Der neue Weg der Kunst zum Volk

NS-Gemeinschaftswerk Kunst und Künstler
Kreis Mayen 1936

der Kreis der Steine und Erden, Regierungsbezirk Koblenz.

Schirmherr der Kunstausstellung:
Gauleiter der NSDAP des Hauses Koblenz-Trier-Birkenfeld
Staatsrat Gustav Simon

Herausgeber:
Kreisleiter der NSDAP, Landrat Heiliger, Mayen, Landratsamt - 1936

 

Deckblatt der Broschüre

 

Vorwort

Kunst und Künstler mit dem Volkstum und der Scholle der deutschen Erde in der Westmark des Reiches zu verbinden ist der Sinn des Gemeinschaftswerkes.
Die aus dieser schöpferischen Verbindung gewordenen Werke mögen Künder sein des Lebens von Landschaft und Menschen, die in heroischem Daseinskampf lebendes Bollwerk des Reiches sein und gestalten wollen.

Gustav Simon


Sinn und Zweck des Gemeinschaftswerkes

vom Kreisleiter der NSDAP und Landrat Heilinger

Mit dem Gemeinschaftswerk Kunst und Künstler haben wir an sich nichts anderes gewollt, als die Worte des Führers über die deutsche Kunst zu unserem Teil Tat werden zu lassen.

In einem wirtschaftlich schwer kämpfenden Kreise haben die Worte des Führers vielleicht mehr als sonst wo verstanden werden können, und zwar als der Führer sagte: »Gerade in einer Zeit wirtschaftlicher Nöte und sorgen ist es wichtig, allen Menschen klarzumachen, daß eine Nation auch noch höhere Aufgaben besitzt, als in gegenseitigem wirtschaftlichen Egoismus aufzugehen«.

Wir waren uns klar, daß der Bewegung, den Gemeinden und Gemeindeverbänden nach vielfachen Führerworten die Aufgabe gestellt war, an den Kulturaufgaben anregend mitzuwirken, oder noch besser, zu handeln. Es war uns anfangs dagegen durchaus unklar, in welcher Form wir einen positiven Beitrag leisten konnten. Erwägungen und Überlegungen mannigfacher Art ließen uns erkennen, daß, wollten wir einen wirklichen Beitrag zu unserem Teil leisten, wir aus Wunschgebilden auf den verschiedenen Gebieten der Kultur einen Teilausschnitt anfassen mußten, um zu einem positiven Ergebnis kommen zu können. Wir beschränkten uns daher auf den bedeutsamen Teilausschnitt der bildenden Kunst.

Wir konnten hierbei einem Beispiel des Kreises Groß-Gerau, Gau Hessen, folgen, welcher unseres Wissens als erster ein solches Gemeinschaftswerk durchgeführt hat. Für die kameradschaftliche Beratung auch an dieser Stelle zu danken, ist uns ein aufrichtiges Bedürfnis.

Wollten wir aber diese Kategorie von Künstlern fördern, so mußten wir ihnen in allererster Linie ganz fest umrissene Aufgaben stellen. Und wir haben den deutschen Künstlern, die zu uns gekommen sind, klare und eindeutige Aufgaben gestellt, Wir haben ihnen zum Ausdruck gebracht, daß wir nicht von ihnen erwarten, daß sie sofort nach ihrer Ankunft nun irgendwelche sogenannten Bildchen malen sollen, sondern haben ihnen erklärt, daß sich sich in der Eigenart unserer Landschaft und ihrer Bewohner umsehen, daß sie darum ringen sollen, Wesen der Landschaft und die Stille und spröde Art der Bevölkerung zu verstehen. Erst, wenn sie sich hier versenkt, somit die Voraussetzung zu wahrem Kunstschaffen erworben hätten und ihr Inneres sie dazu trieb, das Geschaute darzustellen, dann sollten sie zu Pinsel und Palette greifen. Daß dieser Weg und die daraus erwachsende gemeinsame Aufgabe den Künstlern zum Herzen sprach, wurde in einer überaus herzlichen Form von allen Beteiligten zum Ausdruck gebracht. Viele Künstler kamen, wenige aber gingen von uns und haben sicht nicht durchgerungen. Sie fanden sich in der herben Landschaft und dem etwas spröden Menschen nicht zurecht. Aber den meisten, so dürfen wir wohl mit Freude feststellen, hat sich das Herz des Eifelkreises voll und ganz erschlossen, und zahllose Bilder sind hierfür ein Beweis.

In zweiter Linie galt es, nach dem Willen des Führers die Kunst ins Volk zu tragen. Kunstgenuß sollte nicht mehr der Vorzug einer sogenannten »Gesellschaft« sein, sondern die Kunst sollte zum Erlebnis der Volksgemeinschaft werden. Und hier hat sich dieser Weg in einem Ausmaße bewährt, wie wir es selbst nicht erwartet haben. Vom Tage der Ankunft verband die Künstler durchweg ein herzliches Einvernehmen mit ihren Gastgebern und darüber hinaus mit den Dorfbewohnern. Ob Bauer, Arbeiter oder Wirtschaftler, sie alle nahmen den lebhaften Anteil an dem Kunstschaffen unserer Gäste, und manch begeistertes Künstlerwort über das tiefe Einfühlen in ihr Schaffen ist zu unserer Freude an uns gelangt. Eine verstehende Freundschaft wurde zwischen den Künstlern und den Volksgenossen angebahnt, welche früher oft der Kunst fremd gegenübergestanden haben. Indem wir den Künstler auf diese Weise mitten hinein in die Volksgemeinschaft stellten, haben wir gleichzeitig mit dazu beigetragen, ihn aus seiner manchmal vorhandenen Volksfremdheit zu lösen.

Als drittes kommt hinzu, daß wir durch unsere Kameradschaftsabende und durch die Art der Durchführung des Gemeinschaftswerkes die Künstler als Kameraden und Kampfgenossen zueinandergeführt haben. Verband sich doch die gemeinsame Aufgabe, unsere Landschaft und unsere Menschen im Bilde zu gestalten.

Ein viertes trat aber noch klar in das Tageslicht. Es ist so viel gesprochen und geschrieben worden, daß das Volk nicht von der Kunst verstehe. Diese Behauptung, welche in den Köpfen wirklichkeitsfremder Aestheten entstanden ist, wurde auch hier, wie in der Musik, schlagend widerlegt. Fast alle Künstler bestätigen uns, daß ein tiefer Kunstsinn im Volke vorhanden ist, daß er nur geweckt zu werden braucht. Wieviel Verständnis ist den Künstlern gezeigt worden, wie oft hat nicht gerade die Beobachtungsgabe des einfachen und unverbildeten Menschen sich durchaus klar, wenn auch in ungelenken Worten, geäußert!

Wir hoffen nach allem, was wir so erfahren haben, mit unserem Gemeinschaftswerk Kunst und Künstler des Kreises Mayen der deutschen Kunst und den deutschen Künstlern Neuland erobert zu haben. Es wird Sache des Künstlers bleiben müssen, die Stellung zu halten und zu wissen, daß er für die Gemeinschaft gestaltet und er nur dann Echtes und Volksnahes gestalten kann, wenn seine Werke wachsen aus den großen Gedanken der nationalsozialistischen Weltanschauung als der großen und tragenden Gemeinschaftsidee.

Die Durchführung des Gemeinschaftswerkes mit seinen mannigfachen Auswirkungen ist für uns alle ein Festtag gewesen; die Mitarbeit an diesem Werk hat uns oft die Sorgen und Nöte des Alltags vergessen lassen. Und wir sind stolz darauf, daß wir mit diesem Gemeinschaftswerk einen kleinen Beitrag zur Ausrichtung einer artgemäßen deutschen Kunst geleistet haben.

Auch dieses Werk konnte nur gelingen, wenn alle Kräfte sich harmonisch vereinten: Die Männer der Bewegung, der Wirtschaft, der Verwaltung und die Bevölkerung vor allen Dingen selbst.

Dieser Wille zu echter Gemeinschaftsarbeit wird hoffentlich seinen schönsten Lohn auch darin finden, daß wir unsere Heimat und unsere engeren Landsleute in echten Kunstwerken gestaltet finden, damit diese in anderen Gauen künden von der Schönheit und Eigenart unseres Eifelkreises Mayen und von der kerndeutschen Bevölkerung in der Westmark.


Der Künstler und das Gemeinschaftswerk

Als wir das Gemeinschaftswerk Kunst und Künstler ins Leben riefen, da war die große Unbekannte in unserer Rechnung die Frage nach der Einstellung des Künstlers zu einem solchen Unternehmen. War doch bisher die Kunst und der Künstler in immer größere Ferne vom gesamten Volksleben gerückt, war zu einer Angelegenheit einer kleinen Schicht von kunstbegeisterten und Aestheten, vor allem Menschen geworden, die die Kunst und das künstlerische Erlebnis nur vom Ich aus empfanden. Dementsprechend war der Künstler von den eigentlichen Quellen seiner Kraft - dem Volke - abgedrängt und dazu gebracht, seine Leistung und sein Werk nur von sich aus zu betrachten, es lediglich danach zu werten, ob es ihm die Verwirklichung seines Schaffensdranges darstellte, nicht aber, was der Volksgenosse dazu sage. So wurde die Kunst herausgelöst aus dem inneren Zusammenhang des gesamten Geschehens des Volkes. Die Kunst sei nur für die Kunst da, war das Schlagwort. So schwand das Verstehen zwischen Kunst und Volk, und die Kunst glaubte, ihres wahren Nährbodens, des Volkes, nicht zu bedürfen. Diese Auffassung brachte ein namenloses Elend über alle die Menschen, die ihre Lebensaufgabe in der Erfüllung eines inneren künstlerischen Auftrages sahen. Nur wenige Künstler, die das Glück hatten, einen Mäzen zu finden, wurden überhaupt öffentlich genannt und von der Kunstkritik nach der Laune des Geldgebers bewertet. Das Streben nach wahrer völkischen Kunst wurde erstickt. Die Künstler, die unter diesem System litten, weil sie verkannt und verlacht wurden, verkrochen sich in die stillen, trostlosen Ecken der Dachkammern ihrer Ateliers. Sie fanden von selbst nicht mehr den Weg, sie waren scheu geworden, und nur tastend versuchten sie im Staate Adolf Hitlers die Notwendigkeit ihres Daseins zu beweisen.

In dieser Situation der Kunst und der Künstler hinein kamen wir mit unserem Versuch, und die Antwort der Künstler, die sie uns daraufhin gaben, beweist so eindeutig, daß wir sie hier selber sprechen lassen wollen:

»Wie der Schauspieler die von ihm verkörperte Figur, der Dichter den von ihm geformten Gedankenstoff, so hat der bildende Künstler sein inneres Verständnis zu dem verarbeitenden Gegenstand in der Seele des Volksgenossen zu gleichem Erleben zu erwecken. Erst die Aufgabe, nicht nur selbst zu erleben, sondern dem Volke das Miterleben zu vermitteln, schafft den wahren Künstler und gewährt ihm das befreiende Gefühl, durch seine Kunst einer großen Gemeinschaftsaufgabe zu dienen.«

Wir stellen bewußt diese Worte eines Künstlers an den Anfang, gleichsam als Leitwort; denn damit wird schlagartig herausgestellt, daß es nur eines kleinen Aufrufes bedurfte, um die Künstler erkennen zu lassen, welches ihre Aufgabe in der deutschen Volksgemeinschaft ist.

»Als ich die Einladung zum Gemeinschaftswerk Kunst und Künstler erhielt, war ich zuerst überrascht über den kühnen Gedanken, ein solches Werk aufzubauen. Ich dachte an die Schwierigkeiten, die sichentgegenstellen würden. Die Kosten, die Auswahl der Künstler. Das ins Ungewisse hinein Tastende dieses Gedankens. Würde die Bevölkerung mitgehen? Würden wir Künstler auch nicht versagen? Nur Idealismus und Glauben konnten den Mut zu diesem Wagnis gegeben haben. Der Wunsch, einen neuen Weg zu ermöglichen, um den Künstler an Aufgaben heranzuführen, und wahrscheinlich, es gibt nichts Schöneres, als den Anstoß zu geben, daß Werke entstehen. Zu helfen, daß schöpferische Tätigkeit sich entfalten kann, kein schönerer Lohn, als zu wissen, dies alles wäre nicht ohne Wagnis dieser Tat. Den Künstler zum Volk führen, zu den Wurzeln seiner Kraft, mitten hinein in die deutsche Landschaft, zur Landbevölkerung, in eine ganz neue Umgebung. Hier muß sich zeigen, daß die Kunst aus dem Boden der Heimat wächst, daß sie nicht international ist, daß sie wohl international verstanden werden kann, doch stets gebunden bleibt für jedes Volk an sein eigenstes Wesen, an Blut und Boden seiner Heimat. Wo dies Heiligste verloren geht, wird sie zur flachen, oberflächlichen, gefühlsrohen, schematischen Gedankenkunst, die sich durch wissenschaftliche Probleme zu rechtfertigen sucht, während Kunst stets aus Überschuß an Gefühl und Kraft entstehen muß.«

»Vielfach vereinsamt und still geworden als Schaffender, erkannte man, wie tief doch die Worte Adolf Hitlers über die deutsche Kunst verstanden wurden und ihren Widerhall fanden in Tat und Opfer aller der prachtvollen Menschen des ganzen Landkreises. Von Äckern und Gärten wie aus den Werken und Hallen der Arbeit, um den Boden zu bereiten und die Zugehörigkeit zum Volke und ein Verstehen deutscher Kunst und Künstler daraus heranzubilden. Künstler - das ist ein tiefes Verstehen - nur wenigen sichtbar - ein gleiches lebenslanges Opfern und Dienen über sich lebhaft hinaus dem Ewigen zu. Und selbst der einsamste, abgewandteste Künstler schafft in der Liebe für die anderen; denen Erhebung und Erbauung, Kraft und Trost zu bringen und Verklärung des Alltags der reine Sinn seines Lebens ist. Wie stärkend ist es daher für den Künstler, ihn mit offenen Armen in die Gemeinschaft des Volkes aufzunehmen, ihm seine Saat und Ernte auch zu ermöglichen.

Wie stärkend ist es für ihn, wenn ihm für sein Streben Dank wird und Verständnis von Seiten seiner Volksgenossen, wenn der Bauer ihn aufsucht, der Handwerker ihn versteht, der Arbeiter mit freudiger Begeisterung sein Schaffen betrachtet. Angebahnt ist eine verstehende Freundschaft zwischen dem Künstler und den vielen Volksgenossen, die der Kunst fremd gegenüberstanden.«

»Die Tatsache, daß der bildende Künstler in die konkreten Aufgaben eines Landes einbezogen wird, hebt den Künstler auf seiner so viel besprochenen volksfremden Stellung dadurch, daß z. B. an Stelle der gewöhnlichen Fremdenwerbung eine solche durch künstlerische Arbeit gepflogen wird. Für den Künstler eine erfreuliche und beglückende Lösung, zumal er dann noch erleben durfte, während der Zeit seines Aufenthaltes in den Eifeldörfern, wie die Bevölkerung miterlebte und sich begeistert mitfreute an all dem dort Entstandenen.«

»Ich glaube, es hat in diesem Jahre wenig glücklichere Menschen, wenig Menschen, die noch glücklicher waren, gegeben, als die Maler, die Bildhauer, Kunsthandwerker und Graphiker, die als Gäste des Kreises Mayen einmal vier Wochen lang sorgenfrei schaffen konnten. Ich glaube, es ist auch noch niemals in Deutschland so viel und mit so viel Freude gemalt und gezeichnet worden, wie dieses Jahr in Mayen in der Eifel. Mit ihrem Schaffen, mit ihren Zeichnungen, Aquarellen, Ölbildern, Skizzen, Entwürfen usw., deren Zahl in die Hunderte geht, danken die Künstler für die ihnen gewährte freie Schaffensmöglichkeit, für die ihnen gestellte Aufgabe. Nicht die Grimasse eines __- ismus schaut ihnen aus ihren Arbeiten entgegen, sondern Freude, Freude am Schaffen, Freude am Leben, an der Natur, den Menschen und all den Dingen, die das Leben lebenswert und die Kunst zur Kunst machen. Gebt den Künstlern 'Kraft durch Freude', und ihr werdet eine freudvolle, freudenspendende Kunst erhalten, gebt ihnen Aufgaben und ihr werdet euch alles Dozieren über Kunstrichtungen ersparen können.

Das Volk versteht nichts von Kunst, diese lächerliche Behauptung, die aber nichtsdestoweniger noch heute in den Köpfen einiger wirklichkeitsfremder Aestheten herumspukt, wurde in Mayen hundertmal widerlegt.

Man muß das erlebt haben, wie z. B. die Bergleute 'mitgingen', als der Maler zu ihnen kam, um sie und ihre Arbeit zu malen, wie sie kritisierten, debattierten, wie sie ihm halfen, ein 'richtiges Bild' von ihrer Arbeit zu malen.

Oder nehmen wir den Bauern. Gewiß mag manchem Maler die saftigderbe, aber gutgemeinte Kritik eines Bauern nicht gerade angenehm gewesen sein, als er z. B. einen gemalten Ackergaul mit einem lahmen Viech bezeichnete. Doch, zum Teufel, hatte der Bauer denn nicht recht, wenn er vom Maler seinen strammen Ackergaul gemalt haben möchte und keine lahmen Viecher? Das Urteil eines unverbildeten, lebensnahen Menschen wiegt doch hundertmal schwerer als die Meinung all jener Aestheten zusammengenommen!«

»So sitzen wir, ich habe meine Arbeit beendet, am Rande des Steinbruchs zwischen Haselnusssträuchern und Brombeeren. 'Hier ist mein Arbeitsplatz', sagt der eine und deutet auf das Bild, wo er die Werkbude sieht, die, roh aus Steinplatten aufgesetzt, als Wind- und Regenschutz dient. Oder ein anderer erkennt seine Bruchstelle, die dreißig Meter unter uns liegt. Der Kran ist da, dort das Geleise. Die vorspringende Ecke unter dem Kran vermisst der Dritte; aber er sagt gleich darauf: 'Die Ecke ist auch nicht schön.' Das ist dann die Gelegenheit, von Bildern zu sprechen. Ich versuche, es ihnen verständlich zu machen, was ein Bild ist, wozu ein Bild da ist, warum auf dem Bilde dieses oder jenes so und nicht anders ist. Daß es etwas mehr gibt in jeglichem Geschehen als Gegenständlichkeit, Ansicht, Stimmung, Oberfläche. Auf Fragen gibt es Antworten. Ich habe gläubige Zuhörer, und sie verstehen, weil sie mir vertrauen und den guten Willen mitbringen. Vertrauen ist Gewinn für die Arbeit, die man noch tun muß.«

»In den kleinen Saal kommen am Sonntagnachmittag die anderen Freunde, die ich am Tage nicht traf. Es kommen auch Kinder, meist Mädchen, jedoch auch Knaben, sie wollen meine Bilder sehen. Ich zeige sie ihnen gern. In den mitgebrachten Rahmen wandert dann jedes Bild. Auf Bänken sitzen sie davor. Bei dem sonntäglichen Berg, dem Burgberg mit Kreuzacker, erzähle ich vom sonntäglichen Gesicht der Landschaft: Sonntags mit den Sonntagskleidern hat auch die Landschaft ein anderes Gewand. Es ist nicht gewechselt, es ist nur feierlicher, ruhevoller, es ist schöner, es ist überhaupt anders als am Alltag. Im Dorfe werden am Sonnabendnachmittag die Straßen gefegt, Überleiten zum Sonntag, der dann mit Messeläuten am Frühmorgen seinen Einzug hält. Weshalb soll da nicht die Landschaft Sonntag halten? Weshalb nicht Baum und Strauch? Weshalb nicht das Bächlein, wenn im Herzen Sonntag ist? Das verstehen meine Freunde.«

»Ich möchte hier ein kleines Erlebnis erwähnen, das mir einen tiefen Einblick in ein Gebiet gabe, über das man im allgemeinen hinweggesehen hat. Ich war beim Zeichnen einer Skizze (ein Stückchen Landschaft in der Nähe von Niedermendig). Da gesellte sich, wie es täglich häufig geschah, ein Mann zu mir, ein Steinarbeiter, guckte zu, nachdem er höflich um 'Erlaubnis' gebeten. Endlich wagte er auch ein Wörtchen: 'Das ist aber schön! Das (die Zeichnung) sieht ganz anders aus als das (das Objekt), und doch ist es ja ganz genau dasselbe.' Und nach einer Weile setzte er wie in halbbewusster Verwunderung hinzu: 'Ich habe das noch nie gesehen, und ich bin doch von hier.'

Wollte er damit sagen: 'Du hast mir gezeigt, wie die Landschaft, an der ich achtlos vorbeigegangen, schön ist'?

Das hat mich riesig gefreut, hier hatte ich wieder einen Beweis für meine Überzeugung eines wirklich vorhandenen, aber noch schlummernden Kunstsinns im Volk. Nur geweckt muss dieser Kunstsinn werden, und meine Aufgabe stand klar vor mir: 'Wecken!' Freilich gibt es Ausnahmen, wie in allem.

Dieser Mann aber war durchaus nicht der einzige, der mir (und oft lange) über die Schulter geguckt hat. Wie viele haben mir häufig natürlich in einer sehr ungelenken Sprache, dasselbe gesagt. Wie vieles mag da durch den sorgenvollen Alltag verschüttet sein! Und noch etwas darf ich nicht übergehen, jedermann ist mir mit solch natürlicher, selbstverständlicher Freundlichkeit entgegengekommen, daß ich nur immer gestaunt habe. Jede Tür stand mir offen, Maler gucken ja wohl neugierig - fast indiskret - überall hinein, aber man schien es selbstverständlich zu finden, daß ich in jeden Hof, ja in jedes Haus hineinguckte. Ich stellte mich einfach irgendwohin und zeichnete, man fand das ganz natürlich, ja man lud mich geradezu dazu ein.«

»Die Bevölkerung nahm unaufgefordert den regesten Anteil am künstlerischen Schaffen, der Bauer sowohl wie der Arbeiter, der Handwerker und Büroangestellte wie der Werkdirektor. Naturgemäß interessiert sich jeder in erster Linie für solche Bilder, die seinem eigenen Lebenskreis entstammen, hier ist jeder zu Hause. Der Bauer erkennt im Bilde die Äcker, Wiesen und Berge der gemalten Landschaft wieder. Der Maler aber erfährt dagegen, warum diese oder jene Bäume angepflanzt werden und was dazu gehört vom Pflügen und Säen an, bis die Ernte eingefahren ist. Es ergeben sich bei dem gegenseitigen Verständnis die fruchtbaren Wechselwirkungen. Oder beim Malen in den Basaltgruben: Der Steinhauer erkennt sofort, ob die charakteristischen Farbtöne des Gesteins und des Abraums vom Maler recht wiedergegeben werden können. Der Letzte aber nimmt teil am schweren Werk des Steinhauers. Jede geglättete Schwelle, die er künftig betritt, redet ihm von diesem Werk.

Aber nicht immer nur fachlich gegenständlich betrachtet der Einheimische die Arbeit des Malers, gelegentlich dringt er auch in die besondere Anschauungswelt des Malers vor, ist nur echt und naturnahe.

Ein geradezu typisches Erlebnis diene zur Erläuterung: Ich malte nahe einem kleinen Städtchen an der Mosel. Die Einwohner, die sich lebhaft interessierten, lud ich zur Besichtigung meiner Arbeiten ein. Sie kamen einzeln oder in Gruppen. Ich erwartete nun auf die übliche Frage nach dem besten Bild zu hören: 'Das Bild vom Städtchen', das recht sachlich mit allen Einzelheiten gemalt war. Zu meiner grenzenlosen Überraschung fiel die Wahl fast aller auf ein ganz malerisches Bild: 'Mosel im Nebel', auf dem so gut wie gar nichts Gegenständliches zu sehen war, nur Wasser, die Straße, eine Andeutung verschleierter Berge und die Sonne, die durch die Nebelmassen bricht. Mir ist jetzt klar, daß die Leute wahrscheinlich schon mehr Bilder ihres Dorfes sahen, aber noch keines, das den 'frühen Morgen' darstellt, den sie so gut beim täglichen Gang zur Arbeit in ihren Weinberg kennen.«

»Überhaupt fand meine Tätigkeit das stärkste Interesse bei groß und klein. Gewöhnlich hatte ich eine Gefolgschaft von Jungen, die mir immer aufpassten, wenn ich arbeiten ging. Eine hohe Ehre war es, die Staffelei zu tragen, und interessant war es, die Arbeit zu verfolgen und jedes einzelne in meinem Bilde festzustellen. Auch kein Erwachsener kam vorüber, der nicht stehenblieb und eine Zeitlang den Fortschritt der Arbeit verfolgte. Scharfe Beobachtungsgabe besaß ein Bauernmädchen, das mir sagte: 'Sie haben ein gutes Gedächtnis.' Ich darauf: 'Warum? Die Landschaft ist doch vor mir.' Worauf es erwiderte: 'Die Wolken und die Schatten doch nicht.' Ich sagte dann, daß es meine Aufgabe wäre, nicht nur die Landschaft zeichnerisch festzuhalten, sondern auch eine vorübergehende Stimmung. Also hatte das Mädchen recht und ich staunte über diese Beobachtungsgabe, die man leider nicht oft bei den sog. gebildeten Großstädtern antrifft.

Ein Brückenbau bei der Ruine Pyrmont reizte mich zur Wiedergabe, während die so oft dargestellte Ruine mich weniger interessierte. Sehr erfreut waren darüber die Arbeiter, die ebenfalls der Meinung waren, das alte Gemäuer wäre so oft gemalt und sähe immer gleich aus, während der Brückenbau nur einige Tage in dem dargestellten Zustande wäre. Aber meine Hauptarbeit habe ich im Maifeld getan, das immer fesselnd war in den Farbwerten der vielen Felder und Obstbäume, mit seinen großen Linien und vielen Überschneidungen.«

»Überall finde ich hilfsbereite Menschen, Bürgermeister, Lehrer, alle sind bemüht um unsere Arbeitsmöglichkeit. Und klappt es nicht sogleich mit dem Aufspüren des 'Malbaren', zu ihnen kann man immer kommen. Der eine vermittelt gerne das erwünschte Modell, ebnet den Weg zum Herzen der Bevölkerung. Sie alle wissen ja durch manche Zeitungsbesprechung, worum es geht, daß wir versuchen wollen, Land und Leute dieser Gegend durch unsere Arbeit der weiteren Heimat nahezubringen.«

»Einige von ihnen habe ich mit Stift und Pinsel festgehalten; es war famos, mit welcher Freude diese arbeitsamen Männer ihr Bild entstehen sahen, wenn der eine zum erstenmal die Ähnlichkeit mit seinem Vater feststellte. Einen Arbeiter traf ich, der mich voll Stolz auf die Schönheit 'seines' Bruches aufmerksam machte. Er erzählte dann, daß er während des Krieges mit einem Maler zusammengelegen habe, der ihm das Sehen und künstlerische Erfassen einer Landschaft nähergebracht habe. Nun erlebe er alles Geschaute doppelt intensiv, und dafür sei er ihm heute dankbar. Das ist ja auch ein Ziel bei unser Arbeit im Kreise, daß sie manchem die Augen öffnen möge für die Vielheit und Schönheit der engeren Heimat.«

»Das wesentlich Neue und andere dieses Mayener Studienaufenthaltes im Gegensatz zu früheren Studienreisen lag wohl hauptsächlich in zwei Umständen: Erstens, daß uns gewissermaßen Richtlinien für unser künstlerisches Schaffen gegeben wurden, und zweitens, daß zu gleicher Zeit eine größere Anzahl von Kollegen am selben Ort, wenigstens in gleicher Landschaft, vor dieselbe Aufgabe gestellt wurde. Das war immerhin ein beachtliches Experiment, was sicherlich sehr verschiedenartige Auswertungen gefunden, dessen Resultat aber vom einzelnen kaum jetzt schon übersehen und entsprechend beurteilt werden kann und schließlich auch nicht von unserer persönlichen Entscheidung und Bewertung abhängig ist. Vielleicht wird die kommende Ausstellung ihr künstlerischer und materieller Erfolg, ihre Beurteilung von Seiten der 'Sachverständigen' und vor allem ihr Eindruck auf die große Masse des Volkes zum mindesten nach außen hin den Wert und die Zweckmäßigkeit dieses auf jeden Fall hervorragenden Unternehmens in überzeugender Weise dokumentieren.«

»Als ganz besonders erfreulich innerhalb des Gemeinschaftswerkes 'Kunst und Künstler Kreis Mayen 1936' empfinde ich die sich entwickelnde Kameradschaft unter den Kollegen aus den verschiedenen Gauen. Aus dem gemeinsamen Schaffen für das von Ihnen ins Leben gerufene Werk und aus dem Streben, das Beste zu leisten, wird die Kameradschaft besonders gefestigt mit einzelnen Kollegen. Gerade in dieser Beziehung war durchweg ein allgemeiner Mangel spürbar. Denn meistens fehlte die gemeinsame Aufgabe. Fast jeder sah in dem Kollegen nur den Anhänger einer anderen Richtung und wirtschaftlichen Konkurrenten. Weil ich der Überzeugung bin, daß die Kameradschaft, entstanden aus dem Gemeinschaftswerk, und wiederum ein Band mit dem Gemeinschaftswerk - nicht nur von kurzer Dauer, sondern auf Jahre hinaus - sein wird, berichte ich dieses.«


Organisation und Verlauf des Gemeinschaftswerkes

von Kreisamtsleiter Reg. Ass. Dr. Harald Becker, Mayen

Nachdem wir in den beiden vorangegangenen Aufsätzen über Sinn und Zweck des Gemeinschaftswerkes und über die Stellung des Künstlers dazu unterrichtet worden sind, soll nun noch über die Organisation, Verlauf und Erfahrungen des Gemeinschaftswerkes berichtet werden. Es muß vorausgeschickt werden, daß der Kreis Mayen mit seiner Lage zwischen Rhein und Mosel bis in die Hocheifel hinein unendlich viel landschaftliche Schönheit birgt, und daß auch seine verschiedenartige Struktur in den einzelnen Kreisen viele Anregungen und viel Interessantes dem bildenden Künstler zu bieten vermag. Vor allem ist es die Industrie der Basaltlava- und Tuffsteine mit ihren Steingruben im Gebiet des Hochsimmers und der Laacher-See-Berge, die ein reiches Feld der Betätigung für Maler und Bildhauer ist. Das herrliche Nettetal, das ganz abseits liegende, vom Verkehr noch kaum berührte Nitztal und das Elztal, die mit Ginster und Wacholder bestandenen Bergköpfe der Hocheifel nach dem Nürburgring zu, viele alte Burgen und Ruinen, reizvolle Dörfer und die alten Baudenkmäler in den Städten Mayen und Andernach, in Münstermaifeld und den Moselorten sind naturgemäß besonders geeignet, einer solchen Aktion die Grundlage zu geben. Anderseits aber ist der Kreis Mayen anerkanntes Notstandsgebiet, dessen Arbeitslosenziffer noch heute über dem Durchschnitt liegt, so daß Kreis- und Gemeinde-Etats noch durchweg erhebliche Fehlbeträge ausweisen.

Zunächst war es unsere Aufgabe, die erforderliche finanzielle Grundlage für die Durchführung des Gemeinschaftswerkes zu schaffen. Für überdurchschnittliche Leistungen der Künstler sollte außerdem der Verkauf ihrer Werke sichergestellt werden, um sie in ihrer Existenz zu unterstützen. Ein Aufruf an die Wirtschaft im Kreis Mayen erreichte, daß von dieser Seite in erheblichem Umfang Beträge zum Ankauf von Bildern zur Verfügung gestellt wurden. Außerdem haben Kreis, Ämter und Gemeinden die in ihrem Etat für das Rechnungsjahr 1936 eingesetzten Beträge zur Werbung für den Fremdenverkehr ebenfalls zum Ankauf zur Verfügung gestellt, so daß eine Summe von rund 15 000 RM. den Grundstock für die Durchführung dieses Werkes bilden konnte. Die entstehenden Unkosten werden zum Teil dadurch gedeckt, daß die Künstler von ihren Verkaufserlösen 20 v. H. abführen müssen; zum anderen durch Herausgabe des vorliegenden Heftes. Unkosten sind namentlich die Reisekosten für die Künstler, die Kosten für die Drucksachen und die Kosten der Ausstellungen. In beispielhafter Weise wurde dem Gemeinschaftswerk mit freiwilligen Leistungen von allen Kreisen der Bevölkerung geholfen. Der eine stellte seinen Kraftwagen zur Verfügung, um Künstler abzuholen, der andere seine Arbeitskraft zur Erledigung der nun einmal erforderlichen Schreibarbeiten, der dritte verzichtete bei der Herstellung von Rahmen auf seinen Verdienst, Ärzte behandelten erkrankte Künstler kostenlos, die Apotheker stifteten die Medikamente, mit der gleichen Selbstverständlichkeit übernimmt ein Spediteur Aufbewahrung und Transport der Kunstwerke innerhalb des Kreises, und vieles mehr. Unter der Führung des Kreisleiters und Landrats des Kreises Mayen konnte bei einer beispielhaften Zusammenarbeit der gesamten Kreisbevölkerung so ein wahrhaftes Gemeinschaftswerk durchgeführt und durch diese freiwilligen Leistungen die Kosten möglichst niedrig gehalten werden.

Von entscheidender Bedeutung war ferner die Bereitstellung von Freiquartieren für die Künstler. Wir sind von Haus zu Haus und Dorf zu Dorf gefahren, Amtsbürgermeister und Bürgermeister, Amtsälteste, Ratsherren und Gemeinderäte setzten sich ein, und so haben wir unter Überwindung mancher Schwierigkeiten erreichen können, daß uns von allen Schichten der Bevölkerung des Kreises Mayen Freiquartiere für die Künstler zur Verfügung gestellt wurden. Auf diese Weise konnten wir nahezu hundert Künstlern einen völlig kostenlosen Aufenthalt für die Dauer von drei bis vier Wochen ermöglichen. Die Bereitstellung von Freiquartieren kann man als Rückrat für die Durchführung eines solchen Gemeinschaftswerkes bezeichnen; ohne sie könnte auch der ideelle Zweck gar nicht erreicht werden. Denn so kommen die Künstler mit allen Teilen der Bevölkerung in Berührung, bekommen eine eingehende Kenntnis von dem Leben der Bewohner des Kreises, und es stellen sich herzliche persönliche Beziehungen heraus. Am Abschluß des Gemeinschaftswerkes können wir auch feststellen, daß unsere anfänglichen Befürchtungen, die Künstler würden sich in die Verhältnisse nicht hineinfinden, würden hohe Ansprüche stellen, würden überhaupt nicht zu einem näheren persönlichen Verhältnis zu ihren Gastgebern und den übrigen Dorfbewohnern finden, sich nicht bewahrheitet haben. Auch andererseits bei den Gastgebern mußten wir befürchten, sie würden in dem Künstler einen Volksgenossen sehen, dessen Schaffen sie für überflüssig hielten, mehr noch, daß sie von vornherein dem ganzen Werk eine große Skepsis entgegenbringen würden, und so wie es uns ja auch immer wieder zum Ausdruck gebracht wurde, in den Künstlern Menschen sehen, mit denen man besser nichts zu tun hat. Ja, es wurde sogar von überängstlichen Hausfrauen Sorgen geäußert, ob wir denn auch dafür garantieren könnten, daß sich der Künstler sittlich einwandfrei benehmen würde. Man stellte die Künstler teilweise auf die gleiche Stufe mit Zigeunern. Kurz und gut, wenn man sich schon entschloß, ein Quartier zu geben, so tat man es doch mit starkem innerlichen Vorbehalt. Wir haben deswegen den Künstlern genaue Verhaltensmaßregeln in Form von Merkblättern in die Hand gedrückt und sind nach ihrer Ankunft sofort zu allen Gastgebern hingefahren, um gleich von Anfang an zu der Herstellung eines richtigen vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Gastgeber und Künstler beizutragen. Sie wurden angewiesen, mit dem Bürgermeister, dem Ortsgruppenleiter und dem Lehrer sofort Fühlung aufzunehmen. Zu unserer Freude konnten wir überall feststellen, daß unsere Befürchtungen überflüssig waren. Im Gegenteil, immer wieder konnten wir feststellen, daß zwischen Gastgeber und Künstler ein besonders herzliches Einvernehmen entstanden war. Die Künstler wurden aufgenommen wie Verwandte und fügten sich ihrerseits in der denkbar besten Weise in die Verhältnisse ihrer jeweiligen Gastgeber ein. Viele Gastgeber ließen sich nicht nehmen, ihren Künstler mit der näheren und weiteren Umgebung bekanntzumachen. Sie gingen mit den Künstlern ins Wirtshaus und brachten sie in nahe Berührung auch mit den übrigen Dorfbewohnern. Waren die Künstler bei der Arbeit, dann standen vom Kleinsten bis zum Ältesten alle Bewohner des Dorfes um sie herum und zeigten lebhaftes Interesse für die Arbeit. Das ganze Dorf, an der Spitze der Bürgermeister mit dem Hoheitsträger der Partei, bemühten sich, dem Künstler behilflich zu sein und ihm die Schönheiten der Ortschaft zu zeigen. Der Künstler war mit einem Mal nicht mehr ein Großstadtmensch, der dem lieben Gott den Tag stiehlt, sondern ein Volksgenosse, der auf seine Weise sein Brot sucht. Viele Künstler suchten den Arbeiter und den Bauer bei ihrer täglichen Arbeit in den Werken zu erfassen. Und geht man heute über die Steingruben, dann hört man hier und da, wie Arbeiter sich über diesen oder jenen Maler und seine Arbeiten unterhalten. Eines steht fest: Künstler, Kunst und Volk sind durch das Gemeinschaftswerk in nahe Berührung gekommen und es ist auch bei dem einfachsten Volksgenossen ein gewisses Verständnis für die Kunst geweckt worden.

Sehr wesentlich ist es, die geeigneten Künstler zu bekommen. In Zusammenarbeit mit der Reichskammer für bildende Künste und deren Landesleitern wurden die Künstler, die sich allerdings freiwillig auf einen Aufruf hin meldeten, ausgesucht. Nur Künstler, die der Reichskammer für bildende Künste angehören, durften an dem Gemeinschaftswerk teilnehmen. Einige Landesleiter haben über die vorgeschlagenen Künstler in persönlicher und künstlerischer Hinsicht eingehend berichtet. Das hat sich außerordentlich bewährt, und dadurch wurde auch die Garantie gegeben, daß wirklich gute Künstler in den Kreis geladen werden konnten. Wenn uns von anderen Landesleitern nur Listen mit dreißig bis sechzig Namen hereingegeben wurde, ohne daß im einzelnen über die Künstler eine Beurteilung beigefügt war, so hatte das zur Folge, daß eine ganze Reihe von Künstlern eingeladen wurden, deren Leistungen uns nicht befriedigen können. Die Ansicht, das Gemeinschaftswerk sei im wesentlichen dazu da, den Künstlern einen Ferienaufenthalt zu gewähren, ist irrig. Das Gemeinschaftswerk soll in keiner Weise eine Wohlfahrtsaktion für notleidende Künstler sein. Die Auswahl der richtigen Künstler ist für das Gelingen des Werkes von großer Bedeutung. Nur wenn das künstlerische Ergebnis wirklich erstklassig ist, kann das Gemeinschaftswerk Ansporn zur Nachahmung sein. Wir haben daher unter voller Unterstützung des Herrn Präsidenten der Reichskammer für bildende Künste in Berlin der Auswahl geeigneter Künstler unserer besonderen Aufmerksamkeit geschenkt. Schon jetzt kann gesagt werden, daß dadurch auch der Erfolg in künstlerischer Hinsicht sichergestellt ist.

Einige Künstler konnten während ihres hiesigen Aufenthalts ihre Quartiere austauschen. Jedoch ist eine solche Maßnahme nur in ganz beschränktem Umfange möglich. Die Schwierigkeiten liegen auf der Hand, denn die Gastgeber wollen sich ungern an einen zweiten Künstler gewöhnen. Bei der Größe des Kreises war es auch nicht möglich, die Künstler möglichst mit allen Teilen des Kreises bekanntzumachen, sei es durch Rundfahrten oder Umquartierungen. Um aber auch zwischen den jeweils anwesenden Künstlern eine gewisse Verbindung herbeizuführen, wurden ab und zu Kameradschaftsabende veranstaltet, auf denen auch Gast- und Geldgeber sowie andere interessierte Persönlichkeiten zugeben waren. Diese Kameradschaftsabende führten zu einem regen Gedankenaustausch und gaben Gelegenheit zur Klärung von Streitfragen in der Organisation oder bezüglich der Ausstellung u. a. m. Wir konnten auf diesen Abenden auch die Künstler und die übrigen Gäste über Sinn und Zweck des Gemeinschaftswerkes eingehend aufklären, so daß wir abschließend feststellen können, daß diese Kameradschaftsabende wesentlich zur glatten Durchführung des Gemeinschaftswerkes beigetragen haben.

Um uns ferner ein Bild darüber zu machen, wie der einzelne Künstler über das Gemeinschaftswerk denkt und was er bei seinem Aufenthalt erlebt hat, mußte jeder einen Erfahrungsbericht nach Rückkehr in die Heimat fertigen. Allerdings scheint dies den Künstlern am Schwersten zu fallen, denn nur spärlich gehen die Berichte ein. Sie sind aber sehr wichtig, um feststellen zu können, wie weit denn die Verbindung von Künstler und Volk von sich gegangen ist.

Dem Künstler wurde es untersagt, vor den vom Gemeinschaftswerk geplanten Ausstellungen seine im Rahmen des Gemeinschaftswerkes angefertigten Werke zu veröffentlichen. Er muß sie ausschließlich dem Gemeinschaftswerk zur Verfügung stellen. Ebenso soll grundsätzlich ein Verkauf von Bildern nur auf der Ausstellung erfolgen, um nur die von der Jury für ausstellungswürdig befundenen Bilder in den Besitz der Kauflustigen kommen zu lassen. Die Durchführung dieses Grundsatzes allerdings begegnet ganz erheblichen Schwierigkeiten. Die Anwesenheit und Tätigkeit der Künstler weckt die Kauflust und führt auch dazu, daß eine Reihe von Künstlern feste Aufträge bekamen. So erfreulich dies für die Künstler ist, so mußte doch die Beobachtung gemacht werden, daß auf diese Weise eine ganze Reihe von Werken verkauft wurden, die den künstlerischen Absichten des Gemeinschaftswerkes nicht entsprechen. Wer von den Künstlern zufällig das Glück hatte, einen Fabrikanten kennenzulernen oder wer über eine besondere Geschäftstüchtigkeit verfügte, konnte so vor den übrigen Künstlern einen finanziellen Erfolg buchen, ohne daß seinem Auftraggeber Bilder von den übrigen Künstlern vor Augen gekommen waren. Hier liegt zweifellos eine gewisse Gefahr, und es ist anzuraten, in künftigen Fällen solche Verkäufe möglichst zu unterbinden.

Das Gemeinschaftswerk hat sich veranlasst gesehen, einen Höchstpreis für die Kunstwerke vorzuschreiben. Diese Maßnahme erschien erforderlich, um im Rahmen des Gemeinschaftswerkes Verkäufe in größerem Umfang zu ermöglichen. Sie wird auch von allen einsichtigen Künstlern recht verstanden, weil man sich eben darauf einstellt, im Rahmen eines Gemeinschaftswerkes zu arbeiten. Es ist ferner notwendig, der Jury eine gewisse preisregelnde Funktion zu übertragen. Dieses bedingt einmal die festgesetzte Preisgrenze, zum anderen die Tatsache, daß bei vielen Künstlern die Neigung besteht, ihre Arbeiten möglichst hoch zu bewerten. Es muß daher ein Ausgleich nach der künstlerischen Qualität vorgenommen werden. Auch dieser Eingriff in das persönliche Recht des Künstlers rechtfertigt Sinn und Zweck des Gemeinschaftswerkes.

Wichtig erschien es, im Rahmen dieses Gemeinschaftswerkes auch Kunsthandwerk heranzuziehen. Es sollte damit die Anregung für die Einführung eines bodenständigen Handwerks gegeben werden. Daher wurde dem Entwurf von Reiseandenken aus heimischen Material besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Da der Fremdenverkehr wächst und vielen arbeitslosen Volksgenossen hiermit eine Existenz geschaffen würde, erschien uns diese Aufgabe von besonderer Bedeutung. Eine Gemeinschaft von jungen Steinmetzen und anderen Handwerkern hat in Zusammenarbeit mit Künstlern eine Reihe von Entwürfen für Reiseandenken aus heimischen Material (Schiefer, Basalt, Holz uvm.) ausgeführt. Diese Erzeugnisse können als ein sehr erfolgversprechender Anfang für ein bodenständiges, künstlerisch wertvolles Reiseandenken bezeichnet werden.

Um ferner in den Dörfern das Weben von einfachen, aber schönen Gebrauchsgegenständen zu beleben, wurde vom Gemeinschaftswerk eine Weblehrerin damit beauftragt, jungen Mädchen und Frauen das Weben am Webstuhl und Webrahmen zu lehren, und es sind eine Anzahl Teppiche, Schals, Kissen, Vorhänge, Decken uvm. aus einfachem Material (alten Stoffresten, Bindfäden uvm.) hergestellt worden. Das Interesse am Weben ist dadurch in starkem Maße geweckt und das gesteckte Ziel erreicht worden.

Auch den Kunstfotografen haben wir in das Gemeinschaftswerk einbezogen, damit durch seine Arbeiten vor allem die Kitschpostkarte verdrängt wird.

Das künstlerische Ergebnis des Gemeinschaftswerkes ist von einer vom Präsidenten der Reichskammer für bildende Künste in Berlin gebildeten Jury festgestellt worden. Über 700 Kunstwerke mußten von dieser Jury beurteilt werden. Sie hat den strengsten Maßstab angelegt und auf diese Weise eine Ausstellung zusammengestellt, die von der Reichskammer für bildende Künste als recht gut bezeichnet worden ist. Maßgebend für die Beurteilung war in erster Linie der ideelle Zweck des Gemeinschaftswerkes, denn es handelt sich nicht um eine gewöhnliche Kunstausstellung, sondern um den Versuch, Kunst und Künstler in engste Berührung mit dem Volk zu bringen. Abseits einer rein ästhetisierenden Betrachtung wurde von der Jury nicht etwa ein minderer Maßstab, sondern ein anderer angelegt. Nunmehr wird die Ausstellung des Gemeinschaftswerkes »Kunst und Künstler Kreis Mayen 1936« in Mayen, in den großen Orten des Kreises und in einigen Großstädten Deutschlands der Öffentlichkeit gezeigt werden.

So hoffen wir, daß das Gemeinschaftswerk »Kunst und Künstler Kreis Mayen 1936« für viele andere Kreise anregend sein möge, um auch ihrerseits die bildende Kunst zu fördern.

Rudolf Kaster, Düsseldorf: »Basaltlavagrube« (Radierung)

 

Hyazinthe Clemens, Koblenz: »Basaltlavarube« (Ölgemälde)

 

Leo Primavesi, Köln: »Alte Winde« (Ölgemälde)

 

Pitt Kreuzberg, Schalkenmehren: »Grubenfeld« (Ölgemälde)

 

Fritz Schröder, Hufe: »Schieferabbau« (Ölgemälde)

 

Otto Heinrich, Potsdam: »Blick auf Mayen« (Aquarell)

 

Otto Polus, Berlin-Friedenau: »Kartoffelernte bei Burgbrohl in der Eifel« (Aquarell)

 

Reinhold Dieffenbacher, Charlottenburg: »Kirchesch« (Ölgemälde)

 

Barthel Gilles, Köln: »Ochsengespann im Eltztal« (Ölgemälde)

 

Carl Cohnen, Mönchengladbach: »Nepomuk a. d. Elzbrücke, Monreal« (Ölgemälde)

 

Richard Pahlke, Charlottenburg: »Wassenach am Laacher See« (Ölgemälde)

 

Rolf C. W. Balsam, Mainz: »Mähender Bauer in der Pellenz« (Ölgemälde)

 

Rudolf Kaster, Düsseldorf: »Laacher See« (Aquarell)

 

Henrik Moor, Fürstenfeldbruck: »Rheinlandschaft bei Andernach« (Ölgemälde)

 

Josef Kronenberg, Köln: »Auf dem Maifeld« (Ölgemälde)

 

Rudolf Mertens, Münstermaifeld: »Münstermaifeld« (Radierung)

 

Rudolf Mertens, Münstermaifeld: »Herbst auf dem Maifeld« (Aquarell)

 

Hermann Hörner, Berlin: »Moseltal bei Loef« (Aquarell)

 

Martin Metzker, Düsseldorf: »Kirche in Loef« (Ölgemälde)

 

Roland Niederbühl, Stuttgart: »Die Mosel bei Lehmen« (Ölgemälde)

Sämtliche Kopien nach den Originalgemälden Heinrich Pieroth, Mayen


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