Begegnung mit dem Eifelmaler Peter Otten

Anmerkungen zum 95. Geburtstag des Mehrener Künstlers

Dieter Klünder, Merzenich

Als ich 1991 Peter Otten anlässlich einer Fritz von Wille-Gedächtnisveranstaltung in Daun kennenlernte, befand sich der Maler bereits in seinem 82. Lebensjahr.
Ich war damals gerade dabei, einen Film über »Die Maler der Eifel« zu drehen und war auf der Suche nach Künstlern, denen ich bei der Arbeit mit der Kamera über die Schulter schauen durfte.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch von dem Maler Peter Otten weder etwas gehört noch gesehen. Ich war neugierig und skeptisch zugleich, ob Peter Otten ein »lohnendes Objekt« für meinen neuen Streifen sein könnte.

 

Peter Otten mit einem Schalkenmehrener Maar
(Öl auf Leinwand, 1991, 60 x 70 cm)
Fotos: Dieter Klünder

 

Bereits eine Woche später steuere ich vom Nordrand der Eifel den kleinen, idyllischen Ort Mehren an. Sämtliche Filmutensilien habe ich zu Hause gelassen, ja nicht einmal einen Notizblock habe ich mitgenommen. Ich möchte mich erst einmal vorab informieren und Eindrücke über den Maler Peter Otten gewinnen.

In einem kleinen Innenhof in der Poststraße stelle ich meinen Wagen unter einem alten, mächtigen Nussbaum ab. Herr und Frau Otten kommen mir bereits entgegen, und nach einer kurzen Begrüßung führt mich Herr Otten in eine angrenzende ehemalige Scheune, von wo aus eine steile Holztreppe in sein Atelier führt. Ich bin aufs Äußerste gespannt.

Als Peter Otten die Ateliertür öffnet, fällt mein Blick zuerst auf einen alten, gusseisernen Ofen, der eine wohlige Wärme ausstrahlt, und von dem aus sich ein langes Ofenrohr durchs Atelier windet. Dann schweift der Blick weiter an den Wänden vorbei, an denen dicht an dicht die Arbeiten des Künstlers hängen.

Unter dem schrägen Dachfenster eine echte Rarität, ein alter verzierter Eichenschreibtisch aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, ein Erbstück von Frau Ottens Großeltern. Auf diesem stehen mehrere Gläser, in denen eine Vielzahl von langen, kurzen, dicken, dünnen, flachen und schrägen Pinseln aufbewahrt werden, alle wohlgeordnet und jederzeit griffbereit. Daneben in Reih und Glied, halb ausgedrückte silberne Tuben und mehrere Holzpaletten mit dick aufgetragenen Ölfarbmischungen. Vor dem Tisch, etwas seitlich versetzt, eine schwere, alte Holzstaffelei, auf der ein fast fertiges »Schalkenmehrener Maar« steht.

Staunend stehe ich im Atelier, und mein Blick schweift umher. Zahllose Motive künden von der herben Schönheit der Vulkaneifel. Und immer wieder Maarmotive, in sämtlichen Variationen und zu jeder Jahreszeit. Für mich steht zu diesem frühen Zeitpunkt bereits fest: Hier bist du nicht das letzte Mal gewesen.

Nach den ersten Eindrücken kommen wir schnell ins Gespräch, fachsimpeln über dieses und jenes und merken dabei nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Punkt 12.00 Uhr dann ein Klingelzeichen. Über ein altes Feldtelefon, Peter Otten war im Zweiten Weltkrieg Funker, teilt uns Frau Otten mit, dass das Essen zubereitet ist.

Bei pürierter Kartoffelsuppe mit Apfelküchlein, eine Spezialität des Hauses, plaudern wir nun zu dritt, und dabei erfahre ich immer mehr über den mir bis dato unbekannten Maler Peter Otten.

 

Im Atelier: Aufnahmen zum Film »Maler der Eifel«, 1992

 

Die Filmarbeiten beginnen

Gut 14 Tage später steuere ich wieder Mehren an, diesmal jedoch mit Kamera, Tonbandgerät, Scheinwerfern, Kabelrollen, Stativen und etlichen Filmrollen im Kofferraum. Der erste Drehtag steht an.

Als ich an die Ateliertür klopfe, ist Peter Otten gerade dabei, die Skizze eines Weinfelder Maares auf die Leinwand zu übertragen, für ihn immer ein erster und wesentlicher Teil seiner Arbeit; und dabei möchte ich ihn auch nicht stören.

Ich stehe schweigend im Hintergrund, beobachte seine Pinselführung und lausche seinen Worten. »Beim Aufbringen der Skizze ist sehr wichtig, dass die gesamte Komposition gut angelegt ist und dass die einzelnen Konturen gut sitzen. Wenn das der Fall ist, dann kann man schon richtig dran arbeiten.«

 

»Winter an der Maarstraße« (Öl auf Leinwand, 1991, 60 x 70 cm)

 

Nach dem Aufbringen der Skizze: Pause. Das Künstleratelier wird in ein Filmatelier umgerüstet, ein Stativ aufgebaut, Scheinwerfer ausgerichtet, etliche Meter Kabel verlegt, Tonbandgerät mit Richtmikrofon angeschlossen und die Kamera startklar gemacht. Dann, vor dem Abdrehen des ersten Filmmeters, noch ein Problem: Das durch das Dachfenster einfallende Tageslicht muss reduziert werden, um das erforderliche Kunstlicht nicht unangenehm zu beeinflussen. Ein Bettlaken muss her und wird in einer halsbrecherischen Aktion vor das Dachfenster gehängt.

Dann kann es endlich losgehen. Um den Künstler möglichst ungestört arbeiten zu lassen, versuche ich mich stets unauffällig und diskret im Hintergrund zu halten. Nur das leise Surren der Kamera und das Gleiten des Pinsels über die Leinwand sind zu hören.

Hin und wieder hält Peter Otten inne, tritt ein zwei Schritte zurück, um die Wirkung seiner Arbeit besser beurteilen zu können. In diesen kurzen Malpausen erfahre ich dann Weiteres über seine Arbeit. »Die Farbe der Eifel hat mich ein Leben lang fasziniert, und ich versuche, sie nach der Natur zu mischen. Ich habe mich eh immer an die Natur gehalten, sie ist mein großer Lehrmeister.«

Dann wieder Stille und leises Gleiten des Pinsels über die Leinwand. Dabei faszinierend festzustellen, wie sicher Peter Otten in der Pinselführung ist, kaum eine Korrektur. Verblüffend auch, wie aus anfänglichen Konturen nach und nach das Motiv des Weinfelder Maares entsteht.

Gegen 12.00 Uhr dann wieder Klingelzeichen, Eifeler Spezialitäten, von Frau Otten hervorragend zubereitet, locken uns wieder nach unten in die Wohnstube.

In den letzten Jahren seines Schaffens war Peter Otten nicht mehr als Freilichtmaler draußen in der Landschaft, stand nicht mehr unter dem Druck, die jeweilige Stimmung und das momentane Licht vor Ort in Kürze auf die Leinwand zu bannen. Seine Staffelei stand nun ausschließlich im Atelier.

Dabei kam ihm nun zugute, dass er in seiner langen Künstlerlaufbahn tausende von Motiven in Skizzenbüchern festgehalten hatte, versehen mit detaillierten Angaben über Form und Farbe, genügend Rohstoff für die Vollendung seines Lebenswerkes.

Den wechselnden Bedingungen draußen vor Ort war er nun nicht mehr ausgesetzt. Im Atelier konnte er sich nun Zeit lassen, und die brauchte er auch. »Ein Kunstwerk muss langsam in seiner Vollendung reifen. Selten, dass ich in einem oder zwei Arbeitsgängen ein Bild fertigstelle. Oft brauche ich etwas Distanz, um an einem Bild weiterzuarbeiten. Dann steht es oft tagelang, mitunter sogar wochenlang, im Atelier, bis ich mich schlussendlich mit der reduzierten Farbengebung befassen kann. Ein fertiges Bild braucht eben Zeit.«

Somit ist es nicht verwunderlich, dass sich die gesamten Dreharbeiten im Hause Otten fast acht Wochen hinzogen. An drehfreien Tagen also genügend Zeit, um über den Eifelmaler Peter Otten Weiteres zu erfahren, berufliches und privates.

 

»Weinfelder Maar« (Öl auf Hartfaser, 1990, 60 x 70 cm)

 

Aus dem Lebenslauf

Peter Otten wurde am 11. Dezember 1909 in Mehren geboren, in eine Landschaft hinein, die seinem Naturell entspricht. Er gilt als einer der ganz Stillen im Lande.
Nach dem Besuch der Volksschule in Mehren absolvierte er eine Malerlehre in Daun und legte 1936 seine Meisterprüfung ab. Seine Karriere als Eifelmaler verlief allerdings keinesfalls glatt. In der Schule hatte Peter Otten im Zeichnen die schlechteste Note. Schuld daran war eine Karikatur des Schulmeisters. »Ich habe den Lehrer an die Tafel gezeichnet, und das im Profil, weil es so mehr hergab. Sicherlich fand die Zeichnung nicht das Wohlwollen des Schulleiters .«

In die Anfangsjahre seiner Karriere als Eifelmaler fallen auch die Begegnungen mit Fritz von Wille und Pitt Kreuzberg. Während das Zusammentreffen mit Fritz von Wille, aus dessen Mund er Lob und Aufmunterung erfuhr, rein zufällig war, arbeitete er mit Pitt Kreuzberg fast 20 Jahre zusammen.

 

»Meerfelder Maar im Winter« (Öl auf Hartfaser, 1995, 44 x 55 cm)

 

»Diese 20 Jahre waren für mich unheimlich befruchtend. Ich suchte stets den Dialog mit Pitt, und trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten verstanden wir uns gut. Pitt war ein dominanter Künstler, von dem ich viel gelernt habe. Aus Dankbarkeit zu Pitt habe ich dann noch 19 Jahre nach seinem Tod seinen Nachlass verwaltet.«

 

»Meerfelder Maar im Winter« (Öl auf Hartfaser, 1995, 44 x 55 cm)

 

Begehrte Werke und Auszeichnungen

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bildender Künstler am Mittelrhein, C. Nicolay (re.), überreicht Peter Otten 1992 den »Hanns-Sprung-Preis« in Koblenz

Jahrzehnte lang war Peter Otten draußen in der Landschaft, um mit viel Fleiß und Energie seiner geliebten Vulkanlandschaft immer wieder neue Motive abzuringen. Seine Arbeiten finden nicht nur in seiner Eifelheimat, sondern auch weit darüber hinaus viel Bewunderung. Die Werke des Künstlers hängen nicht nur an den Wänden privater Liebhaber, sondern auch in zahlreichen öffentlichen Gebäuden, Schulen und Ministerien. Mehrere Kalender und Postkarten zieren seine Zeichnungen und Gemälde.

Selbst im hohen Alter von über 80 Jahren schien die Schaffenskraft von Peter Otten schier endlos zu sein, sein Können nicht nachzulassen. Ganz im Gegenteil, gerade seine Spätwerke wurden mehrfach ausgezeichnet. Viele Ankäufe durch das Kultusministerium in Mainz sind ein Zeichen dafür, dass gerade die späten Werke des Malers besonders geschätzt werden. Gerade mit diesen Werken hat Peter Otten auf zahlreichen Ausstellungen seine unverwechselbare Visitenkarte mit großer und nachhaltiger Wirkung hinterlassen.

So wurde ihm in Koblenz 1992 der so begehrte Hanns-Sprung-Preis verliehen mit den Worten: »Farben muss man einfach erleben, und Peter Otten macht unsere Eifellandschaft malerisch erlebenswert.«

 

»Am Mürmes« (Öl auf Hartfaser, 1993, 60 x 60 cm)

 

Seit 77 Jahren im Eifelverein

Auch heute noch, 15 Jahre nach unserer ersten Begegnung, steuere ich gelegentlich die Poststraße in Mehren an, um Peter und Leni »Guten Tag« zu sagen und ein kurzes Schwätzchen zu halten. Doch so manches hat sich in diesen 15 Jahren verändert. Aus der zufälligen Begegnung von damals ist eine gute Bekanntschaft geworden. Den Pinsel hat der so beliebte und erfolgreiche Maler beiseite gelegt, und den alten Nussbaum, unter dem ich meinen Wagen stets parkte, den gibt es leider nicht mehr.

Er steht zwar nicht mehr an der Staffelei, von seiner geistigen Frische hat er jedoch nichts verloren. Eine Begegnung mit ihm ist auch heute noch für jeden ein Gewinn. Hoffen wir, dass dies auch noch lange so bleiben möge.

Wir wünschen dem überaus sympathischen Maler Peter Otten und seiner lieben Frau Leni, dass sie beide gemeinsam noch viele schöne Tage in ihrem idyllischen Heim in der Poststraße 15 in Mehren erleben mögen.

 

Peter Otten und Frau Leni blicken von der Burg Kerpen, dem früheren Wohnsitz des Eifelmalers Fritz von Wille, weit ins Eifelland (1997).


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