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Wir bergen die Ernte

Der Maler Pitt Kreuzberg aus Schalkenmehren

Nikolaus Leopold Ferring

Der Maler gehört zum Dichter wie das Bild zum Wort. Und was liegt näher, als des Künstlers der Palette zu gedenken, der noch rüstig mitten unter uns am 30. Mai 1957 seinen 70. Geburtstag gefeiert hat. In der Neuen Regierung in Trier wurde aus diesem festlichen Anlass eine Ausstellung seiner Bilder gezeigt. Es waren über 90 Gemälde in Öl, Harz- und Wachstempera und rund 100 Graphiken, die von einer großen Schar Besucher - manchmal drängten sich hunderte in den weiten Gängen - betrachtet wurden.

Aber noch ein anderer Grund zwingt dazu, gerade an Pitt Kreuzberg aus Schalkenmehren in der Eifel zu denken. Wir Heimatschriftsteller des Trierer Raumes bemühen uns aus dem Kantönligeist, aus dem Ghetto des Heimatschrifttums herauszukommen. Wir wollen den Versuch machen, darüber hinaus Allgemeingültiges auszusagen. Und da ist uns Pitt Kreuzberg der unerreichte Lehrmeister. Er ist der orts- und heimatgebundene Künstler, der zu allen Menschen spricht und von allen mit gutem Willen verstanden wird. Und darum sei ihm ein Ehrenplatz hier eingeräumt. Denn er hat das Ziel erreicht, um das wir uns mühen. Und was liegt näher, als mit einer Betrachtung dieser Ausstellung den Maler in diesem Buch vorzustellen.

Eifellandschaft (1948)

Bei all dem, was der Trierer Raum an zeitgenössischer Malerei zu bieten hat und weit darüber hinaus erscheint mir das Werk dieses Malers der Betrachtung wert. Wir werden sehen: Pitt Kreuzberg stößt weit über das Gewohnte hinaus und erfasst vor allem das Zeitgeschehen tiefgründig und hintergründig und weiß auch um den Ausweg aus unserem chaotischen Dasein. Kreuzberg ist an der Ahr geboren, aus der Familie der Kreuzberg, die Bad Neuenahr als Besitzer des Apolinarissprudels begründet haben. Die Büste eines seiner Vorfahren schmückt den Kurpark. Nach seinen Lehr- und Wanderjahren über Düsseldorf-Berlin-München ließ er sich schon früh in Schalkenmehren in der Eifel nieder, wo er bei gelegentlichen Reisen seit über 40 Jahren seinem Werke dient. Ein Festredner hat einmal diese Stabilitas loci stark betont und mit Recht aus dieser Tatsache den Schluss gezogen, dass hier ein Schlüssel zum Verständnis des Malers und seiner Bilder liegt. Diese Stabilitas loci ist heute selten geworden, nachdem der Raum für uns moderne Menschen so klein geworden ist und unser Leben immer größere Entfernungen erfasst und die Zeit keinerlei Rolle mehr zu spielen scheint. Der hl. Benedikt hat seinem Mönchtum die Regel der Stabilitas loci auferlegt und sie wird heute noch erfüllt, weil sie heute moderner und notwendiger ist, denn je. - Schopenhauer sagt in seinen »Aphorismen zur Lebensweisheit«: »Die Menschenleisten sich Reisen in sehr entlegene und wenig besuchte Länder; man wir berühmt durch das, was man gesehen, nicht durch das, was man gedacht hat. Dieser Weg hat auch noch einen großen Vorteil darin, dass es viel leichter ist, was man gesehen, als was man gedacht hat, anderen mitzuteilen und es sich dem Verständnis ebenso verhält.« -

Im Simeonstift zu Trier wurde eine Ausstellung gezeigt unter dem Titel »Trierer Maler auf Reisen«. Bei der Kritik dieser Ausstellung und ihrer Bilder kam es zwischen der Jury und dem Maler eines der besten Bilder zu einem Streitgespräch, in dem von Seiten des Malers das Wort fiel: der Künstler habe vordergründig zu bleiben und sei nur dem Gesetz der Schönheit und der Kunst überhaupt unterworfen. - Die Hintergründigkeit und die Tiefgründigkeit sei Sache der Politiker und der Theologen. Deutlicher konnte das Werk Pitt Kreuzbergs nicht in Gegensatz gestellt und besser konnte sein Werk auch nicht beleuchtet werden. Pitt Kreuzbergs Bilder haben einen Vordergrund, aber nicht nur. Sie sind im wesentlichen tiefgründig und hintergründig. Sie sind zudem Gesichte, sind Visionen nach dem Wort von Ruth Schaumann, dass jeder Künstler etwas Prophetisches haben müsse.

Nonne (1956)

Nonne (1956)

Auch durchbrechen Pitt Kreuzbergs Bilder bewusst das Formale der Aussage wegen. Das Formale ist durchstoßen und überwunden der Wahrheit zulieb - und, um dem Sinn unserer Zeit gerecht zu werden. Hier treffen wir auf das Wesen dieser Malerei, hier ist eine Aussage zur Zeit gemacht, die unberührt vom Raum dasteht, in den zu fliehen uns so leicht fällt, wenn wir Zeitangst bekommen oder die »Budenangst«, wie es in der Studentensprache heißt. Kreuzberg schlägt die Zeit nicht tot; er erlebt sie, er freut sich an ihr, er erleidet sie, er erfüllt sie in seiner Stabilitas loci.

Denken wir an das Gesetz vom Goldenen Schnitt in der Kunst, denken wir an die Marmorbildnisse der Antike, die wir in der Schule beschreiben mussten, an die Tempel mit ihren bis auf den Zentimeter genauen Maßen und Proportionen, an die festen unabdingbaren Stilelemente wie Säulen, Friese, Kapitelle usw. Dieser Formalismus wurde nie mehr erreicht, auch nicht durch die Renaissance; nie mehr bewegten sich auch die Menschen wie

Götter auf dieser Erde. Denken wir in diesem Zusammenhang an die Ilias, an die Odyssee, wo im Geschehen Menschen und Götter oft nicht mehr auseinander zu halten sind. - Der Weg bis zum Heute war lang und oft sehr dunkel. Heute glauben und fürchten wir, am Abgrund der Menschheit zu stehen, erfüllt von der Angst, der menschliche Geist bereite die Selbstvernichtung vor. Die so schwer erkämpfte Freiheit des menschlichen Geistes erscheint bedroht eben von dieser Freiheit selber. Und hier treffen wir auf Pitt Kreuzberg und seine Kunst, er erkennt diese Bedrohung und zeigt uns auch den Ausweg. Er zeigt uns den Kosmos, die Welt, den Menschen, das Tier und die Pflanze so wie sie sind und nicht wie wir sie sehen wollen, ganz im Gegensatz zu den Malern, die nach dem Motto »schmücke dein Heim« malen. Er ist wahrhaftig und macht keine Konzessionen an die Mode oder an den gedankenlosen Zeitgenossen. Darum erschrecken uns seine Bilder so leicht, sie beunruhigen unser Herz; sie erscheinen uns hässlich und Ausgeburten eines kranken Hirns; nicht alle, aber die wesentlichen!

»Madonna« (1955)

Madonna (1955)

Aber so leicht darf man es sich bei Pitt Kreuzberg nicht machen. So mag es auch dem Meister Neithard, Matth. Grünewald mit seinem Isenheimer Altar ergangen sein, der ja auch seiner Zeit den gewohnten Formalismus durchbrochen hatte, der seine Zeit in seine Kunst hereingeholt hatte, der all ihren Unbilden, mit Hunger- und Kriegsbildern, mit der gequälten, erlösungsbedürftigen Kreatur, ganz abgesehen von der Hauptfigur des Kruzifixus, dem alle Schönheit im antiken Sinn abgeht. Denken wir auch an den überlangen Zeigefinger des hl. Johannes unter dem Kreuz, der, anatomisch eine Unmöglichkeit, uns ein Hinweis, ein deutlicher, sein soll, auf das, was der Maler uns sagen will. Von hier aus ist es nicht mehr weit zu den Bildern von Pitt Kreuzberg, besonders zu seinen religiösen. Der Mensch und das Tier, Natur und Pflanze, Baum und Strauch gehören zum Kosmos, gefallen im Kreatürlichen, erlöst auf Golgatha, aber der täglichen, der stündlichen Erlösung durch Christus bedürftig. Welche Zeit hat das deutlicher und begreiflicher gemacht als die unsere, wo es nur des Funkens bedarf, eine ganze Schöpfung auszulöschen. - Und so überlässt es der Maler nicht den Politikern und nicht den Theologen, uns auf diese Gefahren hinzuweisen, in denen unsere Zeit dahin schwimmt wie ein Schiff ohne Steuermann. Darum ist der Maler auch vielen so unbequem, weil er soviel schreckliche Wahrheit auszusagen hat. Seine Bilder sind apokalyptische Visionen unserer Zeit. Seine Malmittel sind Mittel und Formen auch ebendieser unserer Zeit. Sie sind zu vergleichen der modernen atonalen Musik, finden Vergleich besonders bei franz. Romanciers wie Bernanos, Claudel, finden Vergleich bei den französischen Arbeiterpriestern, die letztlich auch einen Formalismus durchbrechen wollen um der Aussage, um der Wahrheit willen.

Kreuzberg ist nicht nur ein expressionistischer Landschaftsmaler, wenn man ihn auch mit Cézanne, der als erster den Impressionismus überwand, Hodler, Munch, Nolde, Marc, Kokoschka, Beckmann und anderen Modernen nennen kann. Am wenigsten kann man ihn zum Eifelmaler degradieren.

Der Expressionismus will im Gegensatz zum vorhergehenden Impressionismus nicht den augenblicklichen Eindruck des Geschehens möglichst getreu wiedergeben. Der Expressionist verändert Gegenstände absichtlich, um eine bestimmte Wirkung, eine bestimmte Wirkung, eine bestimmte Aussage zu erzielen und die Ausdruckskraft des Werkes zu erhöhen. Auf diese Aussage und Ausdruckskraft allein kommt es ihnen an, denn der Expressionismus, und damit haben wir es hier bei Pitt Kreuzberg zu tun, ist nicht nur eine künstlerische Mode, es ist der Versuch einer allgemein geistigen Erneuerung. Pitt Kreuzberg ist deshalb für unsere Zeit und für unsere Stadt ein Ereignis und ein sehr notwendiges.

Mann mit Kuh (1955)

Mann mit Kuh (1955)

Und nun nach diesen allgemeinen Betrachtungen zu den Bildern selber. Ich hatte Freude, mit dem Maler zusammen die Bilder in der Ausstellung zu ordnen und dem Inhalt nach zu hängen. Zu Beginn wurden die Landschaften der Eifel gezeigt. Der Frühling, der Sommer, der Herbst und der Winter in farbigen Variationen, die voller Leben und Bewegung sind, oft mit den sparsamsten Malmitteln. Alles ist lebendig, in Bewegung, als sei der Schöpfungstag noch nicht zu Ende; und oft in der Bedrohung des vorausgeahnten Untergangs. Die Bedrohung des Kreatürlichen findet Ausdruck besonders in dem Bild, wo eine Katze geschmeidig ein Stillleben umschleicht. Noch nicht einmal die Äpfel in Körbchen bleiben ausgenommen von unser aller Zeitangst. Und so ergeht es auch den Tieren. Ich denke an das Bild »Die da an den Straßen leiden«. Eine Kuh trottet müde am Wegrand, ängstlich dem Stall zu, im Vordergrund eine von Bubenhänden zerschlagene Distel, und im Hintergrund ein vom Krieg zerstörtes Haus. Oder im großen »Herbst am Maar«, wo ein Hirtenmädchen mit seinen Kühen in die Herbstlandschaft hinein komponiert ist, ganz unten in den Vordergrund, fast erdrückt von der Riesenlandschaft. Immer wieder begegnet uns in den Landschaften der Mensch und das Tier, hineinversetzt und eins mit der Natur, dass man Trennendes und Unterschiedliches nicht mehr wahrnehmen kann. Man ist versucht, an die Götter und Menschen bei Homer zu denken, nur sind hier reziprok zur Antike, Natur und Mensch und Tier nicht auseinander zu halten. Der Schöpfungsakt ist dem Maler immer gegenwärtig, sei es eine Landschaft, ein Laib Brot, ein Wasserglas; hier sieht man förmlich noch, wie das Glas sich unter dem Willen des Bläsers bildet. Aber auch der Sündenfall ist in allen Bildern gegenwärtig und der endgültige Verfall, aber nur des Kreatürlichen, der Biologischen, wie in der Gruppe »Waldboden«, wo die Saat und die Hoffnung aus dem Verfall sprießt. Zwei Atombilder hängen zwischen den Landschaften. Das eine zeigt die Atomexplosion über einem Schiff auf dem Meer und das andere nennt sich »Überlebende«. In einem eingestürzten Stollen steht bleich, leblos ein Mensch inmitten vieler Toter ganz verloren und ausweglos, wirklich am Ende ohne Mitmenschen, ohne Familie, ohne Gemeinschaft, ohne Volk, ohne Hoffnung außer der einen, die niemand dem Menschen nehmen kann. Das ist eine echte Vision, mit der der Maler gerungen hat, unter der er gelitten hat und die als utopisch abzutun sich in unserer Zeit niemand vermessen darf.

Der Gipfel und der Höhepunkt der Ausstellung waren jedoch die religiösen Bilder. Sie enthalten auch die Antwort auf unsere Zeitnot. Die Passion des Herrn ist die Antwort. Wie notwendig sie täglich ist, wer erspürt es besser und deutlicher als wir, die wir am Abgrund wandern. Die apokalyptischen Reiter reiten wieder durchs Land, so wie sie Dürer gesehen und gezeichnet hat.

Ich beginne mit dem weihnachtlichen Bild »Begegnung«. Die hl. Familie, auf der Flucht nach Ägypten, mitten in den Eifelwinter hineingestellt, wird von einem Mann - und hier dürfen wir getrost den Maler selbst erkennen - eingeladen, sein armes Haus mit ihm zu teilen. Der hl. Josef erschrickt geradezu, dass es so etwas noch gibt. Denn wir wissen es, das Gegenteil ist wahr. Hier ist schon ein Teil der Antwort des Malers.

Das nächste Bild ist »Das hl. Abendmahl« unterschrieben mit »Mein Reich ist nicht von dieser Welt«. Eines meiner Kinder, das das Werden dieses Bildes im Atelier miterlebt hatte, hat dazu gesagt: »Die sind wohl alle enttäuscht, dass sie keine Minister und Staatssekretäre geworden sind. Hämisch wenden sie sich von ihrem Herren ab, nur uns, den Betrachter lassen sie in ihr Gesicht schauen, vor uns brauchen sie sich ja nicht zu schämen. Nur der Judas zeigt offen seine Ablehnung, er ist über die Scham schon hinaus. Aber der hl. Johannes, der Lieblingsjünger lehnt gläubig und kindlich seinen Kopf an die Schulter des Meisters. Er ist zu »dumm«, um böse zu sein.« Dieser Interpretation ist nichts mehr hinzuzufügen.

Paar bei Nacht (1955)

Paar bei Nacht (1955)

»Christus am Ölberg« ist ein Bild, das ich kurz so ausdeuten möchte: der Herr in seiner Todesahnung betet zum Vater: »Vater, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Vater, zerstör deine Schöpfung nicht, wenn ich dafür sterbe. Aber nicht mein Wille, der deine geschehe.« Das nächste zeigt übergroß eine Pieta, die Mutter mit den 7 Schwertern im Herzen. Das Angesicht der Mutter mit dem toten Sohn auf dem Schoß drückt einen solchen unsagbaren Schmerz aus, dass man vor dem Bild erstarrt. Unterstrichen wird der Ausdruck und die Aussage von den vielen Kreuzen im Hintergrund und all den vielen Erdenmüttern, zum Teil mit toten Kindern auf den Armen, alle vereint in dem mütterlichen Opfer, unbegreifbar für sie, umsonst geboren und umsonst gebetet zu haben. Das Opfer wird gebracht in mütterlicher Selbstverständlichkeit, und wären das Blut des Erlösers nicht, das übervoll den Becher auf dem Bild im Vordergrund füllt, es läge kein Sinn in diesem Bild.

Das nächste Bild heißt: »Christus fällt unter dem Kreuz«. Seine Mutter und nicht Simon von Cyrene hilft ihm das Kreuz zu tragen. Der Formalismus weicht hier der Aussage. Es ist sicher das kolossalste Bild der Ausstellung, seine Aussage die lauteste. Das linke Drittel des Bildes zeigt uns unten und oben die im Atomfeuer zerberstende und brennende Erde und Gestirne und dazwischen die untergehende Menschheit mit ihrem Schönheitsidol in der Mitte. In der rechten Hälfte sehen wir oben die Werke der Menschen, Hochhäuser und Fabriken zusammenstürzen, darunter zwischen zwei Kreuzesbalken steht ein Priester auf der Kanzel und predigt unbekümmert und unwissend um all das, was ringsum vorgeht, und darunter sitzen die Politiker am runden Tisch, genau so unwissend dem Geschehen gegenüber. Vielleicht debattieren sie sogar über die Abrüstung und Abschaffung der völkervernichtenden Waffen. Es wäre zu billig, hier nur einen Vorwurf zu erblicken gegen Politika und Kirche. Nein, das Angesicht des Herren schaut ja auch gar nicht dorthin auf diese Bildausschnitte. Er schaut mit großen Augen den Betrachter des Bildes an und die Aussage trifft den Betrachter allein. Jeder einzelne wird angesprochen, sich nicht allein auf Institutionen wie Kirche und Staat zu verlassen. Jeder einzelne trägt die Verantwortung, jedem einzelnen ist die Macht gegeben, gegen das Verderben anzugehen. Er muss nur bei sich selber beginnen, nach dem Gebot des Herren zu leben. Denn beim letzten Gericht stehen wir ja auch allein vor Gott und wir werden uns weder auf eine Partei noch auf eine Gemeinschaft berufen können. jeder einzelne wird gerichtet und gewogen.

Die Bilder von Pitt Kreuzberg sind so starke Aussagen, ja Aufschreie in und zu unserer Zeit, dass ein starkes Herz dazu gehört, sie zu ertragen. Aber nur so werden wir dem drohenden Kollektivismus entgehen, wenn wir uns, jeder einzelne, besinnen auf den Urgrund unserer Freiheit, auf den Pfingstgeist, »der weht, wo er will«. So ist Pitt Kreuzberg ein Seher, ein Rufer in der Wüste. Mitten unter uns im Trierer Land steht Pitt Kreuzberg, der uns immer wieder daran erinnert, dass wir Geschöpfe Gottes sind, gefallen in eigener Schuld, gefallen in frevelhaftem Übermut, so sein wollen wie Gott, erlöst durch Christus auf Golgatha, der täglichen Erlösung bedürftig, der Hand Gottes bedürftig, die, wenn sie sich von uns ablöst, uns dem Untergang preisgäbe.

Und zumSchluß will ich den Maler selbst zu Wort kommen lassen mit dem, was er zu seiner Ausstellung zu sagen hatte:
»Liebe Beschauer!
Es wäre ein Gewinn für Sie, wenn es Ihnen gelänge, mit derselben Ehrfurcht und Demut an die Ihnen dargebotenen Bilder heranzugehen, mit der ich mich ein ganzes Leben lang bemüht habe, wach zu sein für die Dinge der Schöpfung Gottes. Alles, was sich Ihnen nun darbietet, sind Versuche, in die Wahrheit des Seins, in die Umwelt und den Kosmos einzudringen. Es kann darum nicht alles ein Lied der Schönheit sein, eher eines der versuchten Wahrheit. Die äußere Schale ist es nicht, die Sie dargestellt sehen. Es sind vielmehr die Gesetzte und die Lebenskraft, der Rhythmus und die Dynamik der Dinge, die ein ewiger Kreislauf sind. Auch soll das Dargestellte mahnen, nichts Ungutes gegen das Leben zu tun. Seien Sie so »inbrünstig gläubig«, wie es eine Künstlerseele sich bemüht zu sein.
Pitt«


Der Alte am Maar und die Frau mit der Kuh!

Nikolaus Leopold Ferring

Hoch in der Eifel, am Maar bei Schalkenmehren, gleich am Wasser, am Ortsende, wo der feste Weg sich verliert, wohnt ein alter Mann mit hellen blauen Augen. Die leuchten so warm wie der Ginster in der Sonne.

Diesem Mann bin ich vor Jahren begegnet, und ich war ihm von Stund an verfallen. Ausgerechnet mir geschah das, der ich nie einen richtigen Freund besaß, der ich ungesellig und einspännig war mein Lebtag lang.
Ich will nicht um den Brei herumreden und es kurz machen, ich rede vom Maler Pitt Kreuzberg. Er hat sein Leben der Eifel verschrieben und seine Bilder singen Eifellieder, genau wie seine Augen, in denen sie alle glänzen, diese, seine Bilder, wie im Brennpunkt einer Linse, wie die Sonne im Tautropfen.

Hier bei dem Alten am Maar fand ich tausend Antworten auf tausend Fragen, die mich bislang quälten. Hier fand ich einen guten Teil der Wahrheit über meine Heimat, die Eifel. Pitt Kreuzberg hat die Tagesarbeit hinter sich, er feiert bereits den Abend. Und darum ist sein Werk so voll der Wahrheit, seien es seine Landschaftsbilder, das Vogellied am Maar, das Glühen des gelben und roten Fingerhutes, sei es sein Eifelhimmel, der selten blau und ruhig ist, seien es endlich seine Menschen- und Tiergestalten. Das Antlitz der Eifel hat er vielfältig eingefangen und gedeutet. Er ist kein Menschendiener, er schmeichelt nicht, er lügt auch nicht, er ist wahrhaftig. Besonders stark haben mich seine Tierbilder beeindruckt, fast so stark wie seine religiösen Motive, in denen der göttliche Liebesschmerz einen so starken Ausdruck findet. Aber davon soll hier nicht die Rede sein. Es sind die Tiere, die Pitt Kreuzberg zeichnet und malt, Tiere, die mit dem bäuerlichen Menschen der Eifel zusammenleben. Er zeichnet sie in ihrer Kraft und Schönheit, in ihrer Lebensfreude, aber auch in ihrem Schmerz, ihrer geduldigen Ausdauer, ihrer Ohnmacht, ja in ihrem Leiden und oft verlassenen Tod. Aber er stellt sie nicht dar isoliert und auf sich bezogen, sondern immer in Bezug auf den Menschen, dem sie Gottes Willen nach dienen sollen.
Und hier an dieser Stelle will ich von einem ganz bestimmten Bild reden, dem Bild »Frau mit Kuh«, das mir der Maler geschenkt hat. Dieses Bild ist eine der vielen Antworten, die ich beim Alten am Maar gefunden habe. Das Bild ist ein beredetes Zeugnis von der Innigkeit und Tiefe des Hineindenkens des Künstlers in die Zusammengehörigkeit und des Miteinanders von Mensch und Tier.

Der Eifeler ist seinem Wesen nach ein Kuhbauer! - Die Realteilung mit ihrer Parzellierung, die harten klimatischen Verhältnisse, die wechselvolle Geschichte hat in diesem Grenzraum ein Großbauerntum, ja ein eigentliches Bauerntum nicht aufkommen lassen. So blieb es im Großen und Ganzen beim Kuhgespann, und die gelben Glankühe wurden zu einem Teil der Eifellandschaft und die Begleiter des bäuerlichen Menschen. Und die Kuh und nicht das Pferd haben den Eifeler geformt, ihn zu dem gemacht, als welcher er uns entgegentritt, den wir oft nicht verstehen, ihn oft verachten, ihn als inferior betrachten. Aber das ist nicht die richtige Diagnose. So wird man dem Menschen der Eifel nicht gerecht. Er ist nicht inferior, er ist nicht weniger klug und lebenserfahren, wie die Bauern anderer Gaue unseres Vaterlandes. Er hat sich nur mit den Kräften ausgerüstet im Verlauf der Geschichte, die er nötig hat, sich zu behaupten. Er ist der Natur am engsten von uns allen verbunden, und darum hat die Natur gerade ihm ihre wesenseigenen Kräfte gegeben, sich zu erhalten im wechselvollen Grenzlandschicksal, trotz der armseligen Hangäckerchen, die kaum einigen Bäumen das Leben gewähren. Denn die Natur liebt ihre Kinder und hilft ihnen. Und nicht zuletzt ist es die Kuh, die die Natur dem Eifelbauern geschenkt hat, die Kuh mit ihrer Geduld, ihrer Ausdauer, ihrer Genügsamkeit und Ruhe, ihrem ganzen mütterlichen, fruchtbaren Wesen. Ihr ist es auferlegt wie ein Joch, Wegbegleiter des Eifelbauern zu sein nun schon viele Generationen lang. Und sie hat dabei dem Menschen ihr Wesen ein- und ausgeprägt, ihre Genügsamkeit, ihre Geduld vor allem und die Kraft, Schweres zu ertragen und zu erleiden. Es ist das Siegel des Mütterlichen, das das Bild von Kreuzberg trägt. Mensch und Tier sind eins geworden im Gleichklang des Geschickes, im Gleichklang des mühevollen Lebensweges. Und dahinter ragen die Berge der Heimat; sie gehören dazu, denn es geht steilauf, steilab im Leben dieser beiden Geschöpfe Gottes, bis nach des Tages Last und Mühe der endliche Feierabend kommt. Dann werden es die Ausdauer, die Geduld, es werden die ertragenen Mühen und Lasten sein, die die Lebenswaage füllen, und sie werden schwerer wiegen, als die vielen Unzulänglichkeiten, die ein Leben ansammelt. Es wird so sein wie in Stefan Andres Roman »Der Knabe im Brunnen«, die guten Werke werden vorausgeeilt und schon in der Obhut des Vaters sein.
Auch der Traktor wird daran wenig ändern können, und wenn er es tut, dann wird der Bauer einen seiner besten Freunde, einen seiner besten Erzieher verraten und verloren haben. Er wird dann einer Kraft ledig sein, die ihm der Herrgott gegeben und die ihn seit Jahrhunderten erhalten hat. - Und sein Schicksal wird sicherlich ein sehr ungewisses sein.


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