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Heinrich Pieroth Bildchronist unserer Eifelheimat

Franz Josef Ferber, Daun

Ehre, wem Ehre gebührt! Diese Redensart - sie stammt aus dem Neuen Testament - kannten schon die alten Römer, der Apostel Paulus hat sie in seinem Brief an diese formuliert. Sie ist auch in unserer Zeit aktuell, gilt für zahlreiche unserer Mitmenschen und Vorfahren. Einer von ihnen ist Heinrich Pieroth, der weit und breit bekannte und geachtete Fotograf aus Mayen. Es gibt einen wichtigen Grund, das Andenken dieses verdienten Mannes auch im Dauner Heimatjahrbuch festzuhalten. Unzählige Motive seiner professionellen Fotoaufnahmen sind nämlich im Gebiet des heutigen Landkreises Daun zu suchen, die Heimweberei Schalkenmehren, der Maler Pitt Kreuzberg und viele seiner Kunstwerke, das Totenmaar, der Hochkelberg, eine Holzplastik aus der Pfarrkirche Beinhausen/Hilgerath, die Uesser Pfarrkirche und die darin sich befindende Figur des heiligen Schutzengels mit dem Kind an der Hand fassend, um nur diese wenigen Beispiele zu nennen. Heinrich Pieroth wurde am 15. November 1893 in Mayen geboren. Sein Vater verdiente sein Brot als Fuhrmann auf den Mayener und Ettringener Basaltgrubenfeldern. Heinrichs Kindheit war belastet durch ein chronisches Hüftleiden, das dauernde Krankenhausaufenthalte erforderte und in späteren Jahren den Geplagten zwang, sein krankes Bein amputieren zu lassen. Die Folge: Der Junge konnte nur fünf Jahre die Volksschule besuchen. Trotzdem hat er es zu einer bemerkenswerten Bildung gebracht. Das hatte er zum guten Teil seiner klugen Mutter zu verdanken. Sie kam auf die Idee, einen auswärtigen Gymnasialschüler in Kost und Logis zu nehmen. Von ihm und seinen Büchern könnte Heinrich profitieren. Die Rechnung der besorgten und gescheiten Frau ging auf. Der strebsame Filius freundete sich mit dem höheren Schüler aus der Eifel an, dem später als Eifelschriftsteller


Foto: Erich Müsch, Mayen

und PAULINUS- Chefredakteur bekannt gewordenen Wilhelm Hay aus Büchel. Es wurde eine Freundschaft fürs Leben, und Heinrich fand mehr und mehr zu einem System der Selbstbildung, das er bis ins Alter mit großem Erfolg beibehielt. Wahrlich, ein leuchtendes Vorbild! Nach der Schulentlassung kam der lernwillige Junge in die Fotografenlehre zu den Geschwistern Sinemus. Von seinem Meister Willi Schwarz nahm er gründlich Lehre an, so dass er schon als Sechzehnjähriger eine urkundliche Auszeichnung erhielt. Den Gesellenbrief in der Tasche und nach zwei Wanderjahren in Herne, machte Heinrich sich in Saarbrücken selbstständig. Seine heute kurios anmutende Hauptaufgabe war es, reihenweise aufgeputzte Soldaten zu porträtieren, die ihren Kopf über eine vorgeformte feingebügelte Uniformbrüstung steckten. Als der Erste Weltkrieg zu Ende war, kehrte Heinrich Pieroth heim nach Mayen. Dort, im Haus seiner Eltern in der Uferstraße 9, richtete er sich eine Fotowerkstätte ein. Hierin schaffte er bis zu seinem Tod. Von Saarbrücken hatte er sich eine treue Ehefrau mitgebracht, die fortan als die »Seele des Geschäfts« galt. Das war umso wichtiger, als man Heinrich zwar als hochqualifizierten Fotografen rühmte, ihm dagegen Geschäftstüchtigkeit partout nicht nachsagen wollte. Dafür hatte er aber viele andere positive Eigenschaften. Seine Großzügigkeit vor allem muss sich wohl herumgesprochen haben, denn in den Nachkriegsjahren hat er hunderte heimatlose Flüchtlinge kostenlos fotografiert, damit sie neue Pässe bekamen. Etliche von ihnen lud er nachher zum Mittagessen ein. Auf jeden Fall war er auch ungewöhnlich produktiv. Tausende Menschen hat er im Laufe von Jahrzehnten in seinem


Schäfer am Weinfelder Maar (Totenmaar) Foto: Heinrich Pieroth

Atelier fotografiert. Zudem reiste er durch die Eifel, fotografierte Land und Leute sowie - aus damaliger und erst recht aus heutiger Sicht - interessante und wertvolle Objekte: Historische Gebäude, Wegekreuze, Kunst- und Kulturgüter. Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Sein Fotoarchiv beinhaltet eine geradezu unglaubliche Fülle Fotografien bzw. Fotoplatten, hauptsächlich aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Sie werden seit längerem fachlich bearbeitet und archiviert. Dass das umfangreiche Plattenarchiv überhaupt vor den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg bewahrt wurde, ist der Weitsicht eines Mannes zu verdanken, der an dieser Stelle lobend erwähnt werden soll: Fridolin Hörter. Er schaffte die Platten dorthin, wo sein und seines Freundes Heinrich Verein, der Geschichts- und Altertumsverein, seine Bleibe hatte: die Genovevaburg. In ihren dicken Mauern war das wertvolle Kulturgut vor den Bomben sicher.

Heinrich Pieroth war zweifellos ein vielseitig begabter Mann. Seine Arbeit beschränkte sich nicht aufs Fotografieren. »Er ließ«, so schrieb der PAULINUS am 2I.November 1993, »dem Bild auch das Wort folgen. In zahllosen Lichtbildvorträgen und Aufsätzen hat er immer wieder weite Interessentenkreise insbesondere mit volkskundlicher, geschichtlicher und heimatkundlicher Thematik bekannt gemacht.« Bei alledem war er von einer


Figur des hl. Schutzengel mit Kind an der Hand in der Pfarrkirche in Uess Foto: Heinrich Pieroth

tiefen Heimatliebe durchdrungen. Im Kreis Daun machte Pieroth sich häufig zu schaffen. Beispielsweise war er dem Schalkenmehrener Kunstmaler Pitt Kreuzberg freundschaftlich verbunden. Zu erwähnen sind auch seine Beziehungen zu Frau Anna Droste-Lehnert, Initiatorin und Mitbegründerin der Heimweberei Schalkenmehren. Eines Tages bekam er von dieser liebenswürdigen Dame Besuch. Sie wollte ihn für die Titelrolle der Freilichtaufführung »Der Einsiedler vom Totenmaar« am Ufer des Maarsees gewinnen, aus gutem Grund: Seine äußere Erscheinung qualifizierte ihn für diesen Part. Er hatte die Angewohnheit, seinem Friseur möglichst weit aus dem Weg zu gehen. Nun, H. Pieroth wehrte ab: »Stellen Sie sich nur einmal vor, ich müsste mich noch schminken und kostümieren!« Frau Droste beschwichtigte gutherzig: »Aber nein, lieber Herr Pieroth, Sie können genauso bleiben wie Sie immer sind!« Diese und etliche andere Anekdoten ranken sich um den originellen Mann, sein Atelier und seine Eifelreisen. Sie sind derart köstlich, dass sie den Leserinnen und Lesern im nächsten Heimatjahrbuch erzählt werden sollen. Heinrich Pieroth hatte weiß Gott kein leichtes Leben, aber er meisterte es. Dabei kam ihm wohl sein festes religiöses Fundament zugute, auf dem er zeitlebens stand. Und gesundem Humor schien er auch nicht abgeneigt gewesen zu sein. Man bedenke, dass Eifelbilder damals nicht sonderlich gefragt waren, weshalb Heinrich sich in der Porträt-, Industrie- und Kunstfotografie üben müsste. Manchmal tröstete er sich mit dem geflügelten Wort des Monrealer Herrgotts-Theis, der es weitaus schwerer hatte, seine selbstgeschnitzten Heiligen an den Mann oder an die Frau zu bringen: »Ka Deuwel kauft anem mie en Herrgott af!« In dem Lebens- und Berufsweg des Fotografen Heinrich Pieroth spiegelt sich auch ein Großteil der Fotografiegeschichte wieder, zum Beispiel der Weg von einer riesigen Kamera mit Platten im Format 18 x 24 bis hin zur Kleinbildkamera im Taschenformat. Die meisten Aufnahmen hat Pieroth mit einer 9x12-Plattenkamera gemacht. Sein Freund Fridolin Hörter hat sie ihm gebaut.

Am 15. November 1993 wäre Heinrich Pieroth 100 Jahre alt geworden. Das war ein geeigneter Anlass, ihn, der sich in hohem Maße um seine Heimat verdient gemacht hat, gebührend zu ehren. Das taten die Stadt Mayen und ihr Geschichts- und Altertumsverein. Sie arrangierten die Ausstellung »Gesicht und Gesichter der Eifel« mit rund hundert großformatigen Fotografien ihres Fotografen Pieroth. Vom 5. bis 26. November 1993 war sie im Eifeler Landschaftsmuseum auf der Genovevaburg zu sehen. Der Meister der Fotografie hat ein großartiges Lebenswerk geschaffen und uns hinterlassen. Allein die unzähligen professionellen Fotografien, hervorragende Dokumente unserer Sozial- und Kulturgeschichte, sind ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Kulturgutes. Hierfür haben wir dem unermüdlichen Bildchronisten zu danken, denn ohnedies wären wir kulturell ein Gutteil ärmer. Am 10. Februar 1964 ist Heinrich Pieroth, siebzig Jahre alt, am Ziel seines irdischen Lebensweges angelangt. Es war der Tag gekommen, an dem er sich aufmachte, um zu seinem Schöpfergott heimzukehren. Ihm hatte er stets treu gedient, und er wird ihn gewiss für alles Gute reichlich belohnt haben, das er seinen Mitmenschen getan hat.

Quelle:

Ansprache von Karlheinz Pieroth zur Eröffnung der Ausstellung »Gesicht und Gesichter der Eifel. 100 Jahre Fotograf Heinrich Pieroth« am 4. November 1993 in der Genovevaburg in Mayen


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