Am 6. November 1996 klingelte in meinem Büro das Telefon. Eine gute Bekannte meldete sich, ich
hatte sie zuletzt am Karfreitag bei der Ausstellungseröffnung »Pitt Kreuzberg - Religiöse
bilder« im Heimwebereimuseum in Schalkenmehren gesehen. Es war Thora Lorenz, geborene
Kreuzberg, die Tochter des 1966 verstorbenen Künstlers. Wie es sich beim Telefonieren gehört,
fackelte sie nicht lange, sondern sagte kurz und bündig, was sie zu sagen hatte, bedankte sich
für das Heimatjahrbuch, das ich ihr geschickt hatte und das einen Bericht über die Ausstellung
zum 30. Todestag Pitt Kreuzbergs enthält. Was danach kam, hielt ich im ersten Augenblick für eine
Sinnestäuschung. Ohne Umschweife erklärte sie mir, dass sie eine größere Anzahl bilder ihres
Vaters der Kreisverwaltung Daun schenken wolle. Dass sie sie dem Kreis Daun und keinem anderen
stifte, tue sie mir zuliebe. Ihre Begründung: In meiner Eigenschaft als Kulturreferent des
Landkreises Daun sei ich von allen Behördenvertretern derjenige, der sich am meisten um das
Kunstwerk ihres verstorbenen Vaters gekümmert habe. Deshalb sei das Kreishaus die geeignete
Stätte, um den (Teil-)Nachlass Pitt Kreuzbergs zu verwahren und zu hüten. Das alles ist wahr,
und mir fiel es aus tiefster innerer Überzeugung nicht schwer, zu der konkreten Frage der
Stiftungswilligen, ob ich die Geschenke für den Kreis Daun annehmen wolle, ja zu sagen, auch
eingedenk der Spruchweisheit »Wes Brot ich esse, des Lied ich singe«. Spontan berichtete ich
meinem Vorgesetzten, Herrn Landrat Albert Nell. Er nahm teil an meiner Freude und schrieb Frau
Lorenz in einem Dankesbrief unter anderem: »Es ist mir
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ein großes Bedürfnis, Sie heute wissen zu lassen, dass ich hierüber in hohem Maße erfreut bin.
Dies hat hauptsächlich damit zu tun, dass ich wie andere für Kunst und Kultur im Kreis Daun
Mitverantwortliche Ihren Vater als »unseren« Maler betrachte. Diese unsere Einstellung zu Pitt
Kreuzberg und zu seinem Kunstschaffen ist in verschiedenen Publikationen der vergangenen Jahre
dokumentiert worden, und es kommt gewiss nicht von ungefähr, dass die Kreisverwaltung seit dem
Ende der 1980er Jahre sich auf vielfältige Weise bemüht hat, das Schaffen dieses weithin
angesehenen Künstlers gebührend zu würdigen, was Sie, sehr geehrte Frau Lorenz. so habe ich
mir sagen lassen, stets dankbar anerkannten... Auch was den rechten Standort der Werke Pitt
Kreuzbergs angeht, schloss Landrat Nell sich meiner Auffassung voll und ganz an. Er fuhr in
seinem Brief fort: »Wir, die Vertreter des Landkreises Daun, sind stolz darauf, dass ein Maler
wie Pitt Kreuzberg einst unter uns lebte. Ebenso froh sind wir darüber, dass die Kreisverwaltung
eine stattliche Anzahl Kunstwerke Ihres Vaters besitzt; sie alle verstauben nicht etwa in
Archiven, sondern hängen überall in unserem Kreishaus, so dass jeder sie betrachten kann.
Dasselbe wird, soweit der Platz ausreicht, mit den Aquarellen geschehen, die Sie uns
liebenswürdigerweise zukommen lassen wollen (Anm. d. Verf.: Das betrifft natürlich auch die
übrigen Kunstwerke, von denen anfangs keine Rede war). Niemand braucht daran zu zweifeln, dass
die Dauner Kreisverwaltung ein durchaus geeigneter Platz für Pitt-Kreuzberg-bilder ist...«
Die Zeit bis zur Übergabe des Kunstgutes kam mir ähnlich vor, wie die Vorweihnachtszeit meiner
Kinderjahre. Die Geschenke betrafen mich zwar nicht persönlich, trotzdem war ich - als Liebhaber
der Kunst Pitt Kreuzbergs und als eine Art Kulturhüter im Kreise Daun - sehr gespannt darauf.
Am 13. Februar 1997 war es dann soweit, dass ich die Reise nach Bad Hon-nef, wo Frau Lorenz
wohnte, antreten konnte. Mein Sohn Daniel begleitete mich und half mir fachmännisch bei der Fülle
der Arbeit, die unerwartet auf uns zukam. Bei unserer Ankunft droben auf der Rheinhöhe erlebten
wir die große Überraschung Nummer zwei. Von wegen »nur« Aquarelle! Auch vieles andere durften wir mit einpacken:
Gemälde, gerahmte und ungerahmte, sowie Zeichnungen und Studien en masse. Es sind fast ausnahmslos unbekannte bilder, was
vielleicht ihren besonderen Reiz ausmacht. Zum Glück sind es aber auch solche Exponate, womit sich das in jeder Hinsicht
außergewöhnlich breite Spektrum des Kunstschaffens Pitt Kreuzbergs, was die Schaffensperioden, die Maltechniken, die
Malstile und die Motive anbelangen, unschwer dokumentieren lässt. Gerade darauf kommt es entscheidend an. Und über die
Anzahl der Geschenke brauchten wir uns weiß Gott nicht zu beklagen. Wir machten an Ort und Stelle Inventur. Das Ergebnis: 350.
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Es drängt sich nachgerade die Frage auf: Was nun? Dass zunächst sämtliche Exponate sorgfältig zu inventarisieren und fachgerecht
zu lagern waren, versteht sich von selbst. Das ist sofort geschehen. Auch wurden etliche bilder an geeigneten, den Besuchern
zugänglichen Stellen diebstahlgeschützt aufgehängt. Hiermit allein ist es allerdings auf Dauer nicht getan. Eine Schenkung
solchen Umfanges und solcher künstlerischer Qualität erfordert es, einen repräsentativen Teil fachkundig aufzuarbeiten und
ihn in einer Sonderausstellung der Öffentlichkeit zu zeigen. Das wird hoffentlich in nicht allzu ferner Zeit geschehen.
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Zusammengefasst ist zu sagen: Es war über ein Jahrzehnt lang geplant, das alte Landratsami in der Dauner Leopoldstraße zu einem thematisch umfassenden Kreiskulturhaus umzufunktionieren. In ihm sollten unter anderem Werke einheimischer Künstlerinnen und Künstler ihren Platz finden. Aus diesem Plan ist am Ende, sozusagen in letzter Minute, nichts geworden, aus Gründen, die an dieser Stelle unerwähnt bleiben können. Um so erfreulicher ist es deshalb, dass forthin im Dauner Kreishaus eine beachtliche Fülle von Werken eines Künstlers verwahrt und dokumentiert werden kann, den man mit anderen hochrangigen Malern der Eifel in einem Atemzug zu nennen sich nicht zu scheuen braucht. Das hatte Frau Lorenz, die großzügige Stifterin, zweifellos erkannt. Anstatt dem vergänglichen aller Werte, dem Mammon, zu huldigen, hat sie es der Kreisbehörde ermöglicht, dem nicht zuletzt auch von dieser ästimierten Pitt Kreuzberg an geeigneter Stätte ein verdientes, bleibendes Denkmal zu setzen. Damit hat sie das einzig Richtige getan. Hierfür danke ich ihr, der ich mich persönlich verbunden fühle, an dieser Stelle nochmal aufrichtig. Ich bin sicher, dass diese gute Tat nachwirken wird. Unsere Mitmenschen und Nachfahren werden sich ihrer dankbar erinnern, und man darf wohl annehmen, dass eine Behörde sich dieses Kulturerbes würdig erweisen wird.
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