Der neue Weg der Kunst zum Volk

Ausstellung des NS.-Gemeinschaftswerks »Kunst und Künstler« in Mayen

von Otto Klein

Darüber besteht nicht erst seit 1933 bei allen Einsichtigen Klarheit, daß die Kunst wieder zum Volk und das Volk wieder zur Kunst kommen müsse, wenn sie wieder lebendig und ursprünglich werden wollte. Aber das ist ja gerade das Erstaunliche an dem Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus, daß er nicht nur alle Gebiete des menschlichen Lebens und Geistes ganz und gar mit sich selbst zu durchdringen versucht, sondern eine völlige Wandlung auf all diesen Gebieten in der Tat auch in Gang bringt und zu Ende führt, und zwar eine Wandlung, die das übersteigerte und künstlich Komplizierte wieder auf sein natürliches Maß zurückführt, alle blutleeren Kunstblumen vom Markt der denkspielerischen Eitelkeiten hinwegfegt und den gesunden Nährboden einer natürlichen, selbstverständlichen, vom Urstrom des Lebendigen gesättigten Kultur wieder aufpflügt, einer Kultur, die nicht mehr nur Spiegel einer dekadenten geistigen Oberschicht, sondern der Herzschlag unseres ganzen Volkstums ist.

 

Heft »Der Grenzgau Koblenz - Trier«

 

Über 200 Maler und Bildhauer aus dem ganzen Reich erlebten und gestalteten die Schönheit unseres Westmarkgaues

 

So ist auf dem Gebiet der bildenden Kunst seit dem Jahre 1933 alles in Bewegung geraten, um wieder einer natürlichen, organischen und sinnvollen Ordnung auch im metaphysischen Sinne zugeführt zu werden. Zunächst waren es die neuen Inhalte, vor die die deutschen Künstler gestellt wurden und mit denen sie sich noch immer auseinandersetzen, ja auch auseinandersetzen sollen. Eine große Zeit stellt auch dem Künstler große Aufgaben. Dann aber setzte unter den künstlerisch Schaffenden auch ein stiller, leidenschaftlicher Kampf um ästhetische Auffassungen und Dogmen ein, ein Ringen, das zweifellos für die Entwicklung der Kunst fruchtbar sein wird, zumal dafür Sorge getragen worden ist, daß sowohl von Dilettanten, die den Begriff Kunstbolschewismus als Wurfgeschoß gegen jede bessere Leistung mißbrauchen, wie von unfähigen Kritikern keine gewalttätige Eingriffe in diese Entwicklung mehr gemacht werden können. Im Schatten dieser allgemeinen und ideologischen Neuwerdung unserer Kunst aber gewann auch das Wort »Auftrag« für den Künstler wieder Bedeutung, und eine Reihe von Verordnungen des Präsidenten der neugeschaffenen Reichskulturkammer, Reisminister Dr. Goebbels, haben in geradezu vorbildlicher Weise die Grundlagen für die Heranziehung der bildenden Künste bei der Ausführung öffentlicher Bauvorhaben geschaffen. So wurden die Künstler auch technisch vor neue Aufgaben gestellt, vor Aufgaben, die sie aus der Ich-Befangenheit ihres einsamen Ateliers herauslösen und mit der Gestaltung großer, für die Öffentlichkeit bestimmter Kunstwerke wieder mit dem Menschen und damit auch dem Volke in innere Beziehung setzte. Es ging dabei keineswegs um eine Diffamierung des Staffeleibildes, denn auch dieses hat innerhalb unseres kulturellen Neuaufbaus seine ganz besondere Mission, es ging um die Wiedereinordnung der seit der Renaissance immer mehr abgesonderten Existenz des Künstlers in die Gemeinschaft des Volkes, dem es bluts- und artgemäß zuhört. War erst der Künstler wieder mit seinem ganzen Sein und Schaffen eingebettet in die Gemeinschaft des ganzen Volkes, dann hatte auch das Volk wieder hingefunden zum Künstler, denn eine große Sehnsucht zur Kunst lebte zu allen Zeiten in diesem unserem Volke.

Einen eigenen, man darf sagen glücklichen Weg hat das vom Kreise Mayen unter Führung des Kreisleiters der NSDAP., Landrat Heiliger, geschaffene »NS.-Gemeinschaftswerk Kunst und Künstler« während des Sommers 1936 beschritten, indem es über 50 Maler in den Kreis Mayen einlud und ihnen die Möglichkeit gab, je vier Wochen lang sorglos und ungehemmt schaffen zu können. An der Verwirklichung dieses Gemeinschaftswerkes haben sich alle Kreise der Bevölkerung durch Stiftung von Geldmitteln oder durch Bereitstellung von Freiquartieren für die Künstler beteiligt.

 

Der Rundfunkt berichtet von dem ersten großen Gemeinschaftswerk in Mayen
Gemälde auf dem Foto: Fritz Schröder, Hufe - »Schieferabbau« (Ölgemälde)
Pitt Kreuzberg, Schalkenmehren - »Grubenfeld« (Ölgemälde)

 

Das Ergebnis des Sommers hatte man in einer Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Schirmherrschaft über diese Ausstellung hatte der Gauleiter der NSDAP. des Gaues Koblenz-Trier-Birkenfeld, Staatsrat Gustav Simon, übernommen. In seiner Begrüßungsansprache, in der er u. a. den Vertreter des Oberpräsidenten, des Landeshauptmanns, der Regierung, der Bewegung, der Wirtschaft und der Verwaltung willkommen hieß, betonte Landrat Heiliger u. a., daß dieses Ergebnis des Gemeinschaftswerkes Kunst und Künstler in Mayen nur möglich gewesen sei unter der Voraussetzung, daß alle beteiligten Kräfte harmonisch zusammenwirkten, um von vornherein die ideellen und materialen Grundlagen für das Gelingen des Vorhabens zu schaffen. Er richtete daher besonders herzlichen Dank an die Quartiergeber und an die Künstler, die alle Erwartungen erfüllt hätten. Im Namen der Künstler richtete dann der Maler Karl Cohnen aus M. Gladbach herzliche Dankesworte an alle, die den Künstlern dieses wundervolle Erlebnis wahrer Gemeinschaft gegeben hätten und ihnen die Möglichkeit verschafft hätten, vier Wochen lang im Kreise Mayen schaffen zu können. Zum Schluß sprach Gauleiter Staatsrat Simon. Er zeigte, wie der Nationalsozialismus dem deutschen Volk nicht nur wirtschaftlich und militärisch neuen Auftrieb gegeben habe, sondern dem deutschen Menschen auch einen neuen Glauben und dem deutschen Volke wieder neue Werte der Religion und der Kunst gegeben hat. Das Gemeinschaftswerk Kunst und Künstler im Kreise Mayen sei der einzigartige Ausdruck des nationalsozialistischen Gemeinschaftslebens.

Das also ist hier das Entscheidende, daß es hier zunächst nicht um formale oder abstrakte Werte ging, auch nicht um die theoretische Verkürzung eines neuen Stiles, sondern um eine Kundgebung des Gemeinschaftswillens des deutschen Volkes, der auch den deutschen Künstler mitumfaßt und ihn nicht erbarmungslos draußen außerhalb der Gemeinschaft läßt. Auch er soll sich von ihr getragen und gestützt fühlen, auch er soll sich wieder als ein lebendiges Glied des ganzen Volkskörpers fühlen. Dazu aber hatte sich eine ganze deutsche Landschaft aufgemacht, um den Künstlern dieses Erlebnis noch einmal besonders eindringlich zuteil werden zu lassen. Ein wesentliches Merkmal des Mayener Kreises ist die Steinindustrie, die Gewinnung und Verwertung von Basaltlava, Bims, Schiefer, Traß- und Tuffstein. Wie sehr das Bild der Landschaft im Umkreis gerade von dieser Steinindustrie bestimmt wird, bewies die Ausstellung des Gemeinschaftswerkes. Da fesselten vor allem die Arbeiten der von Professor Burger geleiteten Mayener Steinmetzschule. Die Gesteinsarten des Mayener Gebiets, insbesondere Basaltlava und Tuff, können nämlich sowohl gesägt wie geschliffen, scharriert, gespitzt und boffiert werden, sind also auf der Oberfläche auf mannigfaltige Weise zu behandeln, so dass diese deutschen Gesteinsarten gut an die Stelle des ausländischen Granits treten können. Sehr reizvoll sind die von der Mayener Steinmetzschule geschaffenen Reiseandenken aus bodenständigen Abfallprodukten, wie Schiefer und Basalt, Stadtbilder von Mayen in mittelalterlicher Zeichnung auf ein kleines Schiefertäfelchen oder ein flaches Stück Basaltplatte geritzt, wobei sich vor allem die spiegelglatten, in Tönung, Maserung und Glanz dem ausländischen Granit durchaus nahekommende Basaltplatte als ein hervorragendes bildhauerisches Material erweist. Auch die in der Form von Flachreliefs farbig gestalteten Grabdenkmäler der Steinmetzschule Professor Burgers sind packende Zeugnisse einer wiederbelebten alten Volkskunst.

 

 

Aber auch in den ausgestellten Gemälden, Aquarellen und Grafiken sah man immer wieder in das Antlitz des Kreises der Steine und Erden. Bilder von Basaltgruppen, Steinlagern, Tuffsteinbrüchen, einen Schieferbergbau, Bildnisse von Steinbrucharbeitern und Steinmeistern, Steinbrecher bei der Arbeit und vieles andere mehr. Immer wieder trat dem Besucher der Ausstellung der Stein in seinen verschiedenen Formen als Wesenselement der Mayener Landschaft entgegen. So hat der Düsseldorfer Künstler Rudolf Kaster in einer packenden Radierung das Wahrzeichen des Kreises Mayen, eine Basaltgrube mit eigenartig turmähnlichen Felseinschnitten, gekrönt von einem Hebekranwerk, gestaltet. K. H. G. Radler aus Hannover-Süd malte vor allem die feinen Licht- und Farbenstimmungen, die in den Abendstunden um die Tuffsteingruben weben, während Gustav Adolf Zogbaum aus Koblenz in Gemälden und Rötelzeichnungen sich vor allem dem arbeitenden Menschen in diesen verschiedenartigen Steinbrüchen zugewandt und sie in ihrer schicksalmäßigen Verbundenheit zur Darstellung gebracht hat. Besonders packend und künstlerisch hat der Wuppertaler Maler Curtius Schulten das Land der Steine und Erden gestaltet, so einen Blick von oben in den Tuffsteinbruch von Weibern mit seinen bizarren geologischen Schründen. Vor allem aber die drei Arbeiterbildnisse der Firma Tubag, drei psychologisch treffliche und lebensnahe Bildnisse von Steinarbeitern, wie sie nur dort in Mayen anzutreffen sind. In breiter Pinseltechnik und flächiger Manier malte Hyazinthe Clemens aus Koblenz einen Ausschnitt aus einer Basaltlavagrube, mit einem feinen Empfinden für malerische Tonstufungen malte dagegen der Kölner Leo Primavesi eine alte Steinwinde, Pitt Kreuzberg von Schalkenmehren schilderte in seinem Gemälde »Grubenfeld« indessen mehr die allgemeine Erdbewegung, die Vielzahl der Hügel und Bergzüge in einer summarischen Farbigkeit, und Fritz Schröder, Hufe, erfreute sich vor allem an dem Spiegel des Lichtes über dem Graublau einer Schiefergrube. Aber nicht ur dieser industriellen Seite der Mayener Landschaft haben sich die Künstler zugewandt, sondern auch der reinen Naturlandschaft mit ihren mannigfachen Schönheiten, den um einen burggekrönten Berg sich emporschachtelnden Häusern eines Dorfes oder ins Moseltal mit seinen grünen Weinbergen. So, nur als malerisches Bildmotiv, hat Professor Ahlers-Hestermann (Köln) eine alte Traßgrube bei Kruft gemalt, aufblühend zart in Grün, Blau und Weiß wie ein Aquarell. So gestaltete Otto Heinrich (Potsdam) den Blick über die Dächer von Mayen mit der Burg auf dem Berggipfel. Von romanischer Innigkeit die »Kartoffelernte bei Burgbrohl« des Berlin-Friedenauer Malers Otto Polus, und nicht minder von echter Eifelstimmung erfüllt das fast ganz aus Schiefergrau herauskommende Motiv aus »Kirchesch« von Reinhold Dieffenbacher (Charlottenburg). Von Barthel Gilles (Köln) sah man außer einigen frisch und unbekümmert gemalten Eifelmenschen u. a. ein »Ochsengespann im Eltztal«, das durch die feine räumliche Komposition bemerkenswert ist.

Zum Schluß sei noch hingewiesen auf eine Arbeit von Wilhelm Geißler, eine ganz in transparentem Grün ausgeführte Abendstimmung an der Gondorfer Fähre, die den Blick des Ausstellungsbesuchers besonders fesselte und anzog. Ungemein eigenartig in der eigenwilligen perspektivischen Schau ist das Motiv aus Monreal mit dem geschwungenen Fachwerkeckhaus an der Brücke, ein Gemälde des M. Gladbachers Karl Cohnen, zweifellos eine der schönsten Arbeiten der Ausstellung. Daß er auch gute Bildnisse schaffen kann, bezeugt sein Porträt des Landrats Heiliger. Richard Pahlke (Charlottenburg) war mit einer farbig verzaubernden Landschaft »Wassenach am Laacher See«, Rolf C. W. Balsam (Mainz) mit dem Bild eines mähenden Bauern in der Pellenz, Henrik Moor (Fürstenfeldbruck) mit einer Rheinlandschaft bei Andernach, Josef Kronenberg (Köln) mit einem Blick über Ackerfelder auf dem Maifeld, Roland Niederbühl (Stuttgart) mit einem Blick ins Moseltal bei Lehmen und Rudolf Mertens aus Münstermaifeld mit einer Radierung »Münstermaifeld« und einem köstlichen Aquarell »Herbst auf dem Maifeld« vertreten. Es ist unmöglich, auf jedes einzelne der 236 ausgestellten Bilder einzugehen, unter denen sich außer den bereits aufgeführten Arbeiten Kölner Künstler auch solche von Josef Viktor Drewes aus Köln-Bickendorf, Clemens Prüssen (Köln-Sülz), Adolf Praeger (Köln-Bayenthal), William Peschuel-Loesche (Köln-Thielenbruch), Leo Runkel (Köln-Lindenthal) und Bruno Scholz (Hermühlheim bei Köln) befanden, Arbeiten, die sich im Gesamtbild der Ausstellung als saubere, künstlerisch eigenwillige und handwerklich gekonnte Bildschöpfungen herausgehoben haben.

Kein neuer Stil, keine neue künstlerische Ausdrucksform wurde hier in dem Gemeinschaftswerk Kunst und Künstler gezüchtet, sondern dem neuen Gemeinschaftsgefühl desdeutschen Volkes wurde hier ein überwältigender Ausdruck gegeben, und es besteht kein Zweifel, daß das Erlebnis dieser Gemeinschaft in all den beteiligten Künstlern nachwirken und das Heraufkommen neuer künstlerischer Ausdrucksform fördern wird.

 

Stadt am Berg (Münstermaifeld)
Radierung von Rudolf Mertens

 

Der Erfolg des großen Gemeinschaftswerkes im Kreise Mayen veranlaßte Gauleiter Gustav Simon, die Durchführung der gleichen Aktion in diesem Jahre im Kreise Kreuznach anzuordnen. Unter Leitung von Kreisleiter Schmitt, Bad Kreuznach, wurde das zweite Gemeinschaftswerk »Kunst und Künstler« des Westmarkgaues Koblenz-Trier ins Leben gerufen. Über 200 Maler, Graphiker, Bildhauer und Kunstgewerbler aus dem ganzen Reich waren Gäste des Nahekreises. Partei und Reichskammer der bildenden Künste stellten ihre Organisationen wieder in den Dienst der Aktion. Bauern und Arbeiter spendeten ebenso wie bemittelte Volksgenossen erhebliche Geldmittel, boten Freiquartiere an und teilten ihren Mittagstisch mit ihren Gästen. So stand wie im Kreise Mayen die gesamte Bevölkerung des Nahekreises als Trägerin dieses Gemeinschaftswerks zusammen und sicherte den Erfolg. Frei und sorglos konnten die Künstler vier bis sechs Wochen im schönen Nahetal und auf den Abhängen des Hunsrücks schaffen, erlebten eine Landschaft, die, eingebettet in das Rheinstromgebiet, schicksalhaftes deutsches Geschehen sah. Sie warengehalten, die Landschaft, die industriellen Anlagen, wenn möglich das Gesicht der Bevölkerung, die Tier- und Pflanzenwelt des Kreises wiederzugeben. Dabei war nicht so ausschlaggebend das sogenannte »malerische Motiv«, etwa ein Bauernhof in spätimpressionistischer Manier, festzuhalten und eine früher als interessant anzusprechende Variation schöner Farbtöne erstehen zu lassen, sondern das Einmalige und Charakteristische von Land und Menschen auf die Leinwand zu bekommen. Es galt dem Aufbau und dem Wuchs der Landschaft nachzugehen, wodurch auch die Manier vom Impressionistischen zu einer gemalten Zeichnung allmählich sich verwandeln sollte.

Wie ehemals auch in Deutschland sich zuerst die Künstler vom traditionellen und figürlichen »Historienbild« abwandten und die deutsche Landschaft als eigenes Motiv festhielten, so sollten auch in dem Gemeinschaftswerk deutsche Künstler ein in dieser Landschaft allein gegebenes Motiv aufspüren und die Landschaft in des Wortes wahren Bedeutung erschließen.

So soll auch dieses Gemeinschaftswerk dem Volke das ihm Eigenartige durch die Kunst erhöhen und zu Heimatboden und Volkstum hinwenden um des Künstlers und um des Volkes willen.

Schon jetzt kann gesagt werden, daß auch die Ausstellung der künstlerischen Arbeiten dieses Gemeinschaftswerkes, die in der Kulturwoche 1937 eröffnet wird, uns der Lösung dieser Aufgabe nähergebracht hat. Sie wird die ersten Früchte der großen Zielsetzung dieser Aktion, Künstler und Volk wieder in ein lebendiges und ursprüngliches Verhältnis zueinander zu bringen, in erfreulicher Klarheit zeigen.


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