zurück Zurück Weiter weiter

 

Auszug aus dem Artikel

Begegnungen mit Eifelmalern

Eine Familiengeschichte

Hans Joachim Bodenbach

Am 31. Oktober 1895 wurde durch das Nachlassgericht (Amtsgericht) Koblenz das Testament einer Josephine de Haye eröffnet. Es betraf den Nachlass einer »Person des gehobenen Bürgertums« des 19. Jahrhunderts, in dem neben reichlich anderem Vermögen auch 10 Ölgemälde, darunter eines des damals sehr beliebten Künstlers Andreas Achenbach (1815 - 1910), aufgelistet sind.

Diese glücklicherweise bis heute erhalten gebliebene, sehr ausführliche Aufstellung verdeutlicht beispielhaft, dass wohl zu allen Zeiten begüterte Schichten der Bevölkerung ihre Wohnräume mit Werken zeitgenössischer Maler ausgestaltet haben. Dass sich dabei manchmal auch direkte oder sogar freundschaftliche Kontakte zu den jeweiligen Künstlern ergeben haben, ist deshalb leicht erklärbar.

Im Folgenden möchte deshalb der Verfasser den Versuch wagen, anhand seiner eigenen Familiengeschichte einen Bogen über mehr als 100 Jahre zu schlagen und die während dieser Zeit vorhandenen, vielfach persönlichen Beziehungen zu »Eifelmalern« darzustellen. Wenn dabei erzählerisch häufig in die Ich Form gewechselt wird, so soll dies die Nähe zu Künstler, Objekt oder bestimmten Personen besonders unterstreichen.

(...)

Sehr viel engere Beziehungen unterhielt unsere Familie - und das fast 50 Jahre zu einem anderen bekannten Eifelmaler, der sich aber immer mehr als »Maler der Eifel« verstanden hat.

Es war der aus Ahrweiler stammende Pitt Kreuzberg (1888 - 1966). In diesem Fall war der Kontakt allerdings wohl über die Familie seiner späteren Frau hergestellt worden. Dazu muss man wissen, dass mein Vater nicht nur eine Kollegin, sondern auch eine kunstsinnige Frau kennen gelernt hatte, die zudem noch mit Lambert Sachs als Großonkel einen »Bildnismaler« im Stammbaum hatte. Eifelmaler wird er nicht gewesen sein, zumindest ist darüber nichts bekannt.

Die Familie des Malers. Gelb-brauner Abzug im Format 8,0 x 10,9 cm aus dem Jahre 1919. Die Personen von links: Mathilde (Tilly) Sachs aus Koblenz mit Kind Claus Kreuzberg (hier 8 Jahre alt), Pitt Kreuzberg, Frau Trudel ('Theo') Kreuzberg mit Kind Theodora Maria ('Thora') Kreuzberg (hier etwa 10 Monate alt), Hedwig Sachs aus Koblenz. (Foto im Familienarchiv, Privatbesitz)

Und trotzdem sei er hier erwähnt und dieser kleine Exkurs gestattet, da Lambert Sachs mindestens ein Jahr (1847) in Trier tätig war und dort auch zwei von ihm erstellte Porträts nachweisbar sind. Das Werk dieses Porträtmalers der ausgehenden Biedermeierzeit wäre ohne das Neue Trierische Jahrbuch kaum innerhalb von 10 Jahren so bekannt geworden, dass inzwischen noch weitere Publikationen entstanden sind. Ausgangspunkt war im Jahre 1991 der Erwerb eines für die Trierer Stadtgeschichte wichtiges Gemälde, das im rheinischen Kunsthandel unter dem Titel »Werk eines anonymen Deutschen Meisters der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts« angeboten und dann vom Trierer Museum Simeonstift angekauft wurde. Es stellt das im Jahre 1847 entstandene Porträt der (aus Koblenz stammenden) Trierer Schulleiterin Maria Margaretha Goedecke mit ihrem Sohn Gustav Goedecke dar, ein Bild, das bereits einmal im Jahre 1929 in Trier ausgestellt war, dann aber lange Jahre verschwunden blieb. Die Identität des Künstlers beim neu erstandenen Gemälde wurde sogar erst nach dem Kauf in Trier anhand einer - an versteckter Stelle befindlichen - Signatur ermittelt. Bei der Suche nach diesem Maler und in Vorbereitung der dann im Jahre 1993 im NTJ erschienenen Publikation über die o. g. Neuerwerbung des Museums kam dann über verschlungene Wege auch der Kontakt zum Verfasser dieses Aufsatzes zustande.

Kehren wir zum »Maler der Eifel« Pitt Kreuzberg und den engen Beziehungen zur Malerfamilie zurück. Ein Foto aus dem Jahre 1920 zeigt die junge Familie Kreuzberg mit meiner Mutter und deren Schwester Hedwig Sachs (1898 - 1996), in deren Nachlass sich jetzt auch weitere Fotos fanden, die in den 20er und 30er Jahren zahlreiche Kontakte zum Ehepaar Kreuzberg dokumentieren. So zeigt ein Foto auch den Gasthof zum Bahnhof (Schneider), in dem zuerst die Ehefrau des Künstlers, später dann (in einem zugehörigen Gebäude) auch das Mahlerehepaar gewohnt hat.

Eifellandschaft im Hochsommer
Tempera
84 x 68,5 cm
signiert und datiert unten rechts »Pitt Kreuzberg 1941«

Offensichtlich ließen es die Vermögensverhältnisse dann zu, im Jahre 1929 ein eigenes Haus zu bauen, was durch ebenfalls im Nachlass gefundene Fotos der damaligen Bauarbeiten dokumentiert wird. Das neuerbaute Anwesen konnte dann im Jahre 1930 durch das Malerehepaar bezogen werden. Somit hat die Familie damals kein Haus gekauft, wie häufig in der Literatur erwähnt, sondern sich dieses sehr wohl nach eigenen Vorstellungen erbaut.

Der Kontakt zur Familie Kreuzberg mag auch dadurch zustande gekommen sein, dass man sich irgendwann bei den häufigen Ferienaufenthalten unserer Familie in Schalkenmehren kennen gelernt hatte. Pitt Kreuzberg’s Ehefrau Trude war dann auch Mitglied der Hochzeitsgesellschaft meiner Eltern im Jahre 1932 und ist dabei auf zahlreichen Fotos gut wieder zu erkennen. Später trafen sich die Familien nicht nur in der Eifel, sondern auch in Koblenz.

Die freundschaftlichen Beziehungen zur Malerfamilie führten schließlich auch zum Erwerb mehrerer Werke aus der Zeit seiner »Eifellandschaften«. Sie sind auch in einer aus kriegsbedingten Zwecken angelegten Liste »Wohnungsinventar des Apothekers Josef Bodenbach aus Koblenz« aufgeführt. Dieses zeitgeschichtlich wichtige Dokument enthält auch eine Bewertung durch einen amtlichen Schätzer, so dass wir für das Jahr 1943 eine zeitgemäße Preisgrundlage haben.

Senheld im Hochsommer (1929)
Mischtechnik auf Papier
65 x 54 cm
signiert und datiert unten rechts »Pitt Kreuzberg 29«

 

Angler auf dem Maar (um 1932)

Angler auf dem Maar (etwa 1930 - 1940)
Wahrscheinlich in Tempera ausgeführt
ca 55 x 60 cm

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die sommerlichen Ferienzeiten am Schalkenmehrener Maar wieder aufgenommen. Wie schon in der Vorkriegszeit wohnte unsere Familie wieder im Gasthof Schneider, jetzt Schmitz - Schneider (heute: Dorfgasthof Schmitz). Der Kontakt zu Kreuzbergs, in den ich nun mehr und mehr eingebunden wurde, betraf aber mehr die sommerlichen Badefreuden an und auf dem Maar. Mehrere Fotos aus dem Jahr 1951 zeigen das fröhliche Treiben auf dem Wasser.

Badefreuden am Schalkenmehrener Maar (1951)
Pitt Kreuzberg (mit Baskenmütze) hinten Mitte

Auffallend aber, dass Pitt Kreuzberg - kenntlich an seiner Baskenmütze (und breiten Manchesterhosen) - meist abseits sitzt. Selbst ein Gruppenfoto, auf dem alle in die Kamera lachen, zeigt den Maler nachdenklich vor sich hinblicken.

Aber das entsprach im Prinzip ganz seinem Wesen, und man glaubt, beim Betrachten der Fotos, dass er sich in dieser Umgebung eigentlich nicht so recht wohl fühlte. In der Tat machte Pitt Kreuzberg, so mein damaliger Eindruck, zu dieser Zeit eine schwere innere Krise durch. Nicht nur die schon jahrzehntelang abgelehnte Devise »Kunst geht nach Brot« hatte zu vielfachen finanziellen Nöten geführt, jetzt schienen ihn sogar Lebensängste befallen zu haben. Ursache waren letztlich die Atombombenabwürfe und die anschließenden Versuche in den Atollen der Südsee.

Während der Altbestand der in Familienbesitz befindlichen Kreuzberg’schen Werke ausschließlich aus der Zeit der sog. Eifellandschaften stammt, kann hier abschließend noch (als Geschenk von Frau Lorenz) die Abbildung einer Kohlestiftzeichnung aus den 50er-Jahren - offensichtlich aus einer bisher unveröffentlichten größeren Serie - wiedergegeben werden.

Junge Frau (1954) Kohlestiftzeichnung auf weißem Papier, mit schwarzem Passepartout 21 x 14,7 cm signiert Pitt (in blauer Tinte) 54 Junge Frau (mit blau-grauem Stift)

Der Maler Pitt Kreuzberg hat seinem Wunsch entsprechend seine letzte Ruhestätte auf dem hoch über dem Totenmaar gelegenen Friedhof der Gemeinde Schalkenmehren gefunden. Das wuchtige, aus Granitgestein der Eifel - vom Bildhauer Scherl aus Wittlich - angefertigte Grabmal trägt die Inschrift: Pitt Kreuzberg Eifelmaler 1888 - 1966. Dabei sind im Vornamen Pitt - in Analogie zu einem vom Maler als Signatur verwendeten Motiv - die beiden »t« als große Kreuze ausgebildet.

Grabstätte Pitt Kreuzberg

(...)


zurück Zurück Anfang Anfang Weiter weiter