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Ein Film über Pitt Kreuzberg

Der Maler und das Maar

Vorwort

Nach den wohlgelungenen Aktivitäten 1988, zum 100. Geburtstag des Künstlers, rückt Pitt Kreuzberg wieder in den allgemeinen Mittelpunkt: durch den Videofilm »Der Maler und das Maar«; ihn haben die Schülerarbeitsgemeinschaften »Durchblick«, Video-AG beim Geschwister-Scholl-Gymnasium und »RaDau«, Schülerradio beim Thomas-Morus-Gymnasium, produziert. Auf den siebten Video-Filmtagen Rheinland-Pfalz bekam der Film gleich zwei Preise, den ersten Preis und den Publikumspreis im Bereich »Schulische Produktionen«. Auf dieses Medienwerk unserer Schulen bin ich als Leiter der Schulbehörde ein wenig stolz. Ich gratuliere zu diesem großartigen Erfolg und danke allen herzlich, die hieran Anteil haben.

Ich freue mich sehr, dass der Film in einem Haus uraufgeführt wurde, in dem, wie man weiß, die Kultur und damit die Kunst hochgeschätzt wird: im Kreishaus in Daun. Das geschah am 29. Januar 1990 in einer Abendveranstaltung, zu der über zweihundert Gäste gekommen waren, so viele, dass der große Sitzungssaal sie beinahe nicht hätte fassen können. Dieser Besucherrekord gibt zum Denken Anlass. Nun sage mir bitte niemand, das Interesse an der Kunst, besonders an der der heimischen Künstler, sei in der Bevölkerung gering.

Bei diesem Sachverhalt bot es sich geradezu an, die an diesem denkwürdigen Abend gesammelten und präsentierten Informationen in einer Broschüre zu kleiden und sie dem Film beizugeben. Sie ist zweifellos eine nützliche Ergänzung der Literatur über Pitt Kreuzberg. Ich wünsche beiden - dem Film und dem Begleitheft - eine freudige Annahme durch unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Karl-Adorf Orth
Landrat des Kreises Daun

»Die Versuchung« (1954)

»Die Versuchung« (1954)


Uraufführung Film »Der Maler und das Maar«. Pitt Kreuzberg (1888-1966) am 29.01.1990 in der Kreisverwaltung Daun

Begrüßung und Einführung

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Abend gilt unserem Künstler Pitt Kreuzberg: Die Ehrerbietung gegenüber ihm und seiner Kunst hat schon mit der Musik begonnen. Der Kunstmaler war zeitlebens ein großer Verehrer des Tonkunstschöpfers der Klassik, Wolfgang Amadeus Mozart. Damit bekommen wir bereits einen ersten Einblick in die Seelenwelt des Malers. Ich danke dem Ensemble der Kreismusikschule - Fräulein Katja Kläs aus Waldkönigen und Herrn Harald Thome aus Hillesheim - ganz herzlich dafür, dass es den musikalischen Part dieser Veranstaltung übernommen hat.

Meine Damen und Herren, böse Zungen haben einmal behauptet, ich habe den Drang, »Landrat zu spielen«. Ich kann Ihnen jedoch guten Gewissens versichern: Das ist nicht wahr. Ganz abgesehen davon, dass Landrat zu sein, gewiss kein Spiel ist, stehe ich hier, weil mir aufgetragen wurde, zwei Dinge zu tun:

Zum einen hat mich mein Chef, Herr Landrat Orth, gebeten, ihn hier zu vertreten, weil sein Terminkalender es einfach nicht zulässt, bei uns zu sein, was er sehr bedauert. Deshalb darf ich Sie alle - im Namen des Landrats, aber auch im eigenen Namen - ganz herzlich begrüßen und willkommen heißen. Ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich Anteil nehmen an dieser Veranstaltung. Es ist nun schon das dritte Mal in zehn Tagen. dass wir ein »volles Haus« haben. Ich muss gestehen, dass Sie alle meine Erwartungen übertroffen haben. Das ist auch der Grund, weshalb ich Sie um Nachsicht bitte, dass ich nur wenige Gäste einzeln begrüßen kann.

Ich begrüße Frau Abgeordnete Linnerth. Ich freue mich, Frau Linnerth, dass Sie die Zeit gefunden haben, heute abend zu uns zu kommen.

Mein besonderer Gruß, den ich mit tiefem Dank verbinde, gilt denjenigen, die das Werk geschaffen haben, das uns heute abend präsentiert wird:

  • der Video-AG »Durchblick« des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Daun und
  • dem Schülerradio »RaDau« des Thomas-Morus-Gymnasiums Daun, an ihren Spitzen die Herren Malte Blümke und Siegfried Czernohorsky, die nachher noch zu Wort kommen werden.

Ich bin sehr gespannt auf den Film, die neue Geburt, die wir in diesem Kreissaal (»Kreissaal« mit rundem s!) zum ersten Mal sehen werden.

Ich verhehle nicht, dass ich als Vertreter der Schulbehörde auf diese großartige Leistung unserer Schulen stolz bin. Herr Landrat Orth hat sie beim Empfang der »Filmemacher« in diesem Saal hier - es war am 15. Dezember des vergangenen Jahres - bereits gewürdigt.

Es erfüllt mich mit großer Freude, dass Frau Lorenz, die Tochter Pitt Kreuzberg’s heute Abend zu uns gekommen ist. Liebe Frau Lorenz, Sie sind uns allen herzlich willkommen!

Mein Willkommensgruß gilt auch dem pädagogischen Leiter der »Volkshochschule für den Kreis Daun« - so heißt unsere neue Bildungseinrichtung -, Herrn Rektor Josef Schuhn, den ich in dieser Runde vorstellen möchte. Ich freue mich, sehr geehrter Herr Schuhn, dass wir in Ihnen als Mitveranstalter einen guten Mitstreiter gefunden haben.

Im kleinen Reigen meiner Einzelbegrüßungen will ich die Medien nennen. Sie haben sich immer als verlässliche Partner erwiesen, wenn es galt, hier im Kreishaus oder sonst wo im Kreis Kultur (...)

»Eislauf« (1954)

»Eislauf« (1954)

Meine zweite Aufgabe heute Abend: Man hat mich - so sagt man - als eine Art Hauptinitiator der »1988er Pit Kreuzberg-Aktivitäten« gebeten, einführende Worte zu Pitt Kreuzberg zu sagen, also sozusagen auf den Künstler einzustimmen. Und damit möchte ich nun beginnen.

Meine Damen und Herren, um die Eigenart des Menschen Pitt Kreuzberg etwas zu charakterisieren, möchte ich Ihnen zu Anfang eine kleine anekdotische Geschichte vorlesen:

Ein seltsamer Besucher

Es war in den Jahre der Drangsal, am Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Mangel an allen Lebensnotwendigen, war ein Zeichen der Zeit. Unten im Tal lag friedlich das Maardorf. Knirschig-glitzriger Schnee bedeckte das Land. Die Sonne schaute kraftlos drein. Fröhliche Kinder tummelten sich auf der dicken Eisfläche des Maarsees, ein buntes Bild, wie im Märchen. Das Freudengeschrei der vergnügten Kinderschar drang bis in das Künstleratelier in dem kleinen Haus am Ufer des Maares. Dort saß ein Maler - Pitt Kreuzberg - an seiner Staffelei. Das vor Tagen begonnene Werk wollte ihm partout nicht gelingen. Schuld daran waren seine vor Kälte erstarrten Hände, die Folge der verbrauchten knappen Holzvorräte. Die Amtsleute in der Bürgermeisterei waren bei der Verteilung der Bezugsscheine für den Winterbrand, vielleicht aus guten Gründen, arg knauserig gewesen. Die Holz- und Brikettszuteilung reichte gerade für den Küchenherd. Das Beheizen einer Künstlerwerkstatt war in den amtlichen Vorschriften nicht vorgesehen.

Pitt fror erbärmlich, am ganzen Körper. Sämtliche Glieder drohten ihm zu erstarren. Auch die Farbe, die er sich selbst angerührt hatte, dickte der Frost ein. Plötzlich begannen Pitt's helle Augen zu leuchten. Ihm schien der rettende Einfall gekommen. Hastig raffte er seine Malutensilien zusammen, packte sie auf sein Handwägelchen, zog sich eilends Stiefel, Wams und Schlapphut an und machte sich spornstreichs auf den Weg nach Daun. An dem großen Haus, einem Steinwurf vom Marktplatz entfernt, der Amtsbürgermeisterei, machte er halt, lud seine Sachen ab und trug sie unvermittelt ins Amtshaus hinein. Im Handumdrehen hatte er sich in einer ruhigen Ecke einen Arbeitsplatz eingerichtet. Dort war es mollig warm, und Pitt begann, sein Werk zu vollenden. Kaum dass er die ersten Pinselstriche getan hatte, hatte ihn auch schon der erste Amtsschreiber, ein blässlich aussehender Mann mit einem Bleistift hinter dem Ohr, entdeckt. Dieser rieb sich die Augen, denen er nicht mehr so recht zu trauen schien. Ihm stockte der Atem. Eine Amtsmiene aufzusetzen, das wollte ihm nicht glücken, so erschrocken war er.

Etwas hilflos schaute er drein, in gebührendem Abstand besah er sich den seltsamen Gast, der so tat, als sei er ein Kollege. Es dauerte eine Weile, bis der etwas bänglich wirkende Amtsschreiber sich gefasst hatte. Mit dem ungebetenen Besucher fertig zu werden, das traute er sich nun doch nicht zu. Lieber zog er es vor, den Vorfall seinem Chef, dem »Obersten Schreiber«, zu melden. Dieser fasste sich den Mut, den Malenden zur Rede zu stellen und ihn zu fragen, weswegen er aus dem Amtshaus eine Malstube zu machen gedächte. Pitt jedoch ließ sich nicht ins Bockshorn jagen, er würdigte den strengen Diener der Obrigkeit keines Blickes, malte ruhig weiter und antwortete beiläufig: »Weil es hier warm ist!«

Soweit also die Erzählung. Ich habe sie nicht erfunden, sondern ich habe sie nur aufgeschrieben nach dem mündlichen Bericht der Tochter des Künstlers, Frau Lorenz.

Paar vor einem Dorf (um 1920)

Paar vor einem Dorf (um 1920)

Liest man die einschlägige Literatur über Pitt Kreuzberg, so fällt auf, dass seine Geburts- und Sterbedaten häufig falsch verzeichnet sind. Und dabei ist nichts leichter, als in Standesamtsregistern nachzublättern, um die richtigen Daten festzustellen. Das habe ich getan.

Der Künstler, der Spross einer alten Kaufmannsfamilie, wurde am 30. Mai 1888 in Ahrweiler geboren. Dort verlebte er seine Kindheit, besuchte Schulen in Ahrweiler, Brühl und Münstereifel. Im Jahre 1907 ging er, unterstützt durch seinen Vater, nach Düsseldorf. Er wollte Maler werden. An der Düsseldorfer Kunstakademie blieb er bis 1911. Danach studierte er an der Kunstakademie in München. Diese verließ er schon 1913. Später verstehen wir warum. Das Akademische muss seiner Individualität zuwider gewesen sein. In einem Interview 1927 sagte er: »Mein Empfinden behauptet, dass Akademien ebensoviel hemmen wie fördern. Darum habe ich mich beizeiten ihrem Einfluss entzogen«.

Eben diese seine stark ausgeprägte Individualität macht ihn mir, den Menschen Pitt Kreuzberg, sympathisch. Dies vor allen Dingen deswegen, wenn man bedenkt, dass der Bewegungsraum für Individualisten in unserer Zeit eng geworden ist und - dem Himmel sei’s geklagt! - mehr und mehr eingeschränkt wird. Wer von uns könnte bestreiten, dass wir Menschen von Natur aus - gottlob - verschieden, stets und ständig versucht sind, dem gesellschaftlichen Anpassungszwang zu erliegen, weil dies bequem ist?

Gerade diese hervorragende Charaktereigenschaft - das Individualitätsstreben - kommt in den Kunstwerken Kreuzberg’s zum Ausdruck. Pitt Kreuzberg malte nicht so, wie es seine Zeitgenossen passte. Das zeigt die zweite Anekdote, die ich Ihnen in knappen Worten erzählen möchte:

Pitt Kreuzberg war einmal unterwegs mit seinem Malerfreund Peter Otten, den ich heute Abend besonders begrüße. Im Wald, oben bei der Altburg, machten Sie Rast und packten ihre Malutensilien aus. Pitt begann, einen stillen Waldweg zu zeichnen, an dem ein dicker Baum - eine kerzengerade Fichte - stand. Um das Vertikale nicht zu stark zu betonen, malte Pitt den Baum krumm. Zufällig kam der Revierförster des Weges. Verärgert besah er sich das Bild und mokierte dann, dass es nicht der Realität entspreche. Pitt versuchte, den diensteifrigen Forstmann über künstlerische Freiheit und malerische Dichtung zu belehren. Jedoch, von alledem wollte der Hüter des Forstes nichts wissen. Bereits von dannen ziehend, ereiferte er sich: »Herr Kreuzberg, merken Sie sich ein für allemal: In meinem ganzen Revier steht nicht so ein krummer Baum!«

Im Jahre 1913 war es, als Pitt Kreuzberg, jung verheiratet, in Schalkenmehren seine zweite Heimat fand. Bei früheren gemeinsamen Wanderungen mit seinem Vater hatte er seine Liebe für die Eifel entdeckt. Im Ersten Weltkrieg - von 1914 bis 1918 - war Pitt Soldat, an der Westfront und an der Ostfront. Von der allgemeinen vorherrschenden vaterländischen Begeisterung für den Krieg, so ist zu lesen, spürte man bei ihm nichts. Schwerkrank kam er aus dem Krieg zurück. Es dauerte lange, bis seine Frau ihn gesundpflegen konnte.

Die zwanziger Jahre waren auch für ihn Jahre der Not und Entbehrung. Hierunter litt er offenbar ungleich weniger wie mancher seiner Zeitgenossen. Denn seine Bescheidenheit entsprach seiner Lebenshaltung. Bezeichnend ist, was er damals sagte: »Ich gebe zu, dass die Not um die täglichen Dinge gerade mir ein nicht unbekannter Gast ist, aber sie wird mich nicht zwingen, meine Kunst zu einer öffentlichen Prostituierten zu degradieren.« Diese Geisteshaltung zwingt uns, so meine ich, hohen Respekt vor diesem unbestechlichen Manne ab. Herauszuheben ist, dass er gerade in diesen Notjahren seine künstlerische Reife erreichte. Diese »glückliche Zeit« dauerte bis Ende der vierziger Jahre. Es entstanden die großen Eifeldarstellungen und die Blumenbilder.

Die politischen Verhältnisse während der Zeit des Nationalsozialismus berührten den Künstler kaum. Weil er nicht national dachte, bekam er zuweilen Schwierigkeiten. Man drohte ihm, seine Kunst als »entartet« einzustufen.

Hierzu kann ich Ihnen ein eklatantes Beispiel nennen:

Seit Jahr und Tag hängt im Landratsbüro ein künstlerisch hervorragendes Ölgemälde, ein Winterbild. Pitt Kreuzberg hat es im Jahre 1937 im Auftrag der NSDAP (Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei) für das damalige HJ-Heim (Hitlerjugend) in Daun gemalt. Die Arbeit missfiel jedoch den Parteioberen, sie wurde als »entartet« zurückgewiesen. Hierüber war der damalige Dauner Landrat Dr. Wirtz offenbar nicht traurig. Ihm gefiel das Bild, und er ließ es 1940 in seinem Büro aufhängen.


»Fresser« (um 1955)

Politisches Denken machte sich bei Kreuzberg erst nach dem Zweiten Weltkrieg bemerkbar. Hierfür waren zwei Ereignisse maßgebend:

  • Der Abwurf der Atombombe auf Hiroschima und
  • die Wiederbewaffnung Deutschlands.

Dies blieb natürlich nicht ohne Folgen auf sein künstlerisches Schaffen. Es begann die Zeit der zweiten Experimentierphase, die Phase der Auflehnung und des Umbruchs.

Zu Beginn der 1950er Jahre geriet der Künstler in schwierige Lebenslagen:

  • Er erlitt einen Schlaganfall, von dem er sich allerdings wieder erholte.
  • Viel schlimmer jedoch war für ihn die unheilbare Krankheit seiner Ehefrau, verbunden mit einem längeren Siechtum und dem nachfolgenden Tod im Jahre 1958.

Während dieser Zeit, wie auch nach dem Tode seiner Frau, schuf er zahlreiche Bilder, die die Vergänglichkeit des Menschen zum Inhalt haben. Weltanschauliche, religiöse und politische Themen traten in den Vordergrund. Er malte unaufhörlich, mit einem ungeheuren Fleiß. Man kann sich kaum vorstellen, was aus jener Zeit berichtet wird. Pitt soll fast jeden Tag ein Bild gemalt haben:

Zu Sterben ging Pitt Kreuzberg für kurze Zeit zu seiner Tochter nach Bad Honnef. Dort schloß er, der nahezu 78-jährige, am 21. Februar 1966 für immer die Augen. Seinem Wunsch entsprechend, wurde er an einer ihm vertrauten Stätte begraben: auf dem Schalkenmehrener Pfarrfriedhof an der Weinfelder Kapelle.

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir bitte noch einige kurze Ausführungen zu dem Kunstschaffen und zu den Verdiensten des Malers, dem zu Ehren wir diesen Abend gestalten:

Zuweilen ist zu hören und zu lesen, Pitt Kreuzberg’s Lebenswerk habe ausschließlich der Eifellandschaft gegolten. Dies trifft nicht zu. Unstreitig ist allerdings, dass der Maler sein künstlerisches Schaffen zu einem großen Teil - vor allen Dingen währen seiner »guten Schaffensphase« - unserer Heimatlandschaft, der Landschaft der Vukaneifel, widmete. So konnte Landrat Martin Urbanus am offenen Grabe des Künstlers mit Fug und Recht behaupten, die Verdienste Kreuzbergs seien darin zu sehen, dass er die Landschaft in ihrer geschichtlichen Umgestaltung und Fortentwicklung festgehalten habe. Aspekte übrigens, die in unserer Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, weil die Achtung gegenüber den Schöpfungswerken - ob pflanzlichem, tierischem oder menschlichem Leben - mehr und mehr nachzulassen scheint. Ihn, Pitt Kreuzberg, deswegen als »Eifelmaler« zu bezeichnen, würde ihm und seiner Kunst nicht gerecht werden. So wollte er auch nicht genannt werden. Eher ließ er sich die Bezeichnung »Maler der Eifel« gefallen. Und das war auch ohne Zweifel, aber nicht nur. Viele andere Motive hat er gemalt und gezeichnet: figürliche Darstellungen, unzählige religiöse Bilder. Überhaupt, das göttliche Schöpfungswerk und die Sorge um seinen Bestand waren stets dominante Themen für den Künstler. Wahr ist, dass Pitt Kreuzberg in zahlreichen Bildern uns die schicksalhafte Verbindung von Mensch und Tier vor Augen führt und uns in seinen Werken immer wieder daran erinnert, dass wir Geschöpfe Gottes sind.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, mit einem Satz schließen aus einer Rede, die Dr. Josef Ruland, der Präsident der Europäischen Vereinigung Bildender Künstler aus Eifel und Ardennen, bei der Ausstellung, die die Kreisverwaltung Daun 1988 zum 100. Geburtstag des Künstlers, initiiert und konzipiert hat, hielt: »Ihr Vater und Ihr Landsmann, der in Ihrer Mitte beerdigt liegt, von der Erde zugedeckt, hat ein Kapitel »Malerei in der Eifel« geschrieben, wie niemand vor und neben ihm.«

Ich danke Ihnen, dass Sie mir geduldig zugehört haben.

Franz Josef Ferber
Leiter der Abteilung Schulen und Kultur bei der Kreisverwaltung Daun



Ein Künstler-Porträt in Video

Eine Rede, gehalten von Malte Blümke am Pitt-Kreuzberg-Abend in der Kreisverwaltung Daun, am 29.01.1990

Im Namen der Macher des Films »Der Maler und das Maar. Pitt Kreuzberg 1888-1966« darf ich Sie zu dem heutigen Kreuzberg-Abend recht herzlich begrüßen. Wir freuen uns natürlich über die große Resonanz, die unsere Einladung heute Abend gefunden hat, aber auch über die Wirkung, die der Pitt Kreuzberg Film hervorgebracht hat.

Sicherlich sind Ihre Erwartungen an einen Film, der bei den 7. Video-Film-Tagen Rheinland-Pfalz mit zwei ersten Preisen ausgezeichnet wurde, sehr hoch. Sie sollten Ihre Erwartungen jedoch eher etwas zurücknehmen, denn der Film ist kein kunsthistorischer Film. Er beansprucht auch nicht, die Wahrheit über Pitt Kreuzberg darzustellen, auch ist er keine professionelle Fernsehproduktion, sondern ein von Schülern und Lehrern, die sich für Pitt Kreuzberg interessieren, mit relativ einfachen Mitteln hergestellter Film.

Bevor Sie jetzt enttäuscht nach Hause gehen, lassen Sie mich kurz unsere Vorstellungen und deren Umsetzung im Film darstellen.

Rehe (1955)

ohne Titel (1955)

Ausgangspunkt war die große Pitt Kreuzberg-Ausstellung 1988 in Daun. Damals hatte das Schülerradio »RaDau« vom Thomas-Morus-Gymnasium einen Hörfunkbeitrag zu Pitt Kreuzberg erstellt. Obwohl dieser Beitrag gut recherchiert war, stieß er an die Grenzen des Mediums »Hörfunk«. Denn es ist schwer, wenn nicht unmöglich, einen Maler ausschließlich durch das Wort darzustellen. Hier begann die Zusammenarbeit mit der Video- und Film-Arbeitsgemeinschaft »Durchblick« des Geschwister-Scholl-Gymnasiums, die seit Jahren aktive Filmarbeit betrieb. Beide Arbeitsgemeinschaften ergänzen sich, indem Bild und Ton in einer gelungenen Symbiose zusammenkommen. Auch menschlich hat sich das Filmteam in der rund einjährigen Arbeit gut verstanden. Zum Team gehören: Markus Maurer, Cornelia Weinzheimer, Gabi Haferkamp, Dominik Scheid, Melanie Sicken, und natürlich Siegfried Czernohorsky, der sehr viel Medienerfahrung und Stehvermögen in das Projekt eingebracht hat.

Zu Beginn der Filmarbeiten stellten sich uns folgende Fragen:

  • Wieweit ist Pitt Kreuzberg, der seit 1913 in seiner Wahlheimat Schalkenmehren am Maar lebte, von der Eifellandschaft geprägt?
  • Welche Zusammenhänge gibt es zwischen dem Werk Pitt Kreuzbergs und dem Expressionismus und den postexpressionistischen Strömungen?
  • Mit welchen zeitgeschichtlichen und religiösen Fragen setzte sich Pitt Kreuzberg auseinander?
  • Wie sah Pitt Kreuzberg seine Mitmenschen und wie sehen diese Pitt Kreuzberg?

Die Fragen nach dem Wesen und Werk Pitt Kreuzbergs sucht der Film so zu erfassen und darzustellen:

Zeitzeugen werden interviewt - der Freund und Maler Peter Otten aus Mehren, der Nachbar und Vertraute Herr Haupenthal aus Schalkenmehren und der Galerist Herr Boht aus Nahstätten im Taunus. Rund 100 Originalbilder aus Privatbesitz, aus Museen und von der Ausstellung in Nahstätten werden gezeigt, allerdings in Auswahl, denn die Fülle der Arbeiten von Pitt Kreuzberg, die meist im privaten Besitz sehr weit verstreut sind, konnte und sollte in dem Film nicht dargestellt werden. Die Vulkaneifel wird als Lebensort des Künstlers vorgestellt.

Wanderer im Gebirge (1955)

Wanderer im Gebirge (1955)

Zwischen der Kulturlandschaft »Vulkaneifel«, die fast ausschließlich Gegenstand der Kreuzberg-Bilder ist, und dem bildnerischen Werk wird ein enger Bezug hergestellt. Der Film ist überwiegend - so wird er von uns auch gesehen und so wurde er von der Jury bei den Video-Film-Tagen auch eingestuft - ein Dokumentarfilm.

Er zeigt die Bilder, die Lebensorte Pitt Kreuzbergs, die Eifellandschaft heute und präsentiert Interviews mit Zeitzeugen. Er ist damit auch ein Stück Dokumentation für die Zukunft, denn viele Quellen werden in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen.

Der Film ist aber mehr als nur eine bloße Dokumentation für das Archiv. Denn ein Film ist immer Ausdruck der Vorstellungen derjenigen, die den Film gemacht haben. So haben wir uns ein Bild von Pitt Kreuzberg gemacht; dieses Bild unterscheidet sich deutlich von der vorherrschenden Meinung von Pitt Kreuzberg als einem Eifelmaler, der nur die Idylle in konventionellem Stil darstellen möchte.

Mit den Portraits, den Darstellungen von Menschen und Tieren der Eifel und den späteren ekstatischen, expressiven Werken soll eine neue Sichtweise eröffnet werden. Die Musik von W. A. Mozart, die Kreuzberg liebte, und die poetischen Texte von Trakl und Andres betonen diese Bildaussagen.

Heute Abend erleben Sie tatsächlich eine Premiere. Denn wir haben den ursprünglichen Kreuzberg-Film in einem professionellen Fernsehstudio noch einmal überarbeitet. Für die unter Ihnen, die technisch interessiert sind: Der Film wurde auf ein U-Matic Hight Band übertragen und dann geschnitten, wobei die Kreuzberg-Bilder mit Standbild reproduziert wurden und damit ihre Brillanz erhielten. Von diesem Video-Band werden wir auch Kassetten für den Privatgebrauch herstellen.

Von dem heutigen Kreuzberg-Abend werden wir eine Dokumentation erstellen, die auch über 100 Kreuzberg-Bilder der Sammlung Rau vorstellt. Diese Bilder aus allen Schaffensperioden Pitt Kreuzbergs wurde bisher der Öffentlichkeit nicht gezeigt. Der neue Kreuzberg-Dokumentarfilm wird auch ein Tonbandprotokoll eines Interviews enthalten, das Hans P. Petri im April 1958 mit Pitt Kreuzberg in Schalkenmehren führte.

Lassen Sie mich zum Schluss zwei Wünsche äußern:

  1. Möge der Film viele junge Leute anregen, sich mit dem Medium Film kreativ auseinanderzusetzen. Am besten könnte dies in einem Medienzentrum des Kreises Daun mit entsprechender Ausstattung und fachlichem Rat geschehen.
  2. Der Film möchte das Werk Pitt Kreuzbergs einer größeren Öffentlichkeit vorstellen. Viel besser könnte dies geschehen in einem Pitt Kreuzberg-Museum, das natürlich in seiner Wahlheimat Schalkenmehren eingerichtet werden sollte. Dies sollte möglichst bald erfolgen, denn in Zukunft wird man die Bilder von Pitt Kreuzberg kaum noch bezahlen können.

Skizze einer auf einem Stein sitzenden Frau I (um 1917)


Ein Gespräch mit Pitt Kreuzberg

geführt von Hans P. Petri
April 1958
redaktionelle Bearbeitung:
Malte Blümke / Siegfried Czernohorsky / Gabi Haferkamp

Petri: ... Da Sie nun am 30. des nächsten Monats Ihr 70. Lebensjahr vollenden, würde es sicherlich auch berechtigt sein, einmal von mir aus nach Ihrem Werk zu fragen.
Aber schließlich wäre dieses Werk nicht, wenn Sie, der Künstler nicht wären. Dürfte ich Sie bitten, mir einen kurzen Rückblick über Ihr Leben zu geben und die wichtigsten Stationen desselben mir zu erzählen. ...

Kreuzberg: Ja, geboren in Ahrweiler 1888 im Mai, am 30. Mai natürlich, und in der Kleinstadt aufgewachsen. Der Vater war selbst immer sehr künstlerisch interessiert. So wurde mir sehr früh die Kunst nahe gebracht. Nachdem ich mich auf dem Gymnasium allerhand Jahre rumgequält habe, ohne Lust - ein schlechter Schüler war - bin ich zur Akademie. Ohne meinen Vater zu fragen, habe ich mich angemeldet und bin auch angenommen worden, worüber mein alter Herr damals sehr glücklich war. Aber auch das hielt nicht lange an. Ich war nur ein Jahr da, da wurde mir gesagt, mein Talent reiche nicht aus, ich soll gehen. Und von dem Moment an bin ich Autodidakt.
Ich bin nach München gegangen, habe da für mich gearbeitet in aller Stille draußen mehr wie drinnen, fand bald einen Mäzen, der nicht sehr reich war, aber mir helfen konnte. Ich habe so ein paar Jahre in München gelebt. Ich bin dann ins Gebirge gegangen. (...) an die Tiroler Grenze. Ich habe da ein ganzes Jahr gelebt.
Zwischendurch habe ich geheiratet, was sehr gefährlich war, insofern, weil kein Geld vorhanden war, aber der Mäzen nahm absolut alles, was ich malte. Ich habe auch gute Kritiken gehabt, wurde z. B. im Kunstverein ausgestellt. ...
Dann sind wir 1913 in die Eifel. Da bin ich heute noch, ist meine Wahlheimat in Schalkenmehren und zwar, weil ich in aller Ruhe arbeiten wollte, weil ich ein Grübler bin. (...) Aber es war trotzdem immer beschwerlich, weil ich zu weit ab saß, infolgedessen auch keine Beziehungen bekam. Meine Sachen waren auch immer ein bisschen schwierig - nicht immer leicht zu erkennen.
Es mag auch eine Zeit gegeben haben, wo meine Bilder freudig waren, die Zeit der Blumenmalerei, was aber mehr ein Zurückgezogensein war, weil es ja eine Zeit gab, da war es gefährlich, so zu malen, wie man wollte.

Petri: (...) Wo sind denn in München damals, also in der Zeit des stillen Schaffens, als Sie so herumreisten als Künstler, von wo sind denn da die künstlerischen Impulse gekommen?

Kreuzberg: Durch die Pinakothek. Vor allem hat mich die Alte Pinakothek sehr interessiert, die Techniken dieser Bilder, man konnte ja in den Jahren täglich hingehen, es kostete ja nichts. Da hab ich fleißig studiert. Mich haben mal eine Zeit lang die, die man manierierte Maler nennt, beeindruckt. (...)

Petri: Aber direkt von künstlerischen Gruppen um 1910, die Kandinsky-Gruppe (...)

Kreuzberg: Nein, nein. Ich habe damals ganz unbewusst in München gelebt, und obschon diese Leute da waren, Carossa da war, und andere bekannte Leute damals da gelebt haben, sozusagen neben einem, man hat sich auch mal hier und da gesehen, aber man wusste nicht, wer es war. Rilke war zu der Zeit auch in München. (...) München war damals international, und das war das Schöne. In Schwabing konnte man frei und vor allem billig (...) von 30 Mark im Monat glänzend leben.

Petri: Sie sagten, dass Sie hierhin gekommen sind, vor allen Dingen, weil Sie hier die Landschaft faszinierte. (...)

Kreuzberg: Ich bin mit meinem Vater durch die Eifel gewandert als junger Mensch. Der ungeheure Rhythmus der Eifel hat mich angezogen, vor allem hier im vulkanischen Gebiet (...)

Petri: 1913 sind Sie hierhin gekommen,... Welche für Sie wichtigen Studienreisen haben Sie zu dieser Zeit übernommen?

Kreuzberg: Erst mal gar keine. Erst mal war die erste Studienreise im Krieg. Vier Jahre Soldat spielen müssen, guter Soldat, schlechter Soldat.
Dann nach dem Krieg saß man wieder ohne alles da... dann bin ich mal vorübergehend nach Düsseldorf - ohne Familie allerdings - gegangen, um da Verbindungen anzuknüpfen, da wurde ich mit dem Jungen Rheinland bekannt.
Also ich wollte ausstellen (...)
Die damals in Düsseldorf in Kunst etwas zu sagen hatten, der Kunstverein, denen war ich zu frei, und das wollten sie nicht ausstellen. Da bin ich eben zum Jungen Rheinland rüber und die haben es getan. Das war (...) meine erste Ausstellung (...) Dann habe ich 1930 eine Kollektivausstellung gehabt in der Kunsthalle. (...)

Petri: Welche Ausstellung hat Ihnen am meisten gegeben? Wodurch sind Sie am breitesten bekannt geworden?

Kreuzberg: Durch gar keine ...

ohne Titel (1956)

ohne Titel (1956)

Petri: Also wurden Ihre Bilder dadurch bekannt, dass Sie verkauft haben?

Kreuzberg: Durch den Privatbesuch, also durch die, die kamen, um tatsächlich zu sehen, was ich auszusagen hatte. ...

Petri: ... Wenn sie zurückblicken, woher haben sich die Käufer Ihrer Bilder rekrutiert?

Kreuzberg: ... Aus dem Mittelstand - auch die Akademiker. Aber es ist nur sehr einzeln gewesen, nicht dass es zu wenig war, sondern ... meine Bilder verkaufen sich schwerer. Es ist nicht so leicht, weil sie etwas ganz bestimmtes aussagen, meistens etwas Unbequemes, und auch nicht ästhetisieren wollen, infolgedessen auch in keinen Kreis reinpassen. ...

Petri: Wenn man nun die frühen Bilder der zwanziger Jahre von Ihnen sieht, möchte ich sagen, dass ihre Thematik doch vorwiegend um die kleinen unscheinbaren Dinge der Natur kreist und erst später am Ende der zwanziger Jahre die große Landschaft in Erscheinung tritt. z.B. die Eifellandschaft, ...?

Kreuzberg: Es war einfach ein Weg der Entwicklung. Man ist erst zaghaft und geht an die kleinen Dinge und bleibt bescheide.
Dazu kommen Begebnisse des Lebens, die waren ja nun für unsere Generation nicht gerade die leichtesten. Zwei Kriege, Zwischenzeiten, die sehr schlimm waren, die politisch auseinandersetzende Revolutionsjahre waren. Diese Erlebnisse spielten natürlich eine große Rolle in dem Thema, das man nun anfasst. Man wollte ja helfen.
Ich übe den Beruf des Malers nicht nur der schönen Malerei wegen aus, sondern der Künstler hat Pflichten dem Volk gegenüber, überhaupt genau wie ein Schriftsteller, der seine Erlebnisse hat und sie so bringen muss, sie neu schaffen muss, damit sie Inhalt bekommen für den Beschauer.

Petri: Welche Pflichten, welche Inhalte sollten gerade diese Naturbilder ausdrücken? ...

Kreuzberg: Sie sollten zurückführen auf das Einfache, nicht auf das Komplizierte, oder das so genannte Schöne, was sehr leicht an Kitsch herankommt.
Ein Stein, ein Stückchen Erde, eine Krume, oder ein Stückchen Brot, oder wie man’s nennen will, ist eine wichtige Tatsache des Lebens und des Daseins überhaupt, was genauso gut gemalt werden kann. Man sieht es ja auch an den Franzosen, Braque usw., denen war auch ein Hering nicht zu dumm zum Malen. Welche schönen Dinge hat er daraus gemacht!
... Aus diesem Einfachen, dem Mikrokosmos entwickelt sich das Große, der Makrokosmos, um nicht überheblich zu sein, nicht das Weltall, obwohl das einen ja auch enorm interessiert, besonders heute, wo es aufgeschlossen wird. Dadurch kommen auch in meine heutigen Bilder sehr gefährliche Themen. ... das ist die Atomeinwirkung, das sind die radioaktiven Strahlen, vor denen ja selbst von vielen Gelehrten gewarnt wird. Dies möchte ich erfassen ... vorausschauend

Petri: Ich glaube, dass Ihre Bilder das hatten, auch schon von 1930, als Sie schon im Kaktus oder dem einzelnen Baum das darstellen wollten.

Kreuzberg: Ich versuche immer, die Naturkräfte sichtbar zu machen, also durch Formen, die auch manchmal komisch wirken müssen, aber immerhin, dadurch sind die Dinge lebhaft - lebendig - geworden - keine toten Gegenstände ...

Petri: Das Teuflische, das Gefährliche in der Natur führt das Thema wieder zu den Atomwaffen hin, dass der Mensch nicht Herr wird über sie.

Kreuzberg: Der Mensch hat immer wieder Dinge getan, über die er nicht Herr wurde. Er behauptet ja, und ist auch größenwahnsinnig genug, weiter zu behaupten, ich beherrsche es. Die Weltgeschichte hat aber von jeher bewiesen, dass er nie beherrscht hat, sondern beherrscht worden ist. ...

Petri: Ich meine, nach 1945 zeigt sich dann im Gegensatz dazu eine starke Hinwendung zum Tier. ...

Kreuzberg: Das Tier lebt ganz rein nach seiner Natur. Das tun wir ja schon ewig nicht mehr. Wir wollen ja die Natur verbessern, dadurch verschlechtern wir sie ja und machen sie uns feindlich. ...
Wir machen uns die Natur zum Fein, ... weil wir sie missbrauchen, wir nehmen ihr mehr weg, als uns zusteht. Wir geben ihr Gift, was wir absolut nicht dürfen. Wir sagen, wir bekämpfen dadurch Schädlinge. Wir machen diese Tiere immun. Wir bekämpfen sie nämlich in Wirklichkeit nicht. Nur töten wir dadurch auch noch Vögel und alle möglichen Tiere. Das ist ein Missbrauch, den wir treiben. Wir glauben, wir würden uns etwas Gutes tun. Ich bin der Meinung, dass wir es nicht tun, Im Gegensatz zu den anderen bin ich ja kein Fachmann, aber ich sehe das so. Das kommt denn in meinen Bildern auch so zum Ausdruck.

Petri: ... Bis 1950-52 finden Sie wenig Zugang zu der religiösen Problematik. Gerade in den letzten Jahre ist es mir sehr aufgefallen, dass Sie wirklich genuin Religiöses und Theologisches aufgreifen, ...

Kreuzberg: ... Warum ich überhaupt diese Themen berührt habe? Erstens, wühlen sie mein Inneres so sehr auf, weil ich in meinem ganzen - Leben mit Gott gerungen habe, um die Dinge so darzustellen, wie sie richtig sein sollen.
Zweitens, weil wir doch, das kann man ... ruhig sagen, weil wir in einem sehr lauen Zeitalter des Christentums leben. Das ist eben auch der Grund, warum ich mich berufen fühle, die Leute wieder wachzurütteln ... wie das Bild »Christus im Atomzeitalter« oder »Das Abendmahl«, wo selbst die Zwölf sich entsetzen, weil das Reich Gottes nicht auf diese Welt kommt.
Oder das andere kleinere Bild, ... »Der Verrat. Einer wird mich verraten«, wo ich versuche, Christus als Gott darzustellen, der da mit dem Abendmahl steht, so ist er auch kaum erkennbar, ...
oder die große Pieta, wo die Mütter ihre Kinder oder Männer auch als Leichen hinhalten hinter der Pieta. Wachrütteln ..., denn alle diese Dinge dürfen ja eigentlich nicht geschehen, die wir immer wieder geschehen lassen. ...
Meine Christusköpfe sind natürlich nicht sehr bequem, aber es ist auch so: Ich möchte bei diesen Darstellungen auch noch das ausdrücken: Es ist nun wirklich fast 10-15 Jahre genug, dass Menschenantlitze zerschlagen wurden. Damals hat man das Antlitz Christi als Gottes Sohn auch zerschlagen. Aber man hat davon nicht lernen wollen, sondern man hat weiter in das Menschenantlitz hineingeschlagen. Dadurch ist die Welt überhaupt schuldig geworden, auch an den vielen Verbrechen schuldig geworden. All diese Dinge beschäftigen mich so, dass ich sie darstellen muss. Irgendwie wird das überhaupt meine künftige Zeit, die ich noch leben darf, meine Aufgabe. Ich fühle wenigstens, dass sie dass ist, diese Dinge darzustellen, obschon sie abschrecken. Ich kann nichts dafür.
Wach machen und wach sein ... das ist die Aufgabe der Kunst heute und in den verflossenen Jahrzehnten und meinetwegen auch im Osten, wo sie vergewaltigt wird, um irgendeinem politischen Zweck zu dienen. Aber auch bei uns besteht die Gefahr, l’art pour l’art, Kunst der Kunst wegen. Das ist nicht immer richtig, so schön es sein kann, ... es erzieht zu einem Ästhetizismus, der nachher zu einem Snobismus wird ...

Petri: Von dem überhaupt keine Kraft ausgeht ...

Kreuzberg: Es ist auch die Gefahr des Intellektualismus, daran geht vieles zugrunde. Alles Geistige im Menschen muss daran zugrunde gehen, ...
Anklagen müssen wir. Es muss angeklagt werden ... immer wieder. ...
Wir sind doch Künstler, wie die Schauspieler, wie die Dichter, wie die Dramaturgen, ... die klagen ja auch an, es muss eben sein. Das müssen wir auch tun, es darf keine Bequemlichkeit sein. Auch nicht das schöne Antlitz eines modern eingerichteten Raumes, worin sich kein Mensch vielleicht wohlfühlt, weil er ihn sich nicht selbst gebaut hat, sondern hat bauen lassen, nur weil’s modern ist.

Petri: Wenn ich nun zum Schluss unseres Gesprächs zusammenfassen wollte, dann würde ich sagen, was sich auf das Rilke-Wort ausrichten ließe, dass Sie sagen wollten, »Du, Du als Betrachter, musst Dein Leben ändern!«

Kreuzberg: Ja, man könnte vielleicht sagen, zum Wahren ändern - zum wirklichen Leben stehen, nicht zu dem anderen.

Das Fräulein

Das Fräulein


Impressum

Herausgeber: Kreisverwaltung Daun
Durchblick RaDau
Redaktion: Malte Blümke
Siegfried Czernohorsky
Franz Josef Ferber
Gabi Haferkamp
Lay-Out: Siegfried Czernohorsky
Franz Josef Ferber
Bilder: Franz Josef Ferber
Peter Otten
Sammlung Rau
Juni 1990

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