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Pitt Kreuzberg (1888-1966) - Ein Malerleben

»Im Sommer« (1944)

»Im Sommer« (1944)

Grußwort

Die Förderung der Kultur - und damit der Kunst - ist nicht allein eine Aufgabe staatlicher und kommunaler Institutionen. Kultur geht alle, jeden einzelnen von uns an, denn sie dient uns allen.

Kulturpflege ist auch uns, der Kreissparkasse Daun, ein Anliegen, das wir ernst nehmen. In diesem Bewusstsein haben wir uns im Laufe der Jahre stetig bemüht, zur Pflege der Kultur beizutragen; zum Beispiel haben wir, vor allem einheimischen Künstlern, Gelegenheit gegeben, ihre Werke in unserem Haus auszustellen. Dies wollen wir auch forthin tun. Wir meinen, hiermit den Menschen unserer Tage auf eine eigene Art und Weise dienen zu können.

Man möge uns bitte nachsehen, dass wir uns einem Künstler besonders verbunden fühlen: dem Maler Pitt Kreuzberg. Über fünfzig Jahre lang hat er unter uns gelebt und uns mit einer Fülle eindrucksvoller Bilder bereichert. Er fand seine letzte Ruhestätte auf dem Weinfelder Friedhof; damit ist er seiner Wahlheimat, die er in vielfältiger Form malerisch darstellte über seinen Tod hinaus treu geblieben. So dürfen wir, die Bewohner dieses Eifelraumes, mit Stolz Pitt Kreuzberg den Unsrigen nennen. Für sein kulturelles Erbe haben wir ihm zu danken.

Die Literatur über diesen hervorragenden Schöpfer Eifeler Landschaftsbilder und anderer Kunstwerke der Malerei ist geradezu spärlich. Deshalb stellen wir gerne diese Broschüre den Freunden Pitt Kreuzbergs zur Verfügung.

Daun, im März 1984
Kreissparkasse Daun
Der Vorstand

»Große Eifel« (1960)

»Große Eifel« (1960)


Chronologie eines Malerlebens

1888 Geboren am 30. Mai 1888 in Ahrweiler, Sohn einer alten Unternehmer- und Kaufmannsfamilie. Vater Leopold, Kaufmann, gestorben 1908.
Kindheit in Ahrweiler in der Wilhelmstraße.
Gymnasium in Ahrweiler, Brühl und Münstereifel
1907 - 1911 Student der Kunstakademie Düsseldorf
1911 - 1913 Student der Kunstakademie München
1913 Annahme seiner Wahlheimat Schalkenmehren
1914 - 1918 Soldat im ersten Weltkrieg
1922 - 1932 Frühphase und Prozess der Selbstfindung in der Nähe des deutschen Expressionismus
1932 Ein Jahr Aufenthalt als Maler in Holland
1932 - 1949 Lebensmitte. Zeit der großen Eifeldarstellungen und der Blumenbilder
1947 Mitgliedschaft der Are-Gilde
1950 - 1958 Zweite Experimentierphase
1955 - 1957 Versuch graphischer und abstrakter Darstellungen
1955 - 1958 Bilder, gezeichnet durch den bevorstehenden Tod seiner Ehefrau
1958 - 1966 Expressive, ekstatische Malerei im Stile der modernen »Wilden«
1966 Am 21. Februar 1966 verstorben in Bad Honnef im Hause seiner Tochter

Familie

Pitt Kreuzberg entstammt einer seit dreihundert Jahren in Ahrweiler ansässigen Unternehmer- und Kaufmannsfamilie. Von seinen Vorfahren sind erwähnenswert: sein Urgroßvater Georg Kreuzberg, der Entdecker des Apollinaris-Brunnens und der Neuenahrer Quellen, sein Großvater Anton Kreuzberg, Generaldirektor des Apollinaris-Brunnens. Beide Elternteile waren miteinander verwandt und zwar über den gemeinsamen Urgroßvater Georg Kreuzberg. Sein Vater, Leopold Kreuzberg, war Weinkaufmann und lebte in Ahrweiler in der Wilhelmstraße 8. Das Haus wurde 1849 erbaut und ist im spätklassizistischen Stil eines der schönsten Häuser aus dieser Zeit in Ahrweiler. Ein großzügiger Garten mit alten Bäumen im italienischen Stil schloß sich dem Wohnhaus nach Norden hin an. Das Haus ist heute noch weitgehend im alten Stil erhalten. Einige Ergänzungen und Umbauten haben den ursprünglichen Charakter nur wenig geändert.

Kindheit und Jugend

In diesem Haus in Ahrweiler verlebte Pitt Kreuzberg seine Kindheit. Hier lebten die Familien von Groote, Familien Eugen Kreuzberg und viele andere Verwandte, die damals alle recht wohlhabend waren. Er besuchte die Latein- und Bürgerschule im »Weißen Turm« in Ahrweiler, danach war er in Brühl und Münstereifel im Gymnasium bis zum Einjährigen.

Wanderjahre als Kunststudent

Pitt Kreuzberg ging 1907 nach Düsseldorf, um Maler zu werden. Sein Vater hatte seinem Entschluss freudig zugestimmt, war er doch selbst ein musischer Mensch und leidenschaftlich den bildenden Künsten zugewandt, wie sein kultiviert ausgestattetes Haus beweist. Auch hatte er in dem Jungen seine Liebe zur Eifel nachdrücklichst mitteilen können. Bei einer gemeinsamen Wanderung zu den Eifelmaaren äußterte Pitt aungesichts des Schalkenmehrener Maares, dass er hier immer leben wolle.

Der Vater des Künstlers,
der Weinkaufmann Leopold Kreuzberg
1897

Die Mutter des Künstlers,
Maria, geb. Kreuzberg
1897

Die Lehrjahre führten ihn zur Akademie nach Düsseldorf, damals wohl die für ihn am besten geeignete Ausbildungsstätte, wenn man an seine Talente und Neigungen denkt. Er knüpfte und pflegte Freundschaften zu Wollheim, Hundt, Schwesig, die später auswanderten, wurde Mitglied der rheinischen Sezession und hatte Verbindungen mit »Mutter Ey« sowie Mark, Klee und Macke, Thorak, Kolbe und Vogel. Der strenge Lehrbetrieb hat ihm wohl sehr zu schaffen gemacht. Er fühlte sich wie in einem Gefängnis, dem er bald entrinnen wollte. In Düsseldorf lernte er seine spätere Frau Trude, geb. Boosen, die Tochter eines Musikers, kennen. Während der Düsseldorfer Studienzeit starb 1909 überaschend sein Vater. Dadurch wurde ihm und der ganzen Familie die bisher gesicherte wirtschaftliche Grundlage entzogen; sie wurde zerstreut. Der Student musste nun seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten selbst verdienen.

1911 zog Pitt mit seiner Verlobten nach München, um seine Studien weiter zu ergänzen. Über seine Lehrer in dieser Zeit ist nichts bekannt. Er heiratete und zog 1913 nach Schalkenmehren in der Eifel.

Der 1. Weltkrieg brach aus. Er wurde Soldat und durchlebte vier Jahre als Soldat an West- und Ostfront. Die damals allgemeine vaterländische Begeisterung für den Krieg hatte ihn nicht erfasst.

Wahlheimat: Schalkenmehren

Nach Rückkehr aus dem 1. Weltkrieg war der Maler schwer von einer Infektionskrankheit gezeichnet. Seine Frau musste ihn lange pflegen, ehe er wieder gesundete. Inzwischen waren ihm Sohn und Tochter geboren. Es kamen die wirtschaftlich schwierigen 20er Jahre mit allen Entbehrungen und Sorgen um das Überleben für sich und seine Familie. In der geldarmen Zeit reichte es gerade zu leben. Er pflegte weiterhin Kontakte zu Künstlern in Düsseldorf und Berlin und war auch gelegentlich auf Reisen.

1930 lebte er ein Jahr lang auf Einladung eines Freundes in Holland. In dieser Zeit entstanden eine Reihe sehr farbenfrohe expressive Bilder, die später vom Mayener Arzt Dr. Nolden erworben wurden. Der Arzt besaß in Mayen ein außergewöhnliches, im Bauhausstil errichtetes Wohnhaus, in dem er inmitten seiner Sammlung lebte. Während eines Bombenangriffs wurden die Bilder gerettet, später am Bergungsort aber ausnahmslos entwendet und sind bisher nicht wieder aufgetaucht. Eines der wenigen erhaltenen Bilder aus dieser Zeit seines Schaffens befindet sich in der Sammlung Rau.

Das Geburtshaus des Künstlers in Ahrweiler, Wilhelmstraße 8 Anfang des 20. Jahrhunderts

In den zwanziger Jahren, der Künstler ist damals schon 40 Jahre alt, erreicht er seine künstlerische und menschliche Reife, Höhepunkt und Lebensmitte. Diese glückliche Zeit dauert bis Ende der vierziger Jahre. Die politischen Verhältnisse während des Nationalsozialismus berühren ihn wenig. Nationales Denken ist ihm fremd. Man droht ihm, seine Kunst in die Kategorie der »Entarteten« einzustufen. Einflussreiche Freunde, so der Landrat von Daun, haben ihn vor Bedrängnissen geschützt. So konnte er unbehelligt arbeiten. Die wirtschaftliche Lage bessert sich gegenüber dem ersten Jahrzehnt. Er erwarb am Ufer des Schalkenmehrener Maares ein kleines Haus (siehe Abbildung). Alles war schlicht und einfach, die Räume klein. Im ersten Geschoss, gleich unter dem Dach, war sein Atelier. Besucher fanden dort Hunderte von Bildern, teil ungerahmt, neben- oder übereinander gestapelt. Kein Quadratmeter Wand im Haus war frei von Bildern. Selbst die Decke des Badezimmers war anmutig bemalt. Die Möbel waren schlicht aus rohem Hold gearbeitet und die Küche hatte eine betont rustikale Note. Irdenes Geschirr, gescheuerte Tische, Bilder von Freunden in herbem Stil. Auf den Fensterbrettern standen meist Blumen oder anderer Zierrat, der den Vordergrund zu dem immer wechselnden Anblick des Schalkenmehrener Maares bildete. Bemerkenswert war der Garten hinter dem haus. Er war von einem Gartenarchitekten angelegt worden und war von einer zwar gezügelten aber faszinierenden Wildheit (siehe Abbildung). Hier gab es wilde Malven, wilde Glockenblumen, Rittersporn, roten Mohn, Disteln und die Herconaleumstaude, der sogenannte Bärenklau, den er besonders liebte. Die über zwei Meter großen kurzlebigen Stauden gaben dem Garten zusätzlich zu dem Zauber der blauen Töne eine besonders vitale Note.

Der Künstler lebte mit seiner Frau ein äußerst bescheidenes Leben. Nicht nur aus Not, sondern aus einer inneren Haltung heraus. Sie trugen meist wollene Kleider, aßen bescheiden die einfachen Gerichte der Eifel, dunkles Eifeler Brot, Butter, Käse und tranken dazu Rotwein. Man verreiste kaum.

Der 2. Weltkrieg brachte keine Not und keine Verluste in der Familie. Der Zusammenbruch des Deutschen Reichs hinterließ bei Pitt keine wesentlichen Störungen. Erst in der Nachkriegszeit machen sich erstmals politische Umwälzungen in seinem Denken bemerkbar.

Das Haus des Künstlers am Ufer des Schalkenmehrener Maares

Da sind zwei Ereignisse, die ihn für Jahre, eigentlich bis zum Lebensende, beschäftigen: nämlich der Abwurf einer Atombombe auf Hiroschima und die Wiederbewaffnung Deutschlands. Hier wird der Künstler erstmals in seinem Leben durchrüttelt von politischen Ereignissen. Dies blieb auch nicht ohne Folgen für sein künstlerisches Werk.

Wir können jedoch festhalten, dass die Zeit der Lebensmitte mit seiner Hinwendung zur Landschaft und dem Lebendigen in Pflanze und Tier ihn etwa zwischen 1932 und 1949 vollkommen ausfüllt.

1950, der Maler ist damals 62 Jahre alt, werden die äußeren Umstände seines Lebens schwieriger. Zunächst erleidet er einen Schlaganfall, von dem er sich allerdings gänzlich erholen konnte und der keine Folgen hinterließ. Immerhin wurde ihm erstmals selbst die Vergänglichkeit seiner Existenz vor Augen gestellt. Kurze Zeit später verlässt seine einzige Tochter endgültig das Haus, um zu heiraten. Fast gleichzeitig wird ihm zur Gewissheit, dass seine Frau unheilbar erkrankt ist. Die Furcht vor dem Tode und dem Kommenden Alleinsein ergreift ihn. Er pflegt die kranke Frau jahrelang, schließlich stirbt sie 1958. Während dieser Zeit seit 1950 durchläuft der Künstler wiederum verschiedene Experimentierphasen (siehe später), in denen er schließlich zu einer expressiven Malerei zurückfindet.

Pitt Kreuzberg bleibt auch trotz der Isolierung durch den Tod seiner Ehefrau, weiterhin rege tätig. Er malte bis zum letzten Tag seines Lebens. Sein Tagewerk war von unvorstellbarem Fleiß geprägt. Fast täglich malte er ein Bild. Die Bilder sind im rheinischen Großraum meist einzeln verstreut. Einige größere Werke befinden sich auch außerhalb des Rheinlandes, zum Teil auch in Amerika. Staatliche Institutionen haben ebenfalls größere Werke aus der Zeit seiner Lebensmitte erworben. Die größte Privatsammlung der Gegenwart befindet sich in den Händen der Gebrüder Rau. Merkwürdigerweise ist sowohl zu Lebzeiten als auch bis zur Zeit relativ wenig über Pitt Kreuzberg geschrieben worden. Seine Bedeutung als Landschaftsmaler ist sicherlich auch zur Zeit noch nicht bekannt, vielleicht, weil das Thema augenblicklich etwas im Abseits steht. Seine Verwandtschaft zu den »Wilden« der Moderne ist noch zu jung. Möglicherweise werden spätere Beurteilungen diese Beziehung erkennen.

Das Malerleben rundet sich ab in einigen letzten visionären Gemälden, die sich ihm selbst zuwenden. Er, der Künstler, als Abschiednehmender und schließlich als vergeistigtes Wesen in seinem Lebensraum. Zum Sterben verließ er nur kurz sein Haus und ging zu seiner Tochter nach Bad Honnef. Sein Wunsch, noch einmal als Verstorbener durch die Eifel zu fahren, wurde ihm erfüllt. Seine letzte Ruhestätte fand er an der Kirche des Totenmaares.

Das künstlerische Werk

Parallelitäten zwischen den äußeren Lebensabschnitten mit ihren typischen Eigenheiten und dem künstlerischen Werk des Malers sind unverkennbar. Aus seiner Studentenzeit in Düsseldorf sind nur wenige Werke bekannt. Sie sind von einer manchmal ergreifenden, wenn nicht sogar theatralischen Sinnfälligkeit. Einflusse aus der Bühnenmalerei sind wahrscheinlich. Der Versuch, tiefe seelische Regungen auszudrücken, ist gelungen. Einzelne Blätter während der 1. Weltkrieges zeigen, wie auch vorher, eine gewisse stilistische Beeinflussung seitens des Jugendstils, technisch sind sie nicht ganz ohne Fehler.

Die ersten »guten« Arbeiten finden sich nach der Rückkehr aus dem Soldatenleben des 1. Weltkrieges und nach Auskurierung seiner Krankheit. Ein erstes bedeutendes Gemälde finden wir in einer Darstellung des Schalkenmehrener Maares, welches einerseits die Einflüsse des kubistischen Stils erkennen lässt, aber schon den später entwickelten Stil andeutet. In der Zeit zwischen 1922 bis 1932, der Künstler ist damals 30-40 Jahre alt, steht er in der Nähe des deutschen Expressionismus. Seine Bilder erinnern manchmal an Kirschner, Beckmann oder auch an van Gogh. Er war jedoch nie Epigone, sondern diese Zeit ist eher als ein Prozess der Selbstfindung zu deuten. Bilder aus dieser Zeit sind wohl teilweise verschüttet, im 2. Weltkrieg zerstört, durch Erbschaftsregelungen verstreut. Diese so genannten »frühen« Pitt Kreuzbergs werden im Kunsthandel ziemlich hoch eingeschätzt. Auch hier haben sich die Gebrüder Rau mit der Sammlung aus dieser Zeit besondere Verdienste erworben.

Der Künstler in seinem urwüchsigen Garten am 04.11.1960

Die eigentlich klassische Zeit der Lebensmitte liegt zwischen 1932 und 1949 und hat hauptsächlich die Landschaft der Eifel, insbesondere der Vulkaneifel, die Maare und die Schönheit der Blumen zum Gegenstand. Darstellungen tierischer und menschlicher Körper, auch zum Teil kombiniert mit Landschaftsbildern im Sinne einer Vordergrundsbildung, weisen offensichtlich Schwächen auf. Die gute Darstellung der Bewegung tierischer und menschlicher Figuren hat der Maler in dieser Zeit nicht vollendet bewältigt. Erst später hat er hier eine beachtenswerte Steigerung zeigen können.

Die großen Landschafts- und Blumenbilder dieser Zeit strahlen eine innere Ruhe, Kraft und Harmonieerlebnis mit der Natur aus. Trotz des Krieges, der Nachkriegszeit und der allgemeinen Störung des Lebens bleibt sein künstlerisches Werk davon unbehelligt.

Mit 58 Jahren erleidet der Künstler erstmals eine schwere gesundheitliche Störung, die jedoch überwunden werden konnte. Andere schwerwiegende äußere Umstände verändern sein Denken und Leben (s.o.). Er verlässt die darstellende Landschaftsmalerei und wendet sich neuen Themen zu. Weltanschauliche, religiöse oder politische Themen treten in den Vordergrund. Messianische Ideen in positiver und negativer Hinsicht ergreifen ihn. Einerseits der Glaube an den neuen Menschen, andererseits Weltuntergangsbefürchtungen. So entstehen Gemälde, die bis zur Kolossalgröße dimensioniert sind, auch einige im Triptychonformat. Der Künstler geht dabei bis an exzessive Grenzen: Weltuntergang, Atombombentod, verbrannte Erde, Geburt des neuen Menschen inmitten von Trümmern, Tod und Leben reichen sich die Hand. Die physikalische Grenze zwischen Sonne und Atomexplosion ist im Bild auch nicht mehr zu unterscheiden. Ob die Sonne lebensspendende Wohltat für die Erde ist oder die Atombombe Verbrennung und Tod bedeutet ist im Bild nicht mehr zu erkennen.

Daneben gibt es Parallelentwicklungen. Da ist die schwere todbringende Krankheit seiner Frau Trude. Das Schicksal lässt sich nicht mehr abwenden. Der Verfall von Körper und Seele der geliebten Frau wird vom Künstler wahrgenommen und die Furcht vor dem Tode steht vor ihm. In dieser Phase entsteht eine Anzahl von Bildern, die oft kleinformatig gemalt und in Hunderten von verschiedenen angstvollen Gesichtern dieses Gefühl ausdrücken.

In der Zeit zwischen 1954 und 1957 versucht der Künstler auch formal auszubrechen. Es entsteht eine Unzahl von Kohle- oder Federzeichnungen, die zum Teil höchste Qualität, aber auch nicht selten Schwächen zeigen.

Die Zeit der fünfziger Jahre ist gekennzeichnet durch die Auflehnung gegen den Zeitgeist.Um 1960 wendet sich der Künstler wieder der Landschaft zu, diesmal aber in anderen Techniken.

Die in seiner Lebensmitte gefundene Ruhe wird nicht mehr erreicht. Kennzeichnend ist nunmehr das Ekstatische, das Leidenschaftliche, das Tempo, auch die Bereitschaft, manches dem Zufall zu überlassen. Die Einordnung dieser späten Phase ist nicht eindeutig. Die Interpretation bleibt subjektiv. Man kann es als eine Art Auflösung betrachten, man kann es aber auch als Vorwegnahme einer erst in der Gegenwart gefundenen künstlerischen Selbstdarstellung ansehen. Die Verwandtschaft mit den Malereien der jungen »Wilden« in den achtziger Jahren ist unverkennbar. Wie in jeder Kunstrichtung gibt es Vorläufer. Pitt Kreuzberg scheint ein Vorläufer der Gegenwart in der Kunst zu sein, wenn es sein Altwerk betrifft.

Erntelandschaft (1941 - 1944)

Erntelandschaft (1941 - 1944)


Der Maler am Maar

Harry Lerch

Sie, was vermag die ungerecht Tyrannei der weltlichen Gewalt und Macht der Finsternüß! Hor, dur Ritter Christi, reit herbei neben den Herrn Christum, beschütz die Wahrheit!

Albrecht Dürer (Tagebuch der niederländischen Reise)

Wir besinnen uns auf die erste Begegnung mit Pitt Kreuzberg, als sei sie gestern gewesen. Es war 1946 in der »Alten Burg« zu Koblenz. Damen, Maler, Gäste plaudern über Bilder. Da tritt in die etwas eifervoll kunstgesinnige Schar, versammelt zur Eröffnung der Ausstellung rheinischer Künstler, Pitt Kreuzberg. Wie ein Schäfer gekleidet tritt er herein, mit Lodenmantel und Hirtentasche, wie der Meister Colas Breugnon bei Romain Rolland. Seine Augen haben den blaugrauen Widerschein vom Himmel über dem Maar. Es tut sich in der kunst- und gesprächsbeflissenen Schar eine Gasse für ihn auf.

In der alten Stadt Ahrweiler mit ihren Toren und Türmen ist Pitt Kreuzberg aufgewachsen. Da saß um die Jahrhundertwende in der Bürger- und Lateinschule im Weißen Turm auch Pitt Kreuzberg. Nicht immer aufmerksam, doch der alte, gütigstrenge Lateinlehrer Dr. Joerres weiß es: der Junge denkt nicht an Schabernack und hat nicht schlechtes Gewissen um die nicht gelernte Lektion - der Junge zeichnet ihre Wölbung nach und ihren grauen Ton, andermal weiß, andermal schieferblau - tausendfältig sind die Farben.

Da, die Mittagssonne lässt den Wolkensaum golden aufblühen! Das müsste man malen können ...

Er lernt es! Er, der Enkel des Quellengründers von Apollinaris und Heilquellen zu Bad Neuenahr, lernt malen. Da pendelt das kommerzielle Talent des Großvaters unversehens in eine andere Komponente. Wie der Großvater und Quellengründer ins Erdreich zu schauen wusste, schaut der Enkel, sein Enkel, Glück im Element über Erde und Wasser. Er füllt die Luft mit Feuer, Glühen und Glanz und beweist wahrhaft später, dass er’s zu malen vermag. Die Luft mit ihrem seidigen Hauch, die Atmosphäre, der Wolken Wölbung und Phantasiegestalt und des Unendlichen Hauch darüber.

1904 wandert der junge Pitt Kreuzberg mit Felleisen und Zeichenblock aus dem Niedertor von Ahrweiler - das Herz befreit für den Weg nach Düsseldorf. Er geht, die Heimatstadt zu bewahren, aber auch die Welt zu schauen und ihre Farben. Was wunder, dass sein Weg nach Düsseldorf führt. Da gilt das Talent wenig zunächst, und das Kopieren der gipsernen Skulpturen behagt ihm kaum, er wendet die Schritte bald nach Süden, ins zweite Zentrum der Akademien, tritt in die Meisterklassen ein. Viele Weggenossen haben einen Weg gemacht wie er: der Düsseldorfer Otto Pankok, Werner Gilles, Max Hundt, Max Ernst, der dann in den USA lebte wie Gert Wollheim. Sie waren die Revolutionäre, trunkene Revolutionäre im »Jungen Rheinland« wie in der »Rheinischen Session«.

Wer je die Eifel gesehen hat mit Maleraugen, kehrt heim zu ihr. Heim zu ihren hohen Himmeln, düster oft unterwölkt mit Schiefergrau und Tönen wie Zinn, dann fahles Blau und wieder weiß gewölbte rosige Wolkenränder am Abend, dreingehaucht das Schwefelgrün und Violett. Pitt Kreuzberg ist indessen kein Eifelmaler geworden im herkömmlichen simplen Genre. Dafür ist seine Palette zu reich und seine Thematik zu groß. Pitt Kreuzberg rückt eher zu den Fauves der Franzosen und ist den deutschen Expressionisten nahe. Nolde etwa oder Schmidt-Rottluff. Doch, was bedeuten Vergleiche: die kunstgeschichtliche Ordnung versagt vor seiner Eigenständigkeit und Sonderstellung - vor seiner Individualität.

Pitt Kreuzberg siedelt sich in den zwanziger Jahren am Schalkenmehrener Maar an. Er hat gesehen, was zu schauen war in der Welt: »Lass, o Welt, o lass mich sein.« Er sah den Süden und den seidigen Hauch von Paris. Freilich, Rückzug und Resignation sind sein Ansiedeln am Schalkenmehrener Maar nicht. Denn er hat anderes gesucht: die Wahrheit der Landschaft. Die Wahrheit der Luft über dem Maar - merkwürdig und ergreifend, wie er zum Wasser zurückkehrt wie sein Großvater und Quellenfinder. Das hat er gesucht, sein Leben lang: die Wahrheit, und nicht den Schein. Sie hat er gesucht in seiner Urlandschaft über den Maaren, unter einem heroischen Himmel, in dem die Licht- und Dunkelmächte immer miteinander ringen.

Pitt Kreuzberg suchte das Ganze, die Einheit, das All in der großen Erscheinung der Dinge. Er will nicht eines, begnügt sich nicht mit drei, will mehr als drei - will alle vier Elemente fassen: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Der erloschene (für ihn noch nicht erloschene) Vulkan ist ihm das Feuer, ist die Urlandschaft noch nicht zur Ruhe gekommen. Er spüre, so hat er mir einmal gesagt, in der Nacht noch manchmal die Erde beben. Wer so seismographische Sinne besaß wie Pitt Kreuzberg, der spürte und sah vor seinem Auge alles: das Wasser, die Atmosphäre, die Kräfte der Quellen: »Im Wasser ist Heil«. Die Luft vollends war ihm erfüllt von Hauch und Kraft, von Sprache des Windes und Musik der Äonen. So war das dritte Element ihm zu Dienst. Und die Erde sah er ringsherum: die Kraterränder der Maare, den blauen Acker und das Wiesengrün, das Ginstergelb und das Heideblassrot wie den weißen Hang in der Winterstille.

Pitt Kreuzberg suchte das Ganze. Die Einheit, die große Kraft und Erscheinung der Dinge. Landschaft so gesehen, spielt ihm Gesichte zu von den Ufern des Maares, in Nebel und Dämmerung zumal. Aber, er sieht mehr als Landschaft. Er sieht in ihr Gottes Angesicht.

Diese Eifel malt Pitt Kreuzberg, aus ihr brennen ihm die bewegenden, ringenden Kräfte entgegen. Er ist überwältigt, bisweilen wahrhaft schmerzhaft berannt von Gesichtern, ihm treten sie entgegen als religiöse und zeitkritische Elemente. Er sieht hinter die Dinge, hinter die Menschen, um nicht zu sagen: durch sie hindurch. Er will diese Eifel nicht abbilden und umdeuten, weil er Vision und Gesichter genug hat, um sich mit der Welt auseinanderzusetzen.

Wer denkt und nachsinnt, wer empfänglich ist für das kosmische Weltenschicksal und die in den Nächten vernehmbare leise Stimme Gottes, wer Menschenschicksale beklagt und ihre Verwirkungen - wer das in Farben und Gestalten und Gesichten zu sagen unternimmt, hat es nicht leicht. Der Weg von der Palette zur Leinwand ist oft unterbrochen und bedrängt.

Er hat es sich nicht bequem gemacht noch seiner Umwelt. Dabei redet Pitt Kreuzberg in seinen Bildern mahnend, bittend, legt gleichsam einem jeden die Hände auf die Schultern. Das legt dem Maler wie dem Betrachter eine Bürde auf, mit diesen Bildern umzugehen. Nichts glatt, nichts gefällig, nichts geschmeichelt. Seine Bilder sind nicht bequem auf ästhetischen Reiz, nicht geschmäcklich bedacht. Nicht symphatieheischend, doch wiederum nicht schroff und abweisend. Es ist die Sonne des Malerbruders Vincent van Gogh darin und die glühenden Farben über den Tafeln von Emil Nolde, mit dem er einmal ausgestellt hat.

Schlicht hat er die Besucher seiner Trierer Ausstellung vor fünf Jahren einmal angesprochen: »Seht die Bilder mit derselben Ehrfurcht und Demut, mit der ich mich ein langes Leben bemüht habe, wach zu sein für die Dinge der Schöpfung Gottes. Alles, was ich hier darbiete, sind Versuche, in die Wahrheit unseres Seins, in die Umwelt und den Kosmos einzudringen. Es kann darum nicht alles ein Lied der Schönheit sein, eher eines der versuchten Wahrheit... Es sind die Gesetzte und die Lebenskraft, der Rhythmus und die Dynamik der Dinge, die im ewigen Kreislauf sind. Und das Dargestellte soll uns mahnen, nichts Ungutes gegen das Leben zu tun... Seien Sie so inbrünstig gläubig, wie es eine Künstlerseele sich zu sein müht...«

Er ringt um die Wahrheit. Von der Palette zum Bild - wie in der Weg oft verschüttet! Ihm ist die Wahrheit mehr als tausend Nichtigkeiten.

Was Pitt Kreuzberg in den Zeilen zuvor gesagt hat, sind Confessiones, wie sie selten ausgesprochen werden. Mir sind sie immer erschienen als ein Misereor des ich.

Pitt Kreuzberg ist zeit seines Malerlebens jedem Schema entwichen. Es skizziert ihn unvollkommen, ihn einen religiösen Maler zu nennen oder einen zeitkritischen, erst recht nicht einen Eifelmaler, obgleich er ihre Äthergeheimnisse erschlossen hat. Er ist nicht Ankläger noch Richter. Er weist zwei Wege früh in die Selbstvernichtung der atomaren Entfesselung dieser Erde - oder in die großen Wahrheiten des Weltenschöpfers.

So ist er mahnend und gläubig besorgt und aufrüttelnd gewesen. Freilich, wer diesen Weg geht, tritt aus den Konventionen heraus. Pitt Kreuzberg malte wahr und ist wahr gewesen. Solches Hervorbringen, seine Wahrheit hat ihm die Kräfte des Kosmos wiedergeben lassen, zeigt ihm die Engel aus dem All, aber auch die aus der Tiefe drängenden Dämonen.

Er trug das Schäferkleid der Demut. Bedeutung für die Welt hat alles, was Pitt Kreuzberg in seine Kreuzigungen, Klagen, Aufrichtungen, Schmerzerlebnisse gegeben hat. Ruht seine Palette, so leben seine Bildgeheimnisse und Bildoffenbarungen.

Seebild mit Waal und Barke (1955)

Seebild mit Waal und Barke (1955)

Pan (1948)

Pan (1948)


Fragmente aus

Begegnungen mit Pitt Kreuzberg

E. K. Plachner

Wir, meine Frau und ich besuchten ihn damals in seinem Haus am Maar, das er nach dem ersten Weltkrieg bauen konnte. Er führte uns schließlich auf den Speicher. Bilder. Bilder. Bilder! Eine ganze Schöpfung. Er schob sie wie Kulissen einer Zauberbühne vor unsere immer staunender sich öffnenden Augen. Unter ihnen ein so genannter »Tryptichon«, ein großes dreiteiliges Gemälde. Welche Tiefe, welche Gewalt künstlerisch-religiöser Gestaltung, kühn und modern! Neu und voller Zucht bei aller apokalyptischen (d. h. hohe und tiefe, furchtbare und trostreiche Geheimnisse von Welt und Mensch enthüllend, das bedeutet ja apokalyptisch) Grundhaltung.

Hier trat uns eine farbenflutende Genialität entgegen. In der Tat. Pitt Kreuzbergs Farbenskala steht der seines Malerkameraden Emil Nolde, des namhaften deutschen Expressionisten der ein Jahrzehnt vor ihm gestorben ist nicht nach. Nicht nach Ausdruckswille und Ausdrucksmacht.

In gewisser Weise erinnert Pitt Kreuzbergs Werk an das expressionistische Stilprinzip, doch genügt diese Zuordnung nicht. Wir Deutschen lieben zwar das Einordnen, Rubrizieren, Etikettieren sehr, in der Kunst z. B. romantisch, klassisch usw. Man kommt aber nicht weit genug damit. Das ist auch bei Pitt Kreuzberg so; denn trotz gewisser Bezogenheiten kann man ihn keinesfalls zu den Expressionisten rechnen. In diese Entwicklungslinie des so tief und auch mit großem Gedankenernst schürfenden Malers gehören auch seine visionären Bilder, in denen oft mit erschreckender Heftigkeit des inneren Schauens Bedrohungen, Zerfalls- und Fäulnismöglichkeiten unserer Zeit künstlerisch gebannt sind. Hier offenbart sich etwas von dem, was wir kunstwissenschaftlich als »dantesk« bezeichnen.

Christuskopf (1955)

Christuskopf (1955)


Fragmente aus

Der Maler Pitt Kreuzberg aus Schalkenmehren

Nikolaus L. Ferring

Der Weg bis zum Heute war lang und oft sehr dunkel. Heute glauben und fürchten wir, am Abgrund der Menschheit zu stehen, erfüllt von der Angst, der menschliche Geist bereite die Selbstvernichtung vor. Die so schwer erkämpfte Freiheit des menschlichen Geistes erscheint bedroht eben von dieser Freiheit selber. Und hier treffen wir auf Pitt Kreuzberg und seine Kunst, er erkennt diese Bedrohung und zeigt uns auch den Ausweg. Er zeigt uns den Kosmos, die Welt, den Menschen, das Tier und die Pflanze so wie sie sind und nicht wie wir sie sehen wollen, ganz im Gegensatz zu den Malern, die nach dem Motto »Schmücke dein Heim« malen. Er ist wahrhaftig und macht keine Konzessionen an die Mode oder an den gedankenlosen Zeitgenossen. Darum erschrecken uns seine Bilder so leicht, sie beunruhigen unser Herz; sie erscheinen und hässlich und Ausgeburten eines kranken Hirns; nicht alle, aber die wesentlichen!

Aber so leicht darf man es sich bei Pitt Kreuzberg nicht machen. So mag es auch dem Meister Neithard, Math. Grünewald mit seinem Isenheimer Altar ergangen sein, der ja auch zu seiner Zeit des gewohnten Formalismus durchbrochen hatte, der seine Zeit in seine Kunst hereingeholt hatte mit all ihren Unbildern, mit Hunger- und Kriegsbildern, mit der gequälten, erlösungsbedürftigen Kreatur, ganz abgesehen von der Hauptfigur des Kruzifixus, dem alle Schönheit im antiken Sinne abgeht. Denken wir auch an den überlangen Zeigefinger des hl. Johannes unter dem Kreuz, der anatomisch eine Unmöglichkeit uns ein Hinweis, ein deutlicher, sein soll, auf das, was der Maler uns sagen will. Von hier aus ist es nicht mehr weit zu den Bildern von Pitt Kreuzberg, besonders zu seinen religiösen. Der Mensch und das Tier, Natur und Pflanze, Baum und Strauch gehören zum Kosmos, gefallen im Kreatürlichen, erlöst auf Golgatha, aber der täglichen, der stündlichen Erlösung durch Christus bedürftig. Welche Zeit hat deutlicher und begreiflicher gemacht als die unsere, wo es nur eines Funkens bedarf, eine ganze Schöpfung auszulöschen. - Und so überlässt es der Maler nicht den Politikern und nicht den Theologen, uns auf diese Gefahren hinzuweisen, in denen unsere Zeit dahinschwimmt wie ein Schiff ohne Steuermann. Darum ist der Maler auch vielen so unbequem, weil er soviel schreckliche Wahrheit auszusagen hat. Seine Bilder sind apokalyptische Visionen unserer Zeit. Sie sind zu vergleichen der modernen atomaren Musik, finden Vergleich besonders bei französischen Romanciers wie Bernanos, Claudel, finden Vergleich bei den französischen Arbeiterpriestern, die letztlich auch einen Formalismus durchbrechen wollen um der Aussage, um der Wahrheit willen.

Kreuzberg ist nicht nur ein expressionistischer Landschaftsmaler, wenn man ihn auch mit Cézanne, der als erster den Impressionismus überwand, Hodler, Munch, Nolde, Marc, Kokoschka, Beckmann und anderen Modernen nennen kann. Am wenigsten kann man ihn zum Eifelmaler degradieren.

Die Bilder von Pitt Kreuzberg sind so starke Aussagen, ja Aufschreie in und zu unserer Zeit, dass ein starkes Herz dazu gehört, sie zu ertragen. Aber nur so werden wir dem drohenden Kollektivismus entgehen, wenn wir uns, jeder einzelne, besinnen auf den Urgrund unserer Freiheit, auf den Pfingstgeist, »der weht, wo er will«. So ist Pitt Kreuzberg ein Seher, ein Rufer in der Wüste. Mitten unter uns im Trierer Land steht Pitt Kreuzberg, der uns immer wieder daran erinnert, dass wir Geschöpfe Gottes sind, gefallen in eigener Schuld, gefallen in frevelhaftem Übermut, so sein zu wollen wie Gott, erlöst durch Christus auf Golgatha, der täglichen Erlösung bedürftig, der Hand Gottes bedürftig, die, wenn sie sich von uns ablöst, uns dem Untergang preisgäbe.

Moses (1955)

Moses (1955)


Fragmente aus

Ein Gespräch mit Pitt Kreuzberg

Heinz Bicker

»Ich verlange vom Betrachter ein Sich-hinein-Vertiefen in meine Arbeit und von einem Kritiker ein Befassen mit meinem Gesamtschaffen und nicht die Sezierung eines einzelnen Bildes. Erst so kann ein rechtes Verständnis erzielt werden.«

»Trotzdem leben Sie, Pitt Kreuzberg, zu weit ab von der großen Heerstraße, auf die ein Künstler nur in dem seltensten Fall verzichten kann, wenn er sich nicht um die materielle Seite des Lebens zu kümmern braucht.«

»Ganz recht, wenn er es versteht, die Waffe der »großen Heerstraße« durch eine grelle, aufdringliche Reklame zu düpieren. Ich gebe zum dass die Not um die täglichen Dinge gerade ein mir nicht unbekannter Gast ist, aber sie wird mich nie zwingen, meine Kunst zu einer öffentlichen Prostituierten zu degradieren.«

»Also halten Sie jede Selbstpropaganda quasi für einen Vertrauensbruch?«

»In dieser Schärfe will ich das gerade nicht sagen. Aber wenn ein produktiv Schaffender in Worten der Erklärung das wiedergeben kann, was er in seinem Werke hat darstellen wollen, so erledigt er seine Arbeit selbst. Denn der Künstler soll eben das ausdrücken, was in Worten auszudrücken nicht geht. Und dann kann man noch einmal Worte der marktähnlichen Anpreisung finden.«

»Zu welcher Richtung bekennen Sie sich?«

»Der wahre Künstler ist an keine Richtung gebunden. »Entwicklung« ist das Geheimnis seiner Kraft und Zähigkeit. Entwicklung zu einem Ziele hin, dessen Erreichbarkeit hart an der Grenze des Möglichen, eher noch darüber hinaus liegt. In dem Augenblick, wo ein Künstler keiner Entwicklung mehr fähig ist, ist er für seine Kunst tot: er sinkt auf das Niveau des Handwerklichen herab.«

»Was liegt Ihnen mehr: Landschaft oder Porträt?«

»Auch diese Frage ist falsch gestellt. Ich male, wozu mich innere Notwendigkeit zwingt. Das kann heute eine Landschaft, morgen ein Porträt sein. Freilich, porträtieren in dem üblichen Sinne, d. h. einen zu malen mit dem üblichen Behang Gott weiß welcher in Wirklichkeit nicht vorhandener Tugenden, das erlaubt mir mein künstlerisches Gewissen nicht. Wenn ich porträtiere, geschieht es so, wie ich den Betreffenden sehe.«

»Sie verwerfen also strenge Gegenständlichkeit.«

»Das ist das Arbeitsfeld eines Fotographen. Die Kunst hat eine andere Aufgabe.«

»Und das wäre?«

»Sie mögen hundert Künstler fragen und bekommen dann ebenso viele Antworten. Für mich ist es die Darstellung des Wesenswahren der Erscheinung. Das bildlich zu erklären, was hinter der Form steckt, kurz: das Seelische. Ich gehe dabei von der Auffassung aus, dass eben nichts unseelisch tot ist. Alles Seiende hat ein Gesicht, selbst der leblose Stein. Die Offenbarung der Dinge aber, welche mehr Angelegenheit des Gefühls als des Intellekts ist, erzeugen in mir die Intuition, die mich mit fanatischer Notwendigkeit zur Darstellung zwingen. Das Mittel ist für mich die Farbe, wie anderen der Ton.«

Don Quijote (1956)

»Don Quijote« (1956)


Fragmente aus

Der alte Mann und das Maar

Hubert Mayer

Es war in den letzten Jahren seines Lebens mit dem alten Mann vom Maar kaum mehr ein Gespräch, in dem er nicht aus tiefstem Inneren heraus seine Verachtung kundtat gegen das Zeitalter der Atombombe, die Jahreszeit, in der auch am Eifelhimmel sich verschlingende Kondensstreifen kampfsuchender Starfighter.

Es war, als wären eigens zu seiner Bestattung alle die seinem feindlichen Geist widerstrebenden Mechanismen unseres Zeitalters aufgestanden, als über dem kleinen Leichenzug, der aus dem Dorf den langen Weg zur Höhe des Totenmaares hinaufzog, fast unaufhörlich mit jaulenden Gekreische Düsenjäger den sonst vorfrühlingsklaren Eifelhimmel durchzuckten. Und, wenn wir schon, mit dem Geist des Verewigten denkend, Symbole sehen oder Zeichen der Zeit als solche deuten wollen: in dem Augenblick allerdings, wo die Dorfnachbarn aus Schalkenmehren Pitt Kreuzbergs Sarg durch die Enge der Friedhofstüre trugen, waren die bösen Geister aus Stahl und Feuer vom Himmel gewischt. Das einzige, was sich nach den Gebeten des Priesters und den Gedenkworten seiner Freunde über dem Grabe erhob, war das Rascheln der verdorrten Eschenblätter in den Bäumen über seinem Grab und schließlich der mutige Gesang einer Lerche, die siegesbewusst in den jetzt so friedlichen Himmel hinaufstieg.

An seinem offenen Grabe hatte Bildhauer Hannes Scherl aus Wittlich im Namen der Trierer Vereinigung von Künstlern dem Maler einen Abschiedsgruß gesprochen. »Er malte mit den Lichtfarben des ersten Schöpfungstages« sagte der Bildhauerfreund. »Aber er malte auch das Wetterleuchten und den Zorn der Natur im Gewitter«. »Er war still, groß, fromm und demütig«, schilderte er ihn, der so vielen nachwachsenden einer jüngeren Künstlergeneration Freund und Rater gewesen war. Einige dieser jüngsten und dieser außenseitigsten seiner Freunde, die nicht zur offiziellen Gilde der Professionellen gehören, die aber von dem demütigen und selbstlosen Pitt Kreuzberg, »weil sie Künstler sind«, anerkannt waren, standen ergriffen und dankbar am Grabe des alten Freundes. Für die ältere Generation der Maler in der Eifel sprach Curtius Schulten aus Blankenheim aus, was Pitt selbst so oft immer wieder bekannt hatte: »Wie glücklich Du warst, aus dieser großen Landschaft das zu machen was Du in Deinen Bildern über sie ausgesagt hast«. Schulten schilderte in seiner Freundschaftsansprache in die offene Gruft hinein Teile aus Kreuzbergs Leben, wie er, eine bekannte Erscheinung im Bann der Maardörfer, auf einem leichten, zweirädrigen Karren sein Malzeug hinter sich herziehend, durch die Landschaft zog und dann dort verweilte, wo er einen Winkel fand, den zu malen und zu zeichnen er wert hielt.


Fragment aus

Abschied von Pitt Kreuzberg

Josef Kreutzberg

Aus tiefer Gottgebundenheit setzte sich Pitt in seiner Kunst mit seiner Zeit und ihrem tragischen Hintergrund auseinander. Vor seinen Kreuzigungsbildern stockt der Atem. Sein Atombombenbild »Eine Stunde danach«, die schuldlose Qual der Contergankinder, die abgrundtiefe menschliche Verlassenheit und Verworfenheit sind Themen seines Pinsels, der mit Blut, Glut, Feuer und dem Aufruhr der Farben getränkt war. Daneben stehen Bilder der Freude und Heiterkeit: Landschaft, Stillleben, Bäume, Blumen und Fische, die unverfälschten Geschöpfe Gottes. Pitt Kreuzberg war die malende Hand Gottes, er war wie der See, an dem er lebte, von strahlender Reinheit und Bläue, wenn die Sonne darauf scheint, und bis ins Herz betrübt, wenn düstere Wolken darüber hängen.

Er war der Rufer im Streit und in der Zeit, und seine Stimme tönt nach seinem Tod noch lauter als je zuvor.

Vor wenigen Tagen wurde der große Mensch und Maler Pitt Kreuzberg auf dem Friedhof am Totenmaar, nahe dem Eingang der uralten Wallfahrtskirche, zur letzten Ruhe gebettet. Viele Künstlerfreunde, viele Verehrer gaben ihm das Ehrengeleit, Grabreden wurden gehalten und zahllose Kränze niedergelegt. Es war die Ehrfurcht vor dem großen Toten, die die Leidtragenden zwang, die Häupter zu neigen und die Augen zu senken. Es gibt eine Selbstdarstellung von Pitt Kreuzberg: Sein Leib, eingegraben in die Heimaterde, ragt sein Haupt wie eine Blüte zwischen Gräsern und Blumen ins Licht. Das ist Pitt Kreuzberg gewesen.

»Der dunkle Engel« (1954)

»Der dunkle Engel« (1954)


Das alte Weinhandelhaus, in dem Pitt Kreuzberg das Licht der Welt erblickte, hat stets das Interesse von Lichtbildern gefunden. Zur Zeit des Baubeginns hatte Georg Kreuzberg noch keine Quellen in Bad Neuenahr gefunden. Man lebte noch ausschließlich vom Weinbau. Der Erweiterungsbau um die Jahrhundertwende sah Pitt Kreuzberg in blühender Jugend. Der im Renaissancestil nachempfundene Treppenantritt mit dem Bilde des Dionysos stellt wahrscheinlich den Künstler ca. achtzehnjährig dar.

Das Haus hat Höhen und Tiefen erlebt. Hoffen wir, dass ihm eine glückliche Zukunft beschieden wird.

Als Gustav Täubert aus Dresden die Zeichnung schuf, war das Geburtshaus Pitt Kreuzbergs vorläufig das letzte Haus der Häuserzeile in der Wilhelmstraße


Literaturverzeichnis

Anonym
Rheinischer Künstleralmanach aus dem Jahr 1931 Rheinische Verlagsgesellschaft, Koblenz

Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler Kunst und Künstler im mittelrheinischen Raum Mittelrhein Verlag, Koblenz 1974

Ferring, N. L. Der Maler Pitt Kreuzberg aus Schalkenmehren Aus: Wir bergen die Ernte Verlag Heimatscholle, Trier 1959

Ferring, N. L. Die sieben silbernen Glocken Verlag Heimatscholle, Trier

Kreutzberg, J. Abschied von Pitt Kreuzberg Rheinzeitung

Lerch, H. Reichtum der Palette Das Werk des Malers Pitt Kreuzberg Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 1963

Mayer, H. Der alte Mann und das Maar Die Eifel 61. Jahrgang, Nr. 4-5 1966

Plachner, E. K. Begegnungen mit Pitt Kreuzberg Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 1968

»bäuerlich« (1956)

»bäuerlich« (1956)


Impressum

Herausgeber: Professor Dr. Bernhard Kreutzberg
mit Unterstützung der Kreissparkasse Ahrweiler
zur Ausstellung der ARE-Künstler-Gilde Ahrweiler vom 7. bis 28. Mai 1983
Gesamtherstellung: Warlich Druck und Verlagsges. m. b. H.
März 1984

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