Emil van Hauth

Ein Künstlerportrait

Dr. Theobald Simon

 

Impressionen aus Bollendorf

 

Einem seiner Freunde schrieb Emil van Hauth Weihnachten 1970: »Ich versuche seit 50 Jahren, bei allem Respekt vor Juan Gris, Braque, Bonnard, Paul Klee, Kokoschka und Matisse, das geistige Erbe Cézannes, des eigentlichen Vaters der modernen Malerei, konsequent weiterzuführen, ohne bewusst das Objekt zu deformieren, womit dem Modismus, den Epigonen, die heutzutage alles verwirren und beherrschen (zur Freude der Snobs und 'Kunsthändler'), eine Alternative gesetzt wird.« Und im gleichen Schreiben beklagt er sich darüber, dass »es bei uns in Deutschland z. Z. keine international anerkannte Persönlichkeit mehr gibt, die, wie der alte Kahnweiler sagte, selbstständig moderne Malerei, Bilder zu 'lesen' versteht (einen Cassierer, Flechtheim, Curt Valentin, Swarzenski oder gar einen jüngeren Kahnweiler gibt es leider hier nicht mehr). Jene spezifische, von den Franzosen so sehr geschätzte deutsche Geistigkeit ist ja seit dem Humanismus nur ganz selten mit reiner Malerei verbunden gewesen.«

Van Hauth arbeitete, nachdem er die Erschütterungen unseliger Kunstdiktatur, des letzten Krieges und der Entbehrungen der Nachkriegszeit endlich überwunden und in München zu sich selbst gefunden hatte, hart an sich und an seinem Werk, und so wurden die 21 Jahre, die er bis zu seinem Tode in München verbrachte, die fruchtbarsten seines Lebens, dies trotz Isolation zum Kunstbetrieb und starker Zurückgezogenheit. Nur ein Teil seiner Arbeiten fand seine Billigung. Viele seiner Bilder verwarf er, oder sie wurden beschnitten, bis sie seiner eigenen Kritik standhielten. So zeigte er in der Galerie Vömel in Düsseldorf, die 1963 van Hauth eine Ausstellung widmete, ein auch im Ausstellungskatalog abgebildetes Damenporträt im Hochformat, das 1973 bei Ketterer in München in ein quadratisches Bild umgeformt war, jetzt nach des Künstlers Meinung »meine bisher beste Menschendarstellung«. Die beiden vorgenannten Ausstellungen seiner Werke waren, neben einer vorangehenden Ausstellung in Koblenz, die einzigen der Nachkriegszeit, denen er sein Schaffen der Öffentlichkeit preisgab. Dabei trat er in Publikationen, sowie theoretischen Beiträgen zur modernen Malerei speziell in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, des öfteren hervor, die allerdings meist den modernen Kunstbetrieb mit äußerster Härte kritisierten. So schreibt er noch im Januar 1974 in einer Leserzuschrift in der FAZ: »Die in dem Aufsatz 'Das Dilemma der Avantgarde' aufgezählten Ziele der modernen Kunst sind falsch; reine Kunst ist immer absichtslos.«

 

Bank im Schnee

 

Frauenportrait

 

Schlafende

 

Frauen- und Männerkopf

 

In seinen Landschaften dominieren Darstellungen seiner Eifelheimat bis in die letzten Jahre seines Schaffens, die er 1970 in ihrem Reiz folgendermaßen beschreibt: »Erfüllt von fast archetypischem Charakter, die den starken, einmaligen Ausdruck einer mir entsprechenden Formsprache hat: mit den organischen Bauerndörfern und Gehöften, den Feldern und Hügeln, den alten Obstbäumen, die den prickelnden Viez (Apfelwein) liefern, den Pappeln und stillen Maaren. Die Eifel hat mich als Maler seit meiner frühesten Jugend einen intensiven, einer heilen Welt zugehörigen, einzigartigen Formausdruck, der sich mir als reine, farbige und formstrenge Abstraktion darstellt.«

Seine Jugend verbrachte der Künstler in seinem Geburtsort Mayen in der Eifel, wo er 1899 geboren wurde. Die Kunststudien führten ihn nach München, Darmstadt, Berlin und Paris. Nach zwei Jahren Kriegsdienst lebte er vorübergehend in Koblenz, wo er zum ersten Mal 1922 eine Ausstellung beschickte.

1925 heiratete van Hauth die in den zwanziger Jahren berühmte Tänzerin und Schauspielerin der UFA, Grit Hegesa. Die Kontakte zu den Berliner Kreisen der Künstlerschaft müssen sehr eng gewesen sein, denn die damals maßgebenden Galerien in Berlin, und in der Folge auch in Köln und Frankfurt, zeigten seine Arbeiten.

Wahrlich empfand er es als eine Auszeichnung und Anerkennung besonderer Art, als er zum Präsidenten der Berliner Sezession berufen wurde, deren letzter er sein sollte, als sie als Folge der sterilen Kunstpolitik im Dritten Reich aufgelöst wurde.

Die Diffamierung des künstlerischen Schaffens seiner zahlreichen Freunde - von denen nur Beckmann, de Fiori, Grosz, Harth, Nolde, Purrmann und Schmidt-Rottluff genannt sein sollen -, seiner eigenen Arbeiten und der Sezession hat den empfindsamen Künstler hart getroffen. Er verließ Berlin. Einen Teil der Kriegsjahre verbrachte er in Bollendorf in der Eifel. Seine Arbeiten aus dieser Zeit sind Ausdruck tiefer Depressionen, und ein Kenner und Sammler seiner Bilder meinet, sie seien zu traurig, um dauernd betrachtet zu werden.

Es folgten viele Jahre äußerer und damit verbundener innerer Unruhe, seine »Fluchtzeit« wie er schrieb. Erschütternd aus dieser Zeit ein Porträt seiner schönen Frau. 1948 in einem Königsteiner Hotel gemalt. Frau Grit stützt ihre Arme auf einen Tisch, ihre Hände halten ihre Wangen, die Augen sind geschlossen, ein Ausdruck von Traurigkeit und Verzweiflung.

Erst in München fand der Künstler in den beginnenden fünfziger Jahren zu seinem im Grunde lebensbejahenden Wesen zurück, was wahrhaften Ausdruck in seinem künstlerischen Schaffen fand, in seinem Stillleben, die in ihrer verblüffenden Einfachheit wirklich »still«, aber in der Harmonie von Komposition und wahrhaften, mit großartigen, manchmal durchaus gewagten Farben ein organisch gewachsenes Bildwerk darstellen, das weit mehr ist als die mit »nature morte« bezeichneten Vorbilder. Und das gilt auch für seine, den dargestellten Menschen leibhaftig erfassenden Porträts, ebenso für die wenig bekannten, meist farbigen Studien aus dem Schwabinger Künstlermilieu, die genannt werden müssen, um die Vielseitigkeit des Künstlers aufzuzeigen.

Van Hauth verstarb am 9. März 1974 in München. Der fast 90jährige Daniel-Henry Kahnweiler hatte ihm im Herbst 1970 geschrieben: »Was soll ich Ihnen sagen? Ich finde Ihre Arbeiten interessant und ehrlich. Was ich schätze, ist, dass Sie nicht jeden modischen Rummel mitmachen. Das ist alles, was ich in meinem Alter noch sagen kann.«

Van Hauth setzte, quasi als Ergänzung, in der Einleitung zu seiner Ausstellung bei Vömel hinzu »Die äußerste Konzentration der farbigen Mittel ist das Kennzeichen des modernen Bildes. Auf einem Arbeitsprozess, der in eigenartig schöpferischer Energie die Entwicklung und Verwirklichung des meist zuerst embryohaften Bildeinfalls darstellt, beruht das Formen während der Arbeit.«

 

Eifelbauer


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