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Besuch bei dem Eifelmaler Pitt Kreuzberg

im Atelier des Künstlers am Schalkenmehrener Maar

Helmut Domke

Man Wird einen Künstler von der Eigenart Pitt Kreuzbergs, der jetzt seit drei Dutzend Jahren in seiner Wahlheimat, einen Steinwurf weit vom Schalkenmehrener Maar wohnt, nur betrachten dürfen, wenn man seine Welt kennt. Denn dies sei vorausgesagt: er ist nicht der große Eifelmaler geworden, weil er sein Talent auf eine bestimmte Landschaft eingeengt und beschränkt hat. Die Landschaft der Eifel war ihm vielmehr der Anlass, an dem sich seine Begabung am weitesten erschloss. Wer ihn allmorgentlich mit seinem Karren voller Malgeräte hinauswandern sieht - eine gleichsam ins Geschirr gespannte vornüber-geneigte Gestalt mit dem Feldstecher an der Seite, den eigenwilligen, geprägten Kopf von weißem Haar umloht. Wer ihn hat sprechen dürfen, während ein Motiv in Augenblickes Schnelle fixiert wird, der begreift, dass es diesem Künstler darum, die umgebende Landschaft bis in ihre geheimsten Gestaltungsgesetze auszuforschen.

Es gibt Bilder, auf denen sich Kreuzberg tief in der Erde hockend gemalt hat, das Auge nah an Pflanze und Kraut, um die vegetative Welt aus ihrem Aspekt zu erleben; es gibt Bilder, auf denen der Standpunkt des Künstlers hoch in die Lüfte verlagert scheint. Die Verschiedenartigkeit solcher Sehweisen erklärt sich dem sofort, der begreift, um was es hier geht. Der gleiche Schöpfungsatem, der seine von unerhörtem Licht erfüllten Landschaften durchweht, belebt auch das kleinste Motiv. Und man wird unmöglich dieser Bilder innewerden können, wenn man nicht begreift, dass tiefe Hingabe und Demut notwendig war, um die Stimme der Erde so mächtig und eindringlich zu verstehen, wie sie hier wiedergegeben wurde. »Erde, du liebe, ich will ... namenlos, bin ich zu dir entschlossen« hat Rilke in der neunten Duineser Elegie gesagt.

Es ist bekannt, dass Kreuzberg nicht mit den üblichen Fabrikfarben malt, sondern in gleichsam altmeisterlicher Manier seine Töne selbst anrührt. Das ist keine Marotte. Er bereitet sie, wie das Motiv es verlangt. Er macht sie körnig und gibt ihnen Kräftige Substanz, er mischt zuweilen mit so starken Bindemitteln, dass der Pinsel nach jedem Strich ausgewaschen werden muss. Und schon darin, wie dies geplant, zugerichtet und ausgeführt wird, liegt ein Schöpfungsvorgang und eine innerliche Erfassung des Vorwurfes, wie sie nur ein Künstler wagen darf, dessen Auge das Motiv bis ins letzte bewältigt hat, ehe er daran geht, sein Bild zu fixieren. Eine unendliche Geduld in Beobachtung und Studium ist dazu nötig. Dazu gibt diese Fähigkeit der genauen Vor-Konzeption seinen Bildern aber auch die Gültigkeit der Niederschrift. Mehr: dem Maler bietet sich im Augenblick des Arbeitens Gelegenheit, die Sprache seiner Persönlichkeit ungehindert strömen zu lassen.

Ohne Zweifel: Kreuzberg malt die Welt der Erscheinungen. Er entkleidet die Dingwelt ihres atmosphärischen Zusammenhanges nicht. Er malt nie abstrakt oder (wenn das Wort nicht missverstanden wird) »die Dinge an sich«. Aber er ist durchaus kein Nachfahr der Impressionisten. Er verwandelt die Dinge auf seine Weise, indem er sie in einen großen Zusammenhang ordnet. Es ist eine seiner verblüffendsten Fähigkeiten, die Welt der Gegenstände in ihrem organischen Zueinander zu erfassen. Selbst dort, wo er - wie in dem beigefügtem Bild - eine mittels technischer Zurüstung aufgerissene Landschaft zeigt, ähnlich wie es Césanne einmal in seinem berühmten »Bahndurchstich« getan hat, schließt sich ihm durch die Kraft, mit der er aufzubauen und zu gruppieren versteht, wie unter magischem Gesetz wieder zum Bild zusammen. Seine Welt ist heil, weil er von ihrem Schöpfungsatem weiß. Er kennt keine Zerrissenheit. Er sucht weder das Hässliche noch das Schöne. Er ist, was die Auffassung seiner Motive angeht, eigentlich ein Realist, aber so wie Hebbel gesagt hat: »seine Unendlichkeit wandert einem jeden entgegen«, wird ihm alles zur Herrlichkeit - man weiß keinen treffenderen Ausdruck dafür. Er schafft Räume, die sich wie eine überschlagende Woge dem Betrachter wieder entgegenwölben - Räume, in die man hineintauchen muss, um ihrer inne zu werden und den dramatischen Ablauf zu spüren, der sich aus dem Gefüge der Linien und der kühnen Skala der Farben ergibt.

Es ist nichts falscher, als Kreuzberg auf die Landschaftsmalerei festlegen zu wollen. Es ist noch fehlerhafter, ihn in dem Sinne einen Eifelmaler zu nennen, als bevorzuge er immer ein und dasselbe Linsengericht. In seinem Atelier häufen sich gegenwärtig die Studien zu einem Thema »Mensch«, das ihn seit langem bedrängt.

Dieser Mensch steht da in seiner lemurenhaften Verlorenheit, wie in der strahlenden inneren Heiligkeit des Menschensohnes. Nicht umsonst ist das Buch der Bücher zu einer Lieblingslektüre des Künstlers geworden. Eine Flut von anderen figürlichen Bildern gesellt sich dazu.

Man bedenke, was das heißt: ein Maler, der hier draußen gleichsam auf Vorposten steht und alle Anregungen eines vertrauten Umganges mit Kollegen vermissen muss, steigert seine Themen, die die Zeit ihm aufgab, in einsamer, innerer Diskussion bis zu jenem Grade der Reife, der bei ihm nicht Glattwerden, sondern Höchstmaß von Aussage ist.

Man muss dem Maler Kreuzberg durch diese - seine - Schalkenmehrener Landschaft wandern, die ihn umgibt und seine Studierstube ist. Er kennt hier jeden Busch, er weiß seine verschiedenen Tönungen im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Er kennt den Schrei der Vögel und beobachtet das Hervordrängen des Steinbrech. Und er bezieht alles ein in die Welt seines unbestechlichen und zugleich leidenschaftlichen Auges, von dessen Erlebnis er nicht aufhören kann, Zeugnis zu geben.


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