zurück Zurück Ausstellungen Ausstellungen Weiter weiter

 

Pitt Kreuzberg Jubiläumsausstellung
7. Juni - 1. Juli 1988 in der Kreissparkasse Daun

Vorwort

Pitt Kreuzberg zur Ehre

Zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung waren zahlreiche Gäste gekommen. Sie wurden begrüßt von Karl-Adolf Orth, dem Landrat des Kreises Daun und Dr. Joachim Kohlhof, dem Vorstandsvorsitzenden der Dauner Kreissparkasse.

Dr. Josef Ruland, der Präsident der Europäischen Vereinigung Bildender Künstler aus Eifel und Ardennen, versuchte, wie er selbst sagte, die Kunst Pitt Kreuzberg's zu deuten. Das ist ihm, so war die allgemeine Meinung, vorzüglich gelungen. Sein Referat wurde mit hoher Aufmerksamkeit und Begeisterung angenommen. Viele Freunde Pitt Kreuzberg's und seiner Kunst haben uns am Abend der Ausstellungseröffnung und in den Wochen danach gebeten, die Rede zu veröffentlichen.

Deswegen haben wir uns entschlossen, diese Broschüre herauszugeben; sie soll der Erinnerung an diese Ausstellung dienen, und sie soll ein bescheidener Beitrag sein, die Literatur über den Künstler zu erweitern.

Kreisverwaltung Daun
Kreissparkasse Daun

Christus nimmt das Kreuz auf sich (1953)

Christus nimmt das Kreuz auf sich (1953)


Karl-Adorf Orth, Landrat des Kreises Daun

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

nach dieser Einstimmung durch das Ensemble unserer Musikschule begrüße ich Sie alle ganz herzlich. Die Musik, die Ihnen dargeboten wurde, ist bereits die erste Ehrerbietung an den Künstler, dessen Werk wir hier präsentieren. Vielleicht ist nur wenigen von uns bekannt, dass der Kunstmaler Wolfgang Amadeus Mozart sehr verehrte.

Ich bin sehr erfreut darüber, dass Sie meiner Einladung zu diesem Abend gefolgt sind. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich bei der großen Gästeschar - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - keine Einzelbegrüßungen ausspreche. Heute sollten die Bilder zu Ihnen reden, und Herr Dr. Josef Ruland, Präsident der Europäischen Vereinigung Bildender Künstler aus Eifel und Ardennen, den ich mit seiner Gattin herzlich begrüße, wird Ihnen die Kunstbetrachtung erleichtern helfen.

Mein Gruß gilt:

  • der Tochter des Künstlers, Frau Lorenz, und Ihren Kindern; sie sind vom Rhein zu uns in die Vulkaneifel gekommen;
  • der Schwiegertochter, Frau Kreuzberg, die den weiten Weg von Ost-Berlin nicht gescheut hat.

Ich begrüße

  • die Herrn Kreusdeputierten,
  • die Mitglieder des Kreistages, des Kulturausschusses und Weiterbildungsbeirates,
  • die Herrn Sparkassendirektoren Dr. Kohlhof und Bauer,
  • Herr Knops aus Wittlich,
  • die Herrn Bürgermeister.

Ich begrüße die Vertreter

  • des Kultusministeriums
  • der Bezirksregierung
  • der Geistlichkeit
  • der Behörden
  • der Weiterbildungseinrichtungen
  • der Schulen
  • der Presse und des Rundfunks,
  • und nicht zuletzt alle Damen und Herren, die an dieser Ausstellung Anteil haben, besonders die Leihgeber der zahlreichen Exponate.

Am 30. Mail wäre er 100 Jahre alt geworden. Als er hierher kam, war die Eifel noch nicht so richtig entdeckt. Durch seine Malerei, die zum großen Teil die Landschaft unserer Heimat - die Vulkaneifel - zum Gegenstand hat, hat er maßgeblich dazu beigetragen, den besonderen Landschaftscharakter künstlerisch darzustellen. Er ist, so schrieb einmal ein namhafter Eifelkenner, zu einer Art »Aushängeschild« für die Eifel geworden.

Die Rede ist von keinem geringeren, als von Pitt Kreuzberg, dem »Maler der Eifel«. Ich sage bewusst nicht »Eifelmaler«; denn das allein war er nicht, und so wollte er auch nicht genannt werden. Weshalb das so ist, wird Ihnen Herr Dr. Ruland erklären. Er war auch nicht der Maler der Eifel. Vor ihm und nach ihm haben Künstler diese Landschaft und ihre Menschen auf die Leinwand gebracht.

Viele von Ihnen haben ihn noch gekannt, den Mann mit dem schlohweißen Haar, gekleidet mit schafwollenem Rollkragenpullover und Manchesterhose. Das Straßenbild der Kreisstadt prägte er mit. Ein halbes Jahrhundert hat er unter uns gelebt. Dadurch sind feste Bindungen und Verbindungen entstanden zu dem Lebensraum und Menschen hier. Unzählige Kunstwerke hat Pitt Kreuzberg uns geschaffen und hinterlassen. Dadurch hat er in uns das Bewusstsein für die Kunst gestärkt und unseren Blick für die Werte unserer Heimat geweitet. Einer meiner Vorgänger im Amt, Martin Urbanus, hat am Grabe des Künstlers gesagt, eine seiner wesentlichen Leistungen sei darin zu sehen, dass Pitt Kreuzberg die Landschaft in ihrer geschichtlichen Umgestaltung und Fortentwicklung festgehalten habe. Dieser Aspekt - so meine ich - gewinnt zunehmend an Bedeutung in einer Zeit, in der bei uns Heutigen die Sensibilität für den Schöpferwerke nachzulassen scheint. Nachgerade unvorstellbar ist, zu lesen, dass der Künstler zeitweilig fast jeden Tag ein Bild malte.

Dies alles, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind hohe Verdienste. Und das sind auch die Gründe, die uns dazu bewogen haben, den Menschen und Künstler Pitt Kreuzberg in aller Form zu ehren. Deswegen haben wir uns heute hier eingefunden; der 100. Geburtstag war hierzu nur der äußere, allerdings geeignete Anlass. Wirft man einen Blick zurück auf die letzten 20-30 Jahre, so wird man mit bedauern erkennen müssen, dass die Ehrungen, die der Künstler zu seinen Lebzeiten und auch die Jahre danach erfahren hat, spärlich waren. Mit der Qualität seiner schöpferischen Arbeit hat dies gewiss nichts zu tun.

Vielleicht ist der Grund in dem damals mangelnden Bewusstsein für die Kultur im allgemeinen und die Kunst im besonderen zu suchen. Dies hat sich in der jüngsten Vergangenheit Gottlob zum Besseren hin gewendet. Mit dieser zunehmenden Bewusstseinsbildung hängt es sicher auch zusammen, dass das Schaffen unserer Bildenden Künstler, nicht zuletzt auch das Pitt Kreuzberg's, mehr und mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt. Der Künstler Pitt Kreuzberg findet zunehmend Beachtung:

  • Seine Heimatgemeinde Schalkenmehren hat nach ihm eine Straße benannt, den »Pitt-Kreuzberg-Weg«. Er führt am Maar und am Atelierhaus des Malers vorbei.
  • 1984 hat die Kreissparkasse Daun - wie vorher die Kreissparkasse Bad Neuenahr-Ahrweiler - einen kleinen Katalog herausgegeben.
  • In diesem Jahr hat uns die Kreissparkasse Daun - mit Unterstützung der Kreisverwaltung - den schönen Kunstkalender mit dem Titel »Pitt Kreuzberg 1888 - 1988« beschert, der sehr positiv aufgenommen worden ist.
  • Im Heimatjahrbuch des Kreises Daun 1989 wird ein bebildeter Beitrag erscheinen und gleichzeitig in der Zeitschrift des Eifelvereins »Die Eifel«.
  • Und - last but not least - als Krönung im Reigen der Ehrungen: diese Präsentation.

Paar vor nächtlicher Landschaft (1935)

Paar vor nächtlicher Landschaft (1935)

Ich verzichte darauf, zu dem künstlerischen Gehalt der Bilder zu sprechen. Hierzu hören Sie Fundiertes von Herrn Dr. Ruland, der fachkompetent und ein Kenner der Malerei Pitt Kreuzberg's ist. Gestatten Sie mir aber bitte, dass ich etwas zur Gestaltung der Ausstellung sage:

  • Bei unseren vielfältigen kulturellen Aktivitäten sind wir, die Kreisverwaltung, auf verlässliche Partner angewiesen.
    Diesesmal haben wir sie gefunden:
    • In der Kreissparkasse,
    • in der Galerie Knops und
    • vor allem: in den zahlreichen privaten Leigebern; ohne sie wäre eine solche Präsentation nicht denkbar gewesen.
  • Es werden bekannte und weniger bekannte Werke fast der gesamten Schaffensphase - bis etwa Ende der 1950er Jahre - gezeigt: Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen. Ausgenommen wurden lediglich die Werke, die der Künstler in seinen letzten Lebensjahren geschaffen hat; sie weichen bekanntlich - im Stil und Inhalt - von dem bis dahin Geschaffenen erheblich ab, so dass es uns geboten erschienen, sich später um ihre besondere Aufbereitung zu bemühen.
  • Und was die Zahl der ausgestellten Exponate angeht: Auch hier war eine Beschränkung vonnöten, einerseits wegen der vorgegebenen Raumverhältnisse und andererseits, um einer quantitätsmäßigen Überforderung der Besucher vorzubeugen. Diese auf Begrenzung bedachte Konzeption wird dieser Ausstellung, so hoffe ich, keinen Abbruch tun. In der Beschränkung zeigt sich der Meister.

Es geziemt sich, an dieser Stelle auch Worte des Dankes zu sagen. Gedankt sei allen, die sich, auf welche Weise auch immer, um das Zustandekommen dieser Jubiläumsausstellung bemüht haben, in erster Linie den Damen und Herren, die uns ihre Bilder bereitwillig geliehen haben. In diesem Zusammenhang ist es mir ein Bedürfnis, auf einen Umstand hinzuweisen: Wegen des Zwanges, sich zahlenmäßig beschränken zu müssen, konnten wir nicht alle uns angebotenen Exponate berücksichtigen. Gleichwohl haben Sie alle mit Ihrem uneigennützigen Mittun einen guten Dienst geleistet. Denn wir werden uns auch forthin mit Pitt Kreuzberg beschäftigen; so haben wir bereits begonnen, bei der Kreisverwaltung ein nach wissenschaftlichen Grundsätzen konzipiertes Werkeverzeichnis anzulegen. Und gerade hierfür war und ist Ihre Mithilfe von hohem Wert.

Dank gebührt auch und vor allem Herrn Dr. Ruland für seine spontane Bereitschaft, die Kunst Pitt Kreuzberg's zu deuten versuchen, eine in der Tat nicht leichte Aufgabe.

Die Herren vom Vorstand der Kreissparkasse mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Herrn Knops und das Ensemble der Kreismusikschule, auch meine Mitarbeiter, besonders Herrn Ferber, möchte ich in meinen Dank einschließen.

Pitt Kreuzberg stellte hohe Ansprüche an die Betrachter seiner Bilder. Schon im Jahre 1927 sagte er einmal:

»Ich verlange vom Besucher ein Sich-hinein-Vertiefen in meine Arbeit und von einem Kritiker ein Befassen mit meinem Gesamtschaffen und nicht die Sezierung eines einzelnen Bildes. Erst so kann ein rechtes Verständnis erzielt werden«.

Diese Gesamtbetrachtung, meine Damen und Herren, von der der Künstler damals sprach, wollen wir versuchen, den Ausstellungsbesuchern zu ermöglichen. Hierbei wünsche ich Ihnen allen viel Freude.


Dr. Joachim Kohlhof, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Daun

Sehr geehrter Herr Landrat Orth, sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Gäste aus Wirtschaft, den benachbarten Sparkassen, den Verbänden, Schulen und Kommunen sowie aus dem Kreis der »nichtdienstlichen« Freunde unseres Hauses, und unter den Gästen darf ich besonders begrüßen die Vertreter der regionalen und überregionalen Presse.

Sie alle möchte ich zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung anlässlich des 100. Geburtstages des Künstlers Pitt Kreuzberg in unserem Hause herzlich willkommen heißen.

Die Förderung der Kultur- und damit der Kunst - ist nicht alleine eine Aufgabe staatlicher und kommunaler Institutionen. Kultur geht alle, jeden einzelnen von uns an, denn sie dient uns allen.

Kulturpflege ist auch uns, der Kreissparkasse Daun, ein Anliegen, das wir ernst nehmen. In diesem Bewusstsein haben wir uns im Laufe der Jahre stetig bemüht, zur Pflege der Kultur beizutragen; vor allem einheimischen Künstlern haben wir Gelegenheit gegeben, ihre Werke in unserem Hause auszustellen. Dies wollen wir auch forthin tun. Wir meinen, hiermit den Menschen unserer Tage auf eine eigene Art und Weise dienen zu können.

Zu allen Zeiten bedurfte es zur wirtschaftlichen Bewältigung der Herausforderung des ständigen Bemühens und der Suche nach neuen Lösungsmöglichkeiten und Lösungsansätzen. Anstöße und Impulse konnten nicht und können auch heute nicht als selbstverständlich vorhanden in unserem gesellschaftlichen System angesehen werden. Die Kunst - meine Damen und Herren - zählt zu den Bereichen, aus denen die Impulse kommen, die Inventionen und Innovationen auslösen.

Die Kunst sucht auf den jeweils ihr eigenen Wegen nach Erkenntnis und Wahrheit, sie lehrt die »Dinge anders zu sehen«.

In einer Gesellschaft, die sich wie die in der Bundesrepublik auf dem Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft befindet, entwickelt sich die Kunst zu einem eigenständigen Produktionsfaktor, der zugleich dienende wie beherrschende Funktionen übernimmt.

Die Kunst gestattet gleichzeitig die Betrachtung des Teils und des Ganzen. Sie ist - insbesondere die Malerei - in jedem ihrer Werke die jederzeit in sich vollendete Repräsentation des Ganzen.

»Sie ist überall am Ziel, denn sie reißt das Objekt ihrer Betrachtung heraus aus dem Strome des Weltlaufs und hat es isoliert vor sich. Sie ist die Betrachtungsart der Dinge aus der genialen Sicht«, schreibt Schopenhauer.

Bauern bei der Feldarbeit (um 1938)

Bauern bei der Feldarbeit (um 1938)

Die Auseinandersetzung mit der Kunst, der stetige Versuch des Verstehens und Erklärens neuer und alter Formen führt zu einer Beweglichkeit des Denkens, die unverzichtbar geworden ist in einer Welt, die immer komplexer und diffiziler wird.

Künstlerische Leistungen erhöhen den materiellen und immateriellen Kapitalbestand einer Wirtschaft. Das kulturelle Erbe stellt ein Kapital dar, das durch nichts ersetzbare Informationsquellen über das Selbstverständnis und die Problembewältigung einer Gesellschaft bereitstellt.

Kunst ist ein wichtiger Bestandteil unseres kulturellen Wissens, Wesens und Erlebens. Sie leistet einen wichtigen Beitrag, wie wir Ziele und Hoffnungen für unser eigenes Leben formulieren können, und damit auch für unsere Gesellschaft, die auf der Vorstellung und Bilder von Humanität, Toleranz und Freiheit angewiesen bleibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Gäste, lassen Sie mich schließen mit einem Wort von Mussorgsky: »Die Kunst ist nicht ein Ziel, sondern ein Mittel, die Menschheit anzusprechen«.

Wenn Sie gleich die wunderbaren Bilder betrachten, lassen Sie sich inspirieren, ansprechen und einführen in die Welt des großen Eifelmalers Pitt Kreuzberg.

Man möge uns bitte nachsehen, dass wir uns dem Künstler Pitt Kreuzberg besonders verbunden fühlen. Über fünfzig Jahre lang hat er unter uns gelebt und uns mit einer Fülle eindrucksvoller Bilder bereichert. Er fand seine letzte Ruhestätte auf dem Weinfelder Friedhof; damit ist er seiner Wahlheimat, die er in vielfältiger Form malerisch darstellte, über seinen Tod hinaus treu geblieben.

So dürfen wir, die Bewohner dieses Eifelraumes, mit Stolz Pitt Kreuzberg den Unsrigen nennen. Für sein kulturelles Erbe haben wir ihm zu danken.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine fruchtbare Begegnung mit den Werken von Pitt Kreuzberg.


Dr. Josef Ruland, Bonn,
Präsident der Europäischen Vereinigung Bildender Künstler aus Eifel und Ardennen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wie ist Pitt Kreuzberg als Eifelmaler zu sehen? Worauf beruht seine Sonderstellung, die er zweifellos hat, die aber vielleicht mit gleichem Recht auch von anderen Malern in der Eifel beansprucht wird?

Ganz sicher dürfen wir folgendes annehmen: Die Flucht auf das Land, nach Schalkenmehren, vollzog er nicht allein. Das Bürgertum, besonders in den kulturell empfindlichen Vertretern, war seiner selbst müde, zum Teil überdrüssig geworden. Wer als Künstler nach der wahren Aussage strebte - und das wollen immer die Besten - fand sie nicht im lauten Betrieb der Städte, ihrer Vergnügungen und vor allem Ablenkungen. Viel wahrscheinlicher war es, die Wahrheit draußen in der jungfräulichen Natur, begünstigt nach Möglichkeit durch das Leben im kleineren Kreise Gleichgesinnter, zu finden. Künstlerkolonien entstehen, denken Sie an Worpswede nahe der Nordsee, die Kurische Nehrung in Ostpreußen. Raus aus dem Kulturbetrieb, zurück in das einfache Leben. Damit also stand unser Maler längst nicht allein. Alle Künste besaßen solche Einzelgänger, Flüchtlinge der Gesellschaft mit ihrem verlogenen Treiben und Tun.

Kornfeld mit Mohnblumen (1919)

Kornfeld mit Mohnblumen (1919)

In der Eifel erhielt diese Haltung ihren besonderen Akzent, weil dahinter auch die bewusste Kampf- und Absage an die Etablierten steckte, deren es selbst in der Eifel einige gab. Hatte es Fritz von Wille so weit gebracht, dass er, bei Winterwohnung in Düsseldorf, im Sommer auf einer Burg in der Eifel regelrecht residierte? Möglicherweise war auch ein einfacheres Leben, wegen der geringeren Ausgaben, auf dem Lande eher zu verwirklichen. Der eigene Garten, der tapfer bearbeitet wurde, die selbst hergestellte künstlerisch geprägte Kleidung, denken Sie an die Jugendbewegung, hatten in Deutschland einen hohen Wert. Ich brauche Ihnen nur den Namen Hermann Hesse zu nennen, und die meisten von Ihnen haben das Paradebeispiel des Einzelgängers, Kulturflüchters, in religiösen Zwiespalt geratenen Künstlers vor Augen. Hesse stand also nicht allein. Ich nehme nämlich an, anders kann ich mir die Absetzung nach Schalkenmehren nicht erklären, dass unser Maler unter ähnlichen Visionen litt. Denken Sie daran, meine sehr geehrten Zuhörer, unter welchen Zwängen ein sich selbst ernst nehmender Künstler steht. Ist das, was ich tue, wahr, aufrichtig? Entspricht es meiner Persönlichkeit oder ist es nur eine aufgesetzte, mir wesensfremde Haltung, die eigentlich gar nicht zu mir passt? Wenn ich mich selbst geben will, und nicht nur dem Publikum zuliebe bestimmte Themen anschlage, was muss ich tun? »Ich male, wozu mich innere Notwendigkeit zwingt. Das kann heute eine Landschaft, morgen ein Porträt sein. Freilich portraitieren in dem üblichen Sinne, d.h. einen zu malen mit dem gelogenen Behang, Gott weiß welcher in Wirklichkeit nicht vorhandenen Tugend, das erlaubt mir mein künstlerisches Gewissen nicht.« So der Maler in einem Gespräch mit einem Journalisten.

Waldboden mit Pilzen

Waldboden mit Pilzen

Eine solche Einstellung muss zwangsläufig der Malerei der Eifel eine ganz andere Richtung als bisher geben. Das werden Sie alle hier im Raum begreifen. So kann natürlich auch nur jemand sprechen, der, wie die Tochter des Malers sagte, ein schizophrenes Verhältnis zu Geld hat. Besonders deutlich tritt diese so ganz andere Haltung in seinen Landschaftsbildern zutage. Es geht nicht darum, eine Landschaft oder einen Ausschnitt gefällig zu malen. Es geht auch nicht darum, die schöne Landschaft zu malen, das saubere oder aber zumindest idyllische Dorf. Kreuzberg zwingt sich dazu, eine Landschaft zu malen, die ganz anders ist als das, was Eifelbilder bisher gaben. Da fehlen die Ruinen und strohgedeckten Hütten, in denen arme, aber brave Menschen leben. Es geht nicht um Abendbrot auf Eifelmaaren, sondern es geht, wenn Sie genau hinschauen, um die völlige Einordnung des Menschen, ja Unterordnung unter die Natur. Die Natur dominiert, der weite Blick über das Auf und Ab der Hügel und Berge mit dem stets sprechenden Himmel. Es gibt wenige deutsche Landschaftsmaler, bei denen der Himmel eine solche Rolle spielt wie bei Kreuzberg. Da türmen sich Wolken, da jagen sie dahin wie eine Meute Hunde. Lichtbündel schießen als Blitze aus den Wolken, die auf einigen Bildern regelrecht bühnenreif dekorativ wirken. Diese Bedeutung des Himmels ist sehr interessant. Da darf man nicht mehr von Lüftelmalerei wie im Süddeutschen sprechen. Zarte Tönungen fehlen. Der Himmel grollt, schüttet Regen herab, zürnt. Der Himmel ist nachher wichtiger als die Erde. Zwei Drittel vieler großer Bilder zeigen Himmel, ein Drittel nur zeigt Erde. Da steht Pathos hinter, echtes barockes Pathos, wie wir es noch aus Schillers Dramen ablesen können. »Mach Deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt.« Oder »Brüder, überm Sternenzelt, muss ein guter Vater wohnen.«

»Winterlandschaft, Schalkenmehren am Maar« (1952)

»Winterlandschaft, Schalkenmehren am Maar« (1952)

Kreuzbergs Landschaften widersprechen allen anderen Eifellandschaften, die bisher irgendwo zu sehen waren oder zu sehen sind. Sie sind nicht gekonnt gemalt; das heißt, alle seine Bilder entbehren der Routine. Ich glaube, das ist für den Künstler ein unbegreifliches Wort gewesen. Für ihn, der sich bei jedem Bilde schwer tut, geht es ja nicht um Routine oder Fingerfertigkeitsübungen. Für ihn ist jedes, aber auch jedes Bild Ausdruck eines neuen Abschnittes der Selbstverwirklichung, des Findens zu sich selbst.

»Flucht der hl. Familie« (1953)

»Flucht der hl. Familie« (1953)

Die Frage: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? muss ihn Zeit seines Lebens ungemein beschäftigt haben. Nur über diese Fragen und den Versuch einer Antwort kommt man an den Maler heran. Wir haben zwei Selbstportraits in dieser Ausstellung. Eins aus der frühen Zeit, etwa in einem Alter von knapp mehr als zwanzig Jahren, und eines von 1925, als Kreuzberg 37 Jahre alt war. Wir haben zum Vergleich auch noch die Büste von Heller. Ein ungemein verschlossenes, trotzig blickendes Antlitz, das sich im Laufe der Jahre nur geringfügig geändert hat. Blaue, beherrschend wirkende Augen und ein entschlossen wirkender Gesichtsausdruck. Ernst und wenig mitteilsam. Wer etwas über ihn erfahren will, mag sich an die Bilder halten. Als ich diese Bilder sah, wusste ich sofort, warum Kreuzberg keine Kontakte zur malenden Zunft, vor allem nicht in der Umgebung der Eifel gefunden hat, finden konnte. Ihm ging es nicht um ein mehr oder weniger schönes Bild der Eifel, ihm ging es, nochmals muss es gesagt sein, um Findung seiner selbst. Ein Mensch, der mit sich und anderen streng ist, oft unbequem, mit stark individualistischen Zügen. Thomas Mann definiert den Dichter als einen Menschen, der sich beim Schreiben schwer tut. Der Maler Kreuzberg ist ein Maler, der sich beim Malen schwer getan hat. Da ist aber auch kein Blatt in dieser Ausstellung, das von einer leichten Hand zeugen könnte. Selbst die Aquarelle der die Kuh melkenden Frau, der Holzsammlerin oder die Pastelle der Arbeitsdienstgruppe bei der Arbeit sind nicht einfach so dahin geworfen. Das gilt auch für die Kohlearbeiten und die frühen Federzeichnungen aus dem Kriegsjahr 1917. Es sind ja auch keine heiteren oder besinnlichen Themen, die Kreuzberg verarbeitet. Arbeitende Menschen vor allem oder solche, deren Leben zu Ende geht, auf einer schwer zu bearbeitenden Erde. Ich sage bewusst Erde, denn keines der Kreuzberg'schen Bilder lässt den Begriff Boden zu. Seine Erde ist lehmfarben, nicht sehr fruchtbar, hart in der Sonne und nur für denjenigen schön, der sie nicht zu bearbeiten braucht. Er wusste aus dem heimischen Ahrtal, dass es den fröhlichen Winzer im Sinne des Klischees ebenso wenig gibt, wie den singenden Landmann. Dieses lehmfarbene, ockerhaltige Gelb ist übrigens eine Grundfarbe der so genannten »neuen Sachlichkeit«, einer malerischen Bewegung, die, wie eingangs gesagt, die Antwort der deutschen Maler auf den verlorenen Krieg, der goldenen zwanziger Jahre und der Arbeitslosigkeit war. Sie folgte dem Expressionismus, hat aber unseren Maler im Prinzip wenig berührt.

»Fastnachtstreiben im Eifeldorf« (1924)

Fastnachtstreiben im Eifeldorf (1924)

Noch ein Wort zum Thema Humor und Kreuzberg. Es gibt in dieser Ausstellung ein Bild »Fastnachtstreiben im Eifeldorf«. Es soll Fröhlichkeit darstellen, doch weder die dargestellten Menschen noch die Wintereinsamkeit des Dorfes erzeugen den Eindruck. Und das sollen sie auch nicht. Die kleine Gruppe der Vermummten vor dem abseits liegenden Dorf macht den Eindruck eines verlorenen Häufleins, das eher Mitleid oder Melancholie abnötigt, isoliert von der Bewohnerschaft einer fast rituellen Handlung nachgeht. So, und darin liegt der Wert des Bildes, so vollzog sich in unseren Dörfern die Fastnacht vor dem Lautwerden der Massenmedien mit den Einflüssen von Köln und Mainz. Stefan Andres hat uns eine meisterhafte Novelle hinterlassen »Die Vermummten«, worin das Fastnachtstreiben in unseren Dörfern damals, das Bild ist 1924 entstanden, ergreifend geschildert wird.

Triptychon: Schalkenmehrener Maar im Sommer (1948 - 1951)

Triptychon: Schalkenmehrener Maar im Sommer (1948 - 1951)

Fröhlich sind allein Kreuzberg's Blumenbilder. Das Triptychon einer fast exotisch anmutenden Flora vor dem Maar - zwischen 1948 und 1951 geschaffen - ist eine rechte Augenweide. Die beiden Fingerhutstauden auf den Außenflügeln, die beim Zuklappen durch zwei Winterlandschaften ersetzt werden, so etwas gibt es in der deutschen Malerei nicht noch einmal. Dabei arbeitet der Maler so gar nicht exakt oder akkurat, wie man sich leicht überzeugen kann. Der Gesamteindruck muss stimmen. Mutter Natur lässt auch leichte Verbindungen zu, regelrechte Saloppitäten, denn ihr Füllhorn ist groß, wenn der Mensch sie gewähren lässt. Das »Wiesenstück aus der Froschperspektive« oder der »Blütenbaum am Maar«, »Blumenstück mit Kapuzinerkresse«, das Herz lacht im Leibe, wenn solche Bilder zu sehen sind. Das »Winterbild« von 1937«, das »Maar zur Ginsterblüte«, die einsame Distel am Rande des Kornfeldes, symbolisch ungemein sprechend für den Einzelgänger, der ein partout anderes Dasein erstrebt, lassen fast einen Pantheismus zu, wenn nicht daneben die ständige Auseinandersetzung mit herkömmlichen Glaubensvorstellungen stünde.

Königskerzen in Sommerlandschaft (1943)

Königskerzen in Sommerlandschaft (1943)

Der Vater war ernst, neigte zum Sinnieren, wobei ein leicht mytischer Einschlag nie zu überhören oder übersehen war. So seine Tochter. Hinzu kamen seine einfache Kleidung und Lebensweise - er war absoluter Frühaufsteher - und seine gesamte Erscheinung. Er muss, wie ich unsere Dörfer kenne, Zeit seines Lebens ein Außenseiter geblieben sein. Das schließt nicht aus, dass man ihn nicht mochte, ja zeitweise sogar stolz auf ihn war. Doch der Künstler schlechthin, auch in der Gegenwart gilt das, steht immer am Rande der großen Gesellschaft.

Löwenzahn (Froschperspektive) (1943)

Löwenzahn (Froschperspektive) (1943)

Unser Maler wusste darum, hat jedoch nie daraus Kapital geschlagen. Er schuf gewissermaßen einen windstillen Raum um sich, in dem er arbeiten konnte und nicht gestört wurde. Wenig Kontakte, in den Jahren 1930 bis 1940, auch nach dem Kriege, einige junge Leute, die von ihm lernen wollten, Distanz zu anderen Künstlern, die seine Meinung fürchteten. Die Freunde aus den Zeiten der Akademien hatten sich verloren. Ein Briefschreiber ist er mit Sicherheit nicht gewesen. Seine Bilder sollten sprechen.

Sommerwiesenblumen (um 1942)

Sommerwiesenblumen (um 1942)

Geblieben ist ihm zeitlebens der Hang zum Grübeln und Sinnieren. Eigenartigerweise griff er bei ernsten Themen gerne zur Kohle und Feder. Nur hin und wieder bedachte er solche Themen mit Farbe. Er wusste wohl, dass es eine Nachtseite in einem jeden menschlichen Leben gibt. Sein letztes Bild zeigte einen hellen und einen dunklen Engel. Moses, Christus unter dem Kreuz, unser heutiges Ausstellungsplakat, der einsame Mann in der Barke vor dem Wal, Don Quichotte sind Themen der Nachtseite. Die quälen ihn, wie wir auch von des Malers Skizzen zu den brennenden Problemen unserer Zeit wissen. In den jüngeren Jahren war aus solchen Gedanken 1929 das große Bild »Christus unter dem Kreuz« geworden. Jetzt, im herannahenden Alter die Frau mit der Ziege, die sie am Seil hinter sich herzieht. Ein harte Worte sprechendes Bild. Von 1946 stammt das gute Portrait eines Eifelers, ergraut, doch mit hellwachen Augen, ähnlich den »beiden Alten beim Verlassen der Kirche«, das sicher auch aus jüngeren Jahren, aber aus gleicher Gedankenwelt stammt. Es widerlegt übrigens die These gegenüber dem menschlichen Körper, in der Darstellung des Menschen sei der Maler nicht so stark. Das kann so nicht stehen bleiben und müsste in etwaigen Lebensbildern, so wie Geburts- und Sterbedatum korrigiert werden, wenn schon Genauigkeit verlangt wird.

Alte Frau mit Ziege (um 1927)

Alte Frau mit Ziege (um 1927)

Die Frage nach dem Drüben beschäftigte Kreuzberg, der Mitte der 50er Jahre mehr und mehr das Signum des Kreuzes auf dem Bergkegel benutzte, sehr intensiv. Seine Landschaften mit Himmel scheinen diesen aufreißen zu wollen, um einen Blick hinein zu tun. Es gibt eine Reihe Kreuzberg'scher Bilder mit seiner Deutung des »Nach diesem Leben«. Diese Ausstellung, für die wir übrigens dem Kreis, der Sparkasse sowie dem unermüdlichen Herrn Ferber aufs höchste dankbar sein müssen - eine einmalige Ausstellung in der Eifel - hat sich das Thema des Surrealisten und metaphysischen Peter Kreuzberg auf eine spätere Zeit aufgespart.

Eifelbauer (1946)

Eifelbauer (1946)

Aber ein Bild gibt es in dieser Ausstellung, das geradezu prophetisch auf diese Bilder Kreuzberg's hindeutet. Es ist 1925 entstanden, trägt den Titel »Der Dichter«, wenn ich recht unterrichtet bin. Ein ungemein beeindruckendes Bild des stummen Denkers vor dem geöffneten Fenster, der hinaus zum nächtlichen Himmel schaut, ganz eingesponnen in seine Meditation. Hand aufs Herz, wir alle hier im Raume, eine solch' packende Darstellung des einsamen Menschen bei Nacht haben wir von Pitt Kreuzberg nicht erwartet.

Portät Karl Pfeifer (1925)

Portät Karl Pfeifer (1925)

Sehr geehrte Frau Lorenz, liebe Anwesende, man soll mit Ehrentiteln sehr sparsam sein. Ihr Vater jedoch und Ihr Landsmann, der in Ihrer Mitte beerdigt liegt, von der Erde zugedeckt, hat ein Kapitel »Malerei in der Eifel« geschrieben, wie niemand vor und neben ihm.

»Blitz und Donner« (1933)

»Blitz und Donner« (1933)


Impressum

Herausgeber: Kreisverwaltung Daun
Kreissparkasse Daun
Titelbild: Eine der weniger bekannten Kohlezeichnungen von Pitt Kreuzberg
»Christus nimmt das Kreuz auf sich«
Gestaltung: Franz Josef Ferber
Marlene Heintz
Jürgen Leif
Druck: Kreissparkasse Daun
Manfred Saxler
August 1988

zurück Zurück Anfang Anfang Weiter weiter