9. April - 16. Oktober 2011

Bilder+Reise+Bilder

Europäische Landschaften des 19. und 20. Jahrhunderts
Eine Depot-Werkschau

 

Text und Gemälde: Mittelrhein-Museum, Koblenz

Bilder+Reise+Bilder

Die Ausstellung »Bilder+Reise+Bilder: Europäische Landschaften des 19. und 20. Jahrhunderts« nimmt die Besucher mit auf eine fiktive Reise durch Europa. Unsere »Kopfreise« beginnt in Koblenz - als Veranstaltungsort der Bundesgartenschau 2011 im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit -, führt durch das Rheinland, europäische Kernregion und Sehnsuchtsziel der englischen Romantik, durch »wilde« Gegenden in der Eifel und am Niederrhein zunächst übers Meer nach Norwegen und in die Normandie. Von dort wendet sich die Ausstellung nach Frankreich und Italien, den bevorzugten Zielen schon der großen Kavaliersreisen im 18. Jahrhundert. Das zunehmende Interesse auch an »exotischen« Gegenden belegen Ansichten aus dem noch jungen Königreich Griechenland und aus Istanbul, dem historischen Konstantinopel. Bis nach Kairo und Indien führt schließlich der Weg, zu dem das Mittelrhein-Museum seine Besucher einlädt.

Die Ausstellung setzt die erfolgreiche Reihe der Depot-Werkschauen des Museums fort, in der - jeweils unter einem thematischen Schwerpunkt - die gesamten Bestände des Hauses gezeigt werden und gleichzeitig die Konzeption des Museumsneubaus auf dem Koblenzer Zentralplatz ab Frühjahr 2013 vorbereitet wird.

Vor allem das 19. Jahrhundert sah die Bilderreise nicht als billigen Ersatz für nicht statt gefundene »echte« Reisen. Diente noch die »Grand Tour« vorwiegend adliger Reisender hauptsächlich der moralischen und politischen Bildung, so zeigten die Reisenden des 19. Jahrhundert ein aufklärerisches Interesse an fremden Ländern und Regionen. Bildung stand im Mittelpunkt des Interesses. Das Sehen, als grundsätzlich Jedem mögliche Sinneswahrnehmung, galt es jedoch bereits im Vorfeld zu schulen: »Man sieht nur, was man weiß«. Reisebilder und gedruckte Reiseführer lenkten den Blick auf Sehenswertes und gaben gleichzeitig an, wie es zu sehen sei. Der Vorteil der Bilderreise lag also in der schon standardisierten Auswahl »sehenswerter« Ziele. Gestank, Lärm und die Anstrengung einer tatsächlichen Reise waren ausgeblendet, die Konzentration vollständig auf »lohnende« Ansichten gerichtet. Die sinnliche Erfahrung des Reisens weicht dem Gewinn an visuellen Sensationen. Und im Ergebnis suchen Reisende genau jene, bereits bekannten Ziele auf: der Beginn des Tourismus. In den 1840er Jahren bietet Thomas Cook erstmals Pauschalreisen, die es auch bürgerlichen Reisenden ermöglichten, ohne zeitraubendes »Auskundschaften« und ohne teure Reisebegleiter die »Hotspots« Europas zu erkunden.

 

Hanns Altmeier (1906-1979)
Wellmich und Burg Maus, 1947
Öl auf Hartfaser
60 x 80 cm

 

Die Reise beginnt...

Während die Stadt in mittelalterlichen Bildern meist allegorische Bedeutung hatte, interessierte die - meist niederländischen - Künstler und Verleger des 17. Jahrhunderts vor allem die topografische Exaktheit der dargestellten Städte und Landschaften. Merkantile und oft genug auch militärische Aspekte bestimmten die Motive. Erst allmählich weicht diese Sichtweise einer künstlerisch bestimmten Auffassung von Stadt und Land. Das Ende des Kurstaates 1794 und damit verbunden der Wegfall der traditionellen Auftraggeber aus Adel und Kirche sowie die Aufhebung der Kontinentalsperre 1814, ließen schon bald zahlreiche reisende Engländer das Rheintal besuchen. Schnell orientierten sich einheimische Künstler an deren Wünschen und produzierten bald schon »standardisierte« Blicke auf Koblenz: von den Urbarer Höhen auf den Zusammenfluss von Rhein und Mosel, vom rechtsrheinischen Pfaffendorf auf das Koblenzer Rheinufer oder von Lützel aus auf das besonders malerisch geltende Moselufer mit Altem Kaufhaus und Balduinbrücke. Wie tief jene, im 19. Jahrhundert geprägten Blicke auch unsere »moderne« Sicht prägen, zeigen exemplarisch Arbeiten der 1920er bis 1950er Jahre.

 

Koblenz und die Festung

Auch innerhalb der Städte sind es vor allem die geschichtsträchtigen Bauwerke, die sich in Gemälden meist einheimischer Künstler wiederfinden und den Besuchern zur Ansicht empfohlen werden: biedermeierlich ausstaffiert und als Andenken verarbeitet, wie etwa Johann Baptist Bachtas »Bilderuhren«. Erst die Künstler der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts widmen ihren Blick den eher unscheinbaren Gässchen und Plätzen und dokumentieren so längst untergegangene Orte innerhalb von Koblenz. In den Mittelpunkt Europas dagegen stellt HA Schult die politisch aufgeladene Landspitze des »Deutschen Ecks« mit seinem »Friedensaltar« von 1990.

Die englischen Reisenden des 19. Jahrhunderts interessierte dagegen eher »the picturesque view«: Ruinen und Burgen auf möglichst steilen Bergen, darunter kleine Orte an einer Flussbiegung, ergänzt durch Schiffe und Menschen als Staffage. Dazu geeignet war vor allem die schroffe Anhöhe auf der sich seit dem Mittelalter die Festung Ehrenbreitstein erhob. 1801 von den Franzosen zerstört, wurde sie ab 1817 wieder aufgebaut. Vor allem die Ansichten von George Clarkson Stanfield und James Webb zeigen diesen pittoresken Blick auf die mit dem Felsen verschmelzende Festung. Selbst nach 1945 steht das großartige Panorama im Mittelpunkt von Überlegungen zur Neugestaltung der 1944 zerstörten Stadt.

 

Jean Louis Kehrmann (1865-1891)
Auberg bei Gerolostein, 1890
Öl auf Leinwand

 

Vom »romantischen« Rhein an Mosel, Lahn und Our

Bis heute ein vielbeschworener Sehnsuchtsbegriff, ist die »Rheinromantik« weitgehend ein Produkt des beginnenden Reisezeitalters. Hatten die Niederländer des 17. Jahrhunderts den Rhein vor allem wegen seiner Bedeutung als Handelsstraße aufgesucht, fanden die Engländer des 19. Jahrhunderts hier alles, was geeignet war, »erhabene« Gefühle auszulösen: schroffe Felsen, tiefe Täler, schauerliche Sagen und Märchen - und eine rückständige Wirtschaftsstruktur. War Italien vor allem das Land des Lichts und der Kultur, wurden der Rhein und das Mittelalter - ähnlich wie fast gleichzeitig der Orient - zum beliebten Gegenstand schauerlicher (Bild-)Geschichten. Bald folgten auch die Nebenflüsse, wie Mosel, Lahn und Main. Während frühe Ansichten, etwa von Stanfield oder Nasmyth ideale Landschaften in der Tradition Claude Lorrains zeigen, bilden sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend standardisierte Ansichten touristisch erschlossener Höhepunkte längs des Rheintals heraus. Kritik ist nicht Gegenstand der Landschaftsmalerei und so zeigen auch Gemälde der Klassischen Moderne, so z.B. Emil Noldes »Am Rhein« oder zeitgenössische Arbeiten wie Paul Roettgers‘ Triptychon des Tals der Our in Luxemburg vor allem die Großartigkeit der schroffen Flusslandschaft. Eine Ausnahme bildet lediglich George Grosz‘ »Friedvolle Rheinlandschaft« von 1915/16.

 

Johann Adolf Lasinsky (1808-1871)
Eifelmaar, 1841
Öl auf Leinwand
57 x 72 cm

 

»Terra incognita« - direkt vor der Türe

Für die malerische »Entdeckung« so nahe gelegener Regionen wie der Mittelgebirge Hunsrück, Westerwald, vor allem aber der Eifel, kann die Bedeutung der Düsseldorfer Akademie nicht hoch genug eingeschätzt werden. Von Koblenz aus hatten Maler zunächst nur die nah gelegenen Ziele wie Maria Laach, Burg Eltz, Pyrmont oder Schloss Bürresheim besucht und dort im Stil der »Rheinromantik« gehaltene Veduten angefertigt. Nach der Berufung Wilhelm von Schadows und der Ernennung von Johann Wilhelm Schirmer zum Leiter der neuen Landschaftsklasse an der Akademie, folgten die Künstler schon bald den Naturwissenschaftlern, die die geologischen Besonderheiten längst beschrieben hatten. Die »rauhe Schönheit« der Vulkaneifel etwa wurde für den in Koblenz geborenen Jean Louis Kehrmann zum immer wiederkehrenden Motiv. Daneben dienten die Eifelmaare als beliebtes Sujet, erinnerten sie doch zusammen mit der sie umgebenden, einsamen Landschaft an die ebenfalls von Düsseldorf aus »entdeckten«, wilden Regionen Nordeuropas, wie etwa Johann Adolf Lasinskys »Eifelmaar« von 1841. Dass das »Unheimliche« vulkanischer Eruptionen auch noch im 20. Jahrhundert Künstler fasziniert, zeigen zeitgenössische Arbeiten wie jene von Carlfritz Nicolay oder Max Rupp.

 

George Clarkson Stanfield (1828-1878)
Koblenz und Ehrenbreitstein, 1858
Öl auf Leinwand
67 x 100 m

 

Heinrich Hartung III (1851-1919) Festung Ehrenbreitstein, 1890
Öl auf Leinwand
46,5 x 66,2 cm

 

James Web (ca. 1825-1895)
Festung Ehrenbreitstein, 1880
Öl auf Leinwand
86 x 127 cm

 

Henri Lavoué (1883-1972)
Bacharach, 1925
Öl auf Leinwand
65 x 81 cm

 

Hans Sprung (1884-1948)
Runkel an der Lahn, 1911
Öl auf Leinwand
65,5 x 73,5 cm


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