. Es sind allein die Ausdrucksmittel, die sich in den letzten Jahren verändern. In ihrer Plötzlichkeit und Ausdrucksstärke übertragen und befremden sie. Es scheint, als hätte sich der Künstler nach all den Jahren politischer und persönlicher Beschränkungen und Enge von einem ungeheuren inneren Druck befreit.

Literatur:

- Prof. Dr. Bernahrd Kreutzberg: Pitt Kreuzberg. Ein Malerleben. Bad Neuenahr-Ahrweiler 1983
- Günter Rombold/Horst Schwebel: Christus in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Freibunrg 1983.
- Rudolf Steiner: Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, 1911. Zitiert nach: Wehr, Gerhard: Anthroposophie, München 2004
- Martina Schomisch: Pitt Kreuzberg Leben und Werk (unvoll. Diss.), 2006

Quellen:

1) Pitt Kreuzberg wurde am 30. Mai 1888 in der Wilhelmstraße 8 geboren. Hier verlebte er einen Großteil seiner Kindheit. 1907 begann er seinen Lebensweg als Maler in Düsseldorf. Seine zweite Heimat fand Kreuzberg 1913 in Schalkenmehren im Kreis Daun.
2) Prof. Dr. Bernahrd Kreutzberg: Pitt Kreuzberg. Ein Malerleben. Bad Neuenahr-Ahrweiler 1983, S. 10.
3) Rudolf Steiner: Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, 1911. Zitiert nach: Wehr, Gerhard: Anthroposophie, München 2004


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