Hans Beckers

* 30.06.1898 in Düren; † 01.06.1951 in Düren

 

Hans Beckers

 

Zum 110. Geburtstag des Dürener Malers Hans Beckers

»Botteramme fott, do kütt ene Möler«

Hans-Joachim Kuck, Berzbuirer Straße 35, 52355 Düren

veröffentlicht im Eifeljahrbuch 2008, S. 184-190

»Heimgekehrt fand ich immer, dass die Eifel doch mein eigentliches 'Gebiet' geblieben war. Ich vertiefte mich mehr und mehr in ihren eigenartigen Charakter und blieb ihr treu bis auf den heutigen Tag.«1

»Original, Maler, Clown, fantastischer Sammler und wohl eine der schillerndsten Persönlichkeiten, die je in Düren geboren wurden, ein Mensch voller Selbstironie und geistigem Hunger, bissigem Humor und von umwerfender Heiterkeit«, das war Hans Beckers in den Augen seiner Wegbegleiter in oft schwerer Zeit und derer, die ihn als eine herausragende Persönlichkeit des Dürener Kulturlebens hoch geschätzt und des Öfteren gewürdigt haben. Man darf ihn getrost einen der bekanntesten Söhne Dürens nennen, die Stadt, die schon früh seine Meisterschaft erkannt, seine Werke an die Öffentlichkeit getragen3 und ihn hier oder dort durch Ausstellungen geehrt hat, so etwa 1948, 1978 und zuletzt 1998 - Beckers wäre 100 Jahre alt geworden - war im Dürener Leopold-Hoesch-Museum eine umfassende Ausstellung seines künstlerischen Schaffens zu sehen.

Just bei Redaktionsschluss für diese Ausgabe des Eifeljahrbuchs wird bekannt, dass der Kulturverein, der im Vorjahr erstmals auf Schloss Burgau in Niederau mit einer ganz hervorragenden Retrospektive des Malers Burger-Willing an die Öffentlichkeit trat, vom 28. Okt. bis 25. Nov. 2007 eine Gemäldeausstellung Dürener Künstler vorbereitet, in der Hans Beckers sicherlich den herausragenden Platz einnehmen wird, der ihm immer schon zukommt. Denn während viele seiner auch jüngeren Malerkollegen wenn nicht zu Ruhm kommen, so jedenfalls zu schnellen Ehren drängen, hat Beckers' Kunst eine beständige, in jüngerer Zeit wohl wieder anwachsende, stille Anhängerschaft. Im Herbst 2006 und Frühjahr 2007 zeigte die Galerie Heidbüchel in Düren in kleinem Rahmen zahlreiche beeindruckende Werke seines Schaffens. Der große Verkaufserfolg lässt annehmen, dass das Interesse an der heimatverbundenen qualitätsvollen Malerei wieder um so mehr auf Nachfrage stößt, als das Bild einer friedlichen Landschaft verschwindet, die zunehmend auch in der Eifel von Windrädern (Familienjargon: »Trittinis«) geprägt und damit zerstört wird.

Wenn Beckers gelegentlich ein »Landschaftsmaler« genannt wurde4, war dies anerkennend und bewundernd gemeint, greift aber sicherlich zu kurz. Denn es ging ihm ersichtlich weniger um die Abbildung der Landschaft als um das Er- und Begreifen »des Wesens« aller Dinge, die er darstellte und das waren keineswegs nur Landschaften. Nur beispielhaft: Seine vielen Skizzen des im November 1944 total zerstörten Düren, seine Wiedergabe des Altarraumes der St. Marien-Kirche in Düren im Zwielicht des Kircheninneren oder das Innere des Glockenturms der alten St. Anna-Kirche atmen den Geist von Verfall und Beständigkeit.

Hans Beckers, das war ein Künstlerleben, wie es reicher an Vielfalt und bisweilen ärmer am Beutel kaum vorstellbar ist. Denn nicht nur, dass es zwei Nachkriegszeiten umfasste, sondern seine Leidenschaft galt von klein auf den Fahrensleuten. Die Zirkuswelt faszinierte ihn so sehr, dass er sich ihr zeitweilig, aber immer wieder »mit Haut und Haar« verschrieb. Dann reiste er nämlich nicht nur mit so berühmten Zirkus-Unternehmen wie Althoff, Busch, Sarrasani oder Hagenbeck herum, sondern trat selbst als Clown in der Manege auf und fand gastliche Aufnahme bei berühmten, gar weltbesten Clowns, deren Namen heute in Vergessenheit geraten sind, ausgenommen vielleicht der bis in die Nachkriegszeit berühmteste Musikclown Grock (»nit mööööööööglich«). Beckers schlüpfte in die geheimnisvolle Figur des Clowns, der »andere Menschen zum Lachen bringt, der aber gleichzeitig von tiefster Traurigkeit ist. Eine Figur, die viele Gesichter und Masken hat. Eine Figur eben wie Hans Beckers«.5

So wundert es nicht, dass zu seinen schönsten Werken auch solche aus der Zirkuswelt gehören, auch Details wie Zelteingang oder Sattelplatz in bestechenden gedeckten Farben, mit lockerem Pinselstrich zum Leben erweckt, jedoch - was sicherlich überrascht - stets ohne Mensch und Tier. Nicht minder galt seine Liebe der Kirmes, sei es der bis heute berühmten und beliebten Annakirmes in Düren, sei es den Dorffesten der Umgebung. Als ob er in das Grau des Alltags, erst recht in Kriegs- und Nachkriegszeit, etwas Farbe bringen wollte, so leicht und luftig kommen seine meist eher kleinformatigen Kirmesbilder daher und auch als sein letztes Bild gilt ein Zeitstand der Annakirmes in Buntstift.6

 

Düren, die Weierstraße in Trümmern, 1945, Kohlezeichnung9

 

Das Innere des Glockenturms der alten St. Anna-Kirche
Radierung, 35 x 26 cm, sign., dat. 1926

 

Dass auf all seinen Bildern kein Mensch zu sehen ist, ist eine der Besonderheiten, die das Widersprüchliche seines Charakters offenbaren. Denn Zirkus und Kirmes, das ist erlebtes Menschengedränge auf kleinstem Raum und Beckers hielt sich den Menschen auch keineswegs fern, sondern war sogar zeitweilig Mittelpunkt eines literarischen Kabinetts bei der »Gambrinus-Stern-Schützenkompanie von 1926« in Düren, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Vereinsleben, Geschehnisse aus Politik, Kultur und Alltag zu persiflieren und zweimal im Jahr mit Dichterlesungen, Konzerten und Parodien an die Öffentlichkeit zu treten.

In den 40er Jahren hielt er sogar enge Kontakte zum Münchener Künstlerkreis »Simplicissimus« und veröffentlichte in dessen satirischer Zeitschrift eigene Zeichnungen. Dass er dennoch die Natur lieber »pur« zeichnete, mag bei Beckers’ wachem Geist an Friedrich Nietzsches Worte erinnern: »Wir sind so gern in der freien Natur, weil sie keine Meinung über uns hat«.7 Sein Klassenkammerad und Weggenosse Fritz Schiffer (a. a. O.) erklärt das Fehlen der Darstellung des Menschen in seinen Bildern damit, dass Beckers »aus Selbstzerrüttung und Auflösung immer wieder die klare Ordnung des Seins« gesucht habe, die er »in der Natur und nicht bei den Menschen« gefunden habe.

Reisefreudigkeit, aber auch seine Sammelleidenschaft für Werke anderer Künstler offenbaren seine Aufgeschlossenheit und brachten ihn immer wieder mit interessanten Menschen zusammen. Persönliche Freundschaft verband ihn u. a. mit Alfred Kubin, Olaf Gulbransson, Jo Strahn u. v. mehr. Aus den Tagebüchern eines Notars Dr. R. aus Bonn ist bekannt, dass Beckers dort 1936 gelegentlich Hausbesuch machte, um mit diesem, der selbst Hobbyzeichner und Sammler war, über Kunst zu fachsimpeln und eigene Gemälde gegen andere Werke der Malerkollegen zu tauschen.

Bei seinem Tode hinterließ er eine Fülle von Handzeichnungen und Graphiken berühmter Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts, darunter solche von Ensor, Andreas Achenbach, Menzel, Slevogt, Corinth, Kollwitz, Liebermann und Nolde, die seine Witwe noch in 1951 seiner Heimatstadt Düren für eine kleine Leibrente überließ. Diese 462 Blätter wurden der Grundstock für den Neuaufbau der graphischen Sammlung des Dürener Leopold-Hoesch-Museums, dessen Gesamtbestand in den Kriegswirren verschwunden war und verschollen blieb (vgl. Appel, a. a. O.).

 

Kirmes in Kreuzau (?), Öl auf Holz, unsign., autorisiert, 15 x 21 cm

 

Gerbknüppel, Federzeichnung, 30 x 51 cm, sign., dat. 1941

 

Trockenmaar, Öl auf Malkarton, 32 x 43 cm, sign., dat. 1931

 

Abenden, kolorierte Federzeichnung, 33 x 51 cm, sign., dat. Aug. 1925

 

In den Nachkriegsjahren war das Leben hart, allemal für einen Maler. Der Ausspruch »Botteramme fott, do kütt ene Möler« (Butterbrote fort, da kommt ein Maler), der ihm selbst zugeschrieben ist (F. Schiffer a. a. O.), aber auch in der Jugendzeit des Autors nach dem Kriege in Düren geflügeltes Wort in der Familie war, spiegelt nicht nur allgemein die damals herrschende Not in dem völlig zerstörten Düren wieder, sondern gibt erst recht das gesteigerte Elend des Künstlerlebens wieder, das in dieser Zeit noch weniger galt als in aller Regel zu Malers Lebzeiten. »Es trifft nämlich gar nicht zu, dass der Künstler für das tägliche Leben nicht zu gebrauchen sei. Ich habe es in vielen Fällen erlebt, dass der Künstler mit am befähigsten ist, solche fast aussichtslos erscheinenden Situationen wie die unseren zu meistern«. Diese fast hilflos und verzweifelt klingenden Worte richtete Professor Dr. Schmidt von der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf 1947 in einem Schreiben an den Oberbürgermeister der im November 1944 total zerstörten Stadt Düren mit der eindringlichen Bitte, seinem Schüler Hans Beckers eine Wohnung zu besorgen, in der er seinem künstlerischen Schaffen nachgehen könne. Beckers hatte damals zwar immerhin zwei Zimmer in einem teilweise kriegszerstörten Haus im Dorf Winden bei Düren gefunden, fühlte sich dort aber wohl zu beengt. Nur der Vollständigkeit wegen sei angemerkt, dass der Bürgermeister die Bitte im Hinblick auf die Wohnungsnot und vorrangige Personen in »üblen und ungesunden Kellerwohnungen« höflich abschlägig beschied und der Vermieter aus Winden einen geharnischten Leserbrief folgen ließ, mit welchem er die aus seiner Sicht kränkende Darstellung der Wohnungssituation Beckers in seinem Kriegszerstörten Haus schärfstens zurückwies (AVZ vom 17.07.1948).

Doch bis er an der Düsseldorfer Kunstakademie aufgenommen worden war, war es ein weiter Weg gewesen. Nachdem er im Ersten Weltkrieg vom Kriegsdienst befreit war, absolvierte er u. a. drei Jahre Apothekerlehrzeit, in der er nach eigenen Worten »das Scheiden und Mixen farbiger Elemente«6lernte, das ihn alsdann zur Malerei führte. So besuchte er nach dem Kriege die in Düren im Kolpinghaus eingerichtete Malschule von Prof. Jordan, die später Jo Strahn fortführte, wurde Schüler der Düsseldorfer Kunstakademie und machte sein Examen als Gewerbeoberlehrer. Reisen führten ihn nach Worpswede, in den Hümmling, Berlin, Nürnberg, ganz Süddeutschland und Paris, »immer auf der Suche nach Motiven«.6 Er malte Bauernkaten, Schafställe, Landschaften in weiter Sicht oder ganz nah, Weg, Baum und Feld. Die Motive sind so vielfältig, dass an dieser Stelle nicht annähernd ein repräsentiver Querschnitt wiedergegeben werden kann und immer wieder erscheinen »neue« Bilder aus Privatbesitz und auch in größeren überregionalen Auktionshäusern. Gleichwohl dürfte der Bekanntheitsgrad Beckers noch weit hinter dem zurückbleiben, was seine Meisterschaft verdient hätte. Auch was die Maltechnik betrifft, war Beckers, was man neudeutsch ein »Allroundtalent« zu bezeichnen pflegt: Ölgemälde, Zeichnungen in Kohle und Bleistift, Holzschnitte, Aquarelle, nichts war ihm fremd, in allem war er zuhause.

 

Wehebachtal bei Großhau, Ölkreide, 30 x 41 cm, sign., dat. 1926

 

Abenden, Aquarell u. Feder, 41 x 51 cm, sign., dat. 1935
© Repros: Hans-Joachim Kuck

 

Es hätte der Würdigung in einem Eifeljahrbuch nicht unbedingt bedurft, wenn Hans Beckers selbst nicht seine tiefe Verwurzelung in der Eifel immer wieder malerisch, aber auch wörtlich zum Ausdruck gebracht hätte. Wir sind in der glücklichen Lage, erneut aus dem Lebenslauf zitieren zu können, den Hans Beckers seinerzeit verfasste und in der Mitteilung des Kunstvereins Düsseldorf im Jahre 1934 veröffentlichte8: »Wen wundert’s da noch, dass ich am liebsten einmal mit dem Zirkuswagen ziehen möchte von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf? Aber doch nur als Gast und eine Zeitlang ... Denn dann würde es mich doch wieder zurückziehen in meine Heimatberge, zurück zu den sanften Hügeln und steilen Schroffen der nördlichen Eifel.«

Und die Inschrift auf seinem Grabstein auf dem Dürener Neuen Friedhof lässt den Maler und Menschen Hans Beckers immer noch fortleben:

»Da lieg ich Herr wie’s Dir gefällt,
und malte Deine schöne Welt.
Ließ deinen Himmel drüber blau’n,
laß mich ihn nun von innen schau’n«

Anmerkungen:

  1. aus Beckers Lebenslauf, Auszüge in DZ vom 03.07.1978
  2. DZ vom 16.04.1996, DZ vom 04.08.1995; Fritz Schiffer in DZ vom 05.07.1978; Heinrich Richartz in »Düren, so wie es war«, Droste Verlag GmbH, Düsseldorf 1977
  3. vgl. etwa Abb. im Stadtführer der Stadt Düren von 1928
  4. Appel in Moderne Kunst, Katalog des Eigenbesitzes des Leopold-Hoesch-Museums, Zur Geschichte der Sammlung 2. Aufl. Düren 1965
  5. J. Robertz in DN v. 04.08.1995
  6. DZ vom 27.06.1978
  7. Aus Friedrich Nietzsche, »Menschliches, Allzumenschliches«
  8. aus Beckers Lebenslauf, a. a. O.
  9. Kopie aus Stadtarchiv, Ausstellungskatalog 1948

© Veröffentlichung und Weiterverwendung, auch in Auszügen, nur nach schriftlicher Genehmigung durch den Autor.


 

1931
Blick über weite Eifellandschaft im Spätsommer
Öl auf Leinwand
55 x 72 cm

 

Landschaft bei Winden
Öl auf Hartfaser
20 x 23 cm

 

Blick über Bilstein gen Mausauel und Burgberg
Öl auf Holz
29 x 36 cm

 

Stillleben mit Äpfeln und Wasserglas
Öl auf Hartfaser
40 x 50 cm

 

Untermaubach in der Eifel
Aquarell und Federzeichnung
16,5 x 21 cm

 

Schlosspark von Gaibach/Würtbg
Öl auf Holz
12 x 16,2 cm

 

Herbsttag
Öl auf Hartfaser
35 x 25 cm


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