30. Mai - 14. September 2008

Georg Tappert

Frauen 1910 - 1933

Schlafende, 1917
Öl auf Leinwand, 65 x 60 cm,
Rahmen 70 x 75 cm
British American Tobacco (Industrie) GmbH, Hamburg

 

Pressestelle des August Macke Hauses

Nach Ausstellungen über Ludwig Meidner und Cesar Klein stellt das August Macke Haus einen weiteren Protagonisten der Berliner Avantgarde der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts vor: den Maler und Graphiker Georg Tappert (1880-1957), der u.a. 1910 die Neue Secession Berlin und nach dem Ersten Weltkrieg die Novembergruppe mitbegründete.

Die Darstellungen von Frauen spielen im Werk von Georg Tappert bei weitem die größte Rolle. Mit seinen Bildern von Chansonetten, Nackttänzerinnen, Artistinnen, Halbweltdamen und Straßendirnen war er einer der ersten deutschen Künstler, die die großstädtische Vergnügungswelt als Bildthema entdeckten. Daneben malte und zeichnete er Modelle und Aktdarstellungen und sehr markante Porträts.

Nach einer akademischen Ausbildung lebte Tappert von 1906 bis 1909 in Worpswede und lernte dort die unkonventionelle und mit der zeitgenössischen französischen Kunst vertraute Malerin Paula Modersohn-Becker kennen. In seinen ersten eigenständigen Porträts, Figuren- und Milieudarstellungen vermischten sich die modernen Anregungen mit der Berliner realistischen Tradition eines Baluschek oder Zille und mit Satirischem.

Um 1910, zurück in Berlin, gelangte Tappert zum Durchbruch seiner expressionistischen Malerei. Große Form, leuchtende, flächige Farben und kraftvolle Konturen beherrschen nun die Bilder. Durch die Gründung der Neuen Secession stand er u.a. mit den Künstlern der »Brücke« und des »Blauen Reiter« in regem Kontakt. 1912 zeigte er vier große Gemälde auf der berühmten internationalen Sonderbundausstellung in Köln. Eines davon, die »Kreolin« (1911), die als eine Ikone dieser das Exotische liebenden Großstadtkultur gelten kann, ist in der Ausstellung zu sehen.

Einen weiteren Höhepunkt bilden die vitalen, teils deftigen Aktdarstellungen nach der Nackttänzerin »Betty« von 1912-14. Hier überträgt sich die erotische Faszination des Künstlers ungebrochen in einen üppigen, von kräftigen Linien, fülligen Formen und lebhaften Farben erfüllten Zeichen- und Malstil.

Mit dem Einschnitt des Ersten Weltkriegs und dem Ende des Kaiserreichs suchte auch Tappert nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Vorübergehend nahm er kubistische und futuristische Stilmittel auf. Einerseits wurden die Porträts schärfer akzentuiert, andererseits die Figuren in ein grotesk-turbulentes Welttheater eingebunden. Auch religiöse und andere sinnbildliche Motive wie die Muttergottes, Susanna, Eva und auch Sappho griff er in Graphiken auf, die in der äußeren Zerrissenheit Sehnsucht und Hoffnung aufzeigen.

In den zwanziger Jahren gelangte Georg Tappert mit groß und realistisch gesehenen Porträts und Aktdarstellungen noch einmal zu einem künstlerischen Höhepunkt. Wieder wandte er sich den Frauen des Halbweltmilieus zu. Abseits der Schärfe von Neuer Sachlichkeit und sozialkritischem Verismus überlieferte er ein menschliches Panorama aus den nur vermeintlich »goldenen« Jahren. Unbestechlich, aber respektvoll schilderte er die Frauen in ihrer Gefangenheit zwischen blendendem Auftritt und Schwäche, Verführung und Verfall, Daseinslust und Resignation. Die malerische Qualität dieser Bilder ist herausragend und sehr variationsreich in der Komposition, im offenen und gebundenen Duktus und im leuchtenden und nuancierten Kolorit.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten fiel Tapperts Menschenbild dem Verdikt der »Entartung« zum Opfer. Seine Bilder wurden aus öffentlichen Sammlungen entfernt und er erhielt Berufsverbot. 1944 hörte er endgültig auf zu malen. Der Künstler starb 1957 hochgeehrt als Professor der Kunsterziehung. Erst allmählich wurde sein herausragendes eigenes Werk von der Kunstgeschichte und der Öffentlichkeit wiederentdeckt.

Die Ausstellung umfasst rund 60 Werke, darunter 16 großformatige Gemälde, überwiegend aus Privatbesitz und aus der Georg Tappert-Stiftung an der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen in Schleswig.

Kuratoren: Dr. Gesa Bartholomeyczik

Zur Ausstellung erscheint im Rahmen der Schriftenreihe des Vereins August Macke Haus e. V. ein reich bebilderter Katalog, der wissenschaftliche Beiträge zu Georg Tapperts Frauenbildern von Dr. Gesa Bartholomeyczik, über das Frauenbild in der Kunst des Expressionismus vor dem Ersten Weltkrieg von Dr. Andreas Gabelmann sowie über die Entwicklung des Frauenbildes in der Kunst der Weimarer Republik von Dr. Annette Baumann enthält.

Die vom August Macke Haus konzipierte Schau wird anschließend vom 25.10.2008 bis zum 1.2.2009 im Kunstmuseum Bayreuth gezeigt.

 

Aufgestützt liegender Akt mit Ohrringen, um 1930
Öl auf Leinwand,
71 x 100,5 cm, Privatbesitz

 

Kreolin, 1911
Öl auf Leinwand
150 x 77,5 cm
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie

 

Die schöne Lea (Jiddische Operette), um 1927
Öl auf Pappe, 72,5 x 102 cm
Privatbesitz

 

Drei Sitzende in Reizwäsche, um 1921
Bleistift, 32,6 x 25,2 cm
Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Schleswig

 

Die Loge II, ca. 1910
Öl auf Leinwand, 52 x 79 cm
Privatbesitz

 

Rosa Chansonette I, um 1921
Öl auf Pappe, 68 x 49,5 cm
Privatbesiz


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