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Ein Gespräch mit Pitt Kreuzberg

Heinz Bicker

Man muss ihn, den ausgezeichneten Eifelmaler, als einen der wenigen seiner Zunft ansprechen, welche die Substanz, aus der Anregung uns Auslösung ihres Schaffens schöpfen, bis in die letzte Ursprünglichkeit hinein verfolgen. Diese Tatsache bedingt, dass man ihn einmal - gegen seinen Willen - aus der Verborgenheit herauszieht.

Seine Werke, unbeeinflusst durch von außen hereindringende Kritik, entsprechen dem Ernst der Auffassung über die Lebensnotwendigkeit seines Kunstschaffens. Es sind Kompositionen, wo Farbe den Ton, und Linie den Rhythmus angeben. Diese Bilder verlangen grundsätzlich eine Vertiefung, wobei der oberflächlich Beschauende unbefriedigt fortgehen wird.

»Eifelbauern» (1926)

Eifelbauern (1926)

Kreuzberg vertritt mit intensiver Konsequenz den Grundsatz: dass man der Manie, alles in einem fertig gekauften Zustand zu verabfolgen, mit aller Brutalität zu Leibe rücken muss. Solche Ehrlichkeit möchte man dem Gros seiner Kollegen wünschen. Er sagt selbst: »Ich verlange vom Beschauer ein Sich-hinein-vertiefen in meine Arbeit, und von einem Kritiker ein Befassen mit meinem Gesamtschaffen und nicht die Sezierung eines einzelnen Bildes. Erst so kann rechtes Verständnis erzielt werden.«

»Trotzdem leben Sie, Pitt Kreuzberg, zu weit ab von der großen Heerstraße, auf die ein Künstler nur in dem seltenen Fall verzichten kann, wenn er sich nicht um die materielle Seite des Lebens zu kümmern braucht.«

»Ganz recht, wenn er es versteht, die Waffe der »großen Heerstraße« durch eine grelle, aufdringliche Reklame zu düpieren. Ich gebe zu, dass die Not um die täglichen Dinge gerade ein mir nicht unbekannter Gast ist, aber sie wird mich nicht zwingen, meine Kunst zu einer öffentlichen Prostituierten zu degradieren.«

»Also halten Sie jede Selbstpropaganda quasi für einen Vertrauensbruch?«

Eifelwald im Schnee (1926)

Eifelwald im Schnee (1926)

»In dieser Schärfe will ich das gerade nicht sagen, Aber wenn ein produktiv Schaffender in Worten der Erklärung das wiedergeben kann, was er in seinem Werke hat darstellen wollen, so erledigt er seine Arbeit selbst. Denn der Künstler soll eben das darstellen, was in Worten auszudrücken nicht geht. Und dann kann man noch nicht einmal Worte der marktähnlichen Anpreisung finden.«

»Zu welcher Richtung bekennen Sie sich?«

»Der wahrhafte Künstler ist an keine Richtung gebunden. »Entwicklung« ist das Geheimnis seiner Kraft und Fähigkeit. Entwicklung zu einem Ziele hin, dessen Erreichbarkeit hart an der Grenze des Möglichen, eher noch darüber hinaus liegt. In dem Augenblick, wo ein Künstler keiner Entwicklung mehr fähig ist, ist er für die Kunst tot; er sinkt auf das Niveau des handwerklichen herab.«

Sonnenaufgang in der Eifel (1926)

Sonnenaufgang in der Eifel (1926)

»Was liegt Ihnen mehr: Landschaft oder Porträt?«

»Auch diese Frage ist falsch gestellt. Ich male, wozu mich innere Notwendigkeit zwingt. Das kann heute eine Landschaft, morgen ein Porträt sein. Freilich, porträtieren in dem üblichen Sinne, d. h. einen zu malen mit dem üblichen Behang Gott weiß welcher in Wirklichkeit nicht vorhandener Tugenden, das erlaubt mir mein künstlerisches Gewissen nicht. Wenn ich porträtiere, geschieht es so, wie ich den Betreffenden sehe.«

»Sie verwerfen also strenge Gegenständlichkeit.«

»Das ist das Arbeitsfeld eines Fotographen. Die Kunst hat eine andere Aufgabe.«

»Und das wäre?«

»Sie mögen hundert Künstler fragen und bekommen dann ebenso viele Antworten. Für mich ist es die Darstellung des Wesenswahren der Erscheinung. Das bildlich zu erklären, was hinter der Form steckt, kurz: das Seelische. Ich gehe dabei von der Auffassung aus, dass eben nichts unseelisch tot ist. Alles Seiende hat ein Gesicht, selbst der leblose Stein. Die Offenbarung der Dinge aber, welche mehr Angelegenheit des Gefühls als des Intellekts ist, erzeugen in mir die Intuition, die mich mit fanatischer Notwendigkeit zur Darstellung zwingen. Das Mittel ist für mich die Farbe, wie anderen der Ton.«

»Heimkehr vom Markt« (um 1927)

»Heimkehr vom Markt« (um 1927)

»Welche Akademien haben Sie besucht oder sind Sie Autodidakt?«

»In der Beantwortung dieser Frage liegt wohl der Gradmesser meiner künstlerischen Existenzberechtigung! - Mein empirisches Empfinden behauptet, dass Akademien ebensoviel hemmen wie fördern. Darum habe ich mich beizeiten ihrem Einfluss entzogen.«

Wir sprechen noch über vieles andere. Wir geraten auf die Politik. Kreuzberg polemisiert, er hat Gründe genug dazu. Scharfe Kritik an Bestehendem. Aber er sieht die Dinge mit einer strengen, unvoreingenommenen Sachlichkeit. Er ergeht sich nicht in Pamphleten. Der große Mensch in ihm verwindet die Widerwärtigkeiten, die ihn an den Boden zwingen können.

»Das Schlimmste«, meinte er zum Schlusse der Unterhaltung, »ist, dass man nur allzu gern den lebenden Künstler übersieht, weil der »tote« unter Umständen billiger ist. Was nützt mir ein Anerkanntwerden nach hundert Jahren! Davon hat meine Familie und ich nichts mehr.«


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